Architekt Michael Schluder erläutert im Gespräch mit Franziska
Leeb, warum ihn das Hochbauen mit Holz reizt, warum er das
Forschungsprojekt 8+ gestartet hat und welche Erkenntnisse
daraus gewonnen wurden.
FL: Was bewegt einen Architekten, der nicht unbedingt zur Riege
der hartgesottenen „Holzbauer“ zählt, dazu, ein Forschungspro-
jekt zum Thema Hochhaus in Holzkonstruktion zu initiieren?
MS: Vielleicht auch die Neugier, aber sicher die Suche nach der
Ausnutzbarkeit und dem tatsächlichen Potenzial eines aus heuti-
ger Sicht unterbewerteten Werkstoffes. Die Unwissenheit über
das brachliegende Potenzial von Holz ist groß, und daher braucht
es verstärkt die Forschung in interdisziplinären Teams, um diese
Reservoirs freizulegen. Nehmen wir doch den Werkstoff Glas,
der zu meiner Studienzeit eigentlich nur als Fenstermaterial heran-
gezogen wurde, und nun unabhängig von seinen Eigenschaften
als zerbrechlicher, transparenter und bruchgefährdeter Werkstoff
konstruktiv eingesetzt wird. Ziel unseres Initiativprojektes 8+soll
auch die Widerlegung der alten Vorurteile sein – und was erregt
mehr Aufsehen, als wenn wir nun den Nachweis erbringen können,
dass ein zwanziggeschossiges Gebäude in reiner Holzkonstruktion
möglich ist?
Holz ist in vielerlei Hinsicht ein sehr zukunftsorientierter Baustoff,
der noch ein starkes Ausbaupotenzial – vor allem auch im urbanen
Bereich – besitzt. Und daher ist es auch naheliegend, dass wir als
Wiener Architekturbüro uns die Analyse des Baustoffes hinsicht-
lich seines Einsatzes in der Stadt vornehmen.
Welche Art von Projekten haben Sie bisher schon in Holz gebaut?
Unser Büro hat im Lauf der Zeit eine Reihe von Projekten – vor
allem im urbanen Raum – realisiert.
Darunter – noch mit meinem ehemaligen Partner Hanns Kastner –
die Entwicklung für ein modulares System von Kindergärten für
die Stadt Wien, das als ein- und zweigeschossige Aneinanderket-
tung von Raumzellen an drei Standorten ausgeführt wurde. Die
Einsatzmöglichkeiten von Holz waren durch unsere Bürostandorte
in Wien und Berlin sicher eingeschränkt. Sie wurden jedoch in
Wien durch die Bauordnungsnovelle verbessert, und dadurch steigen
die Möglichkeiten im Bauen mit Holz sowie die Nachfrage.
Seit
2006
ist mit Peter Krabbe unser Büro durch einen mit hoher
Werkstoffkompetenz und Erfahrung im Bauen mit Holz ausgestat-
teten Partner verstärkt worden.
Ein Bürohaus ist ja nicht unbedingt ein typisches Anwendungs-
beispiel für den Holzbau. Warum wickeln Sie Ihr aktuelles For-
schungsprojekt dennoch ausgerechnet anhand eines Bürohoch-
hauses ab?
Das Bürohochhaus ist eine klassische Bebauungsform der Kern-
stadt. Kein Bauwerk suggeriert so gut den Willen des Fortschritts
und einer prosperierenden Wirtschaft wie ein Büroturm – gepaart
mit Gedanken in Richtung einer Ökologisierung der Stadt kann
das schon Fantasien erzeugen. Für das Forschungsprojekt war
diese Funktion auch insofern notwendig, als ein rigides, redu-
ziertes Schema, wie es im Bürohausbau Standard ist, leichter mit
herkömmlichen Konstruktionen und Projekten vergleichbar ist.
Wen haben Sie sich als Projektpartner ins Boot geholt?
Man kann das ganze Projektteam als Kreis mit mehreren Ringen
betrachten. Im Zentrum steht das Kernteam mit uns als Ideen-
finder für die Forschungsfrage – Peter Krabbe hat dabei die Pro-
jektleitung übernommen, Wolfgang Winter und sein Team die
Statik und Frank Peter den Brandschutz. Um dieses Kernteam ist
ein Ring mit weiteren Partnern angeordnet, die gewichtige Fragen
zu beantworten haben. Zu diesen Partnern gehören die Holzfor-
schung Austria mit Peter Schober und Martin Teibinger, das Bau-
ingenieurbüro Vasko +Partner mit Lothar Heinrich sowie das
Holzbauunternehmen
wiehag
mit Alfons Brunauer und die Firma
Rhomberg Bau, die an der Schnittstelle von Development und Re-
alisierung stehen. Im äußersten Ring stehen uns einige Spezialisten
mit Expertisen zur Seite. Anzuführen sind dabei arsenal research
mit Anita Preisler und Patrice Pinel für die energetische Untersu-
chung,
pe
International mit Adolf Merl für die ökologische Betrach-
tung und die
uniqa
mit Oliver Weghaupt und Alexander Huter, die
eine Risikobewertung des Projekts vornehmen. Zusammengefasst
ergibt sich so eine ganzheitliche Betrachtung des Themas, die für
die weiteren Schritte in Richtung Realisierung unabdingbar ist.
Zuerst wurden die Konstruktionsvarianten durch die
tu
Wien ent-
wickelt, statisch auf ihre Standfestigkeit und auf die Wind- und
Erdbebenbeanspruchung untersucht. Danach gingen wir an die
Bearbeitung der weiteren Ziele. Vor allem wurde unter den heute
geltenden Kosten das ausgewählte System der zwanzig Geschosse
durch die Firmen Rhomberg als Entwickler und
wiehag
als Produ-
zent überprüft und kalkuliert. Das brachte uns zum vorliegenden
Ergebnis – der Einsatzbereich von Holz kann und muss weiter-
verfolgt werden! Ich glaube, wir haben mit diesem Vorstoß eine
Vielzahl von konkreten Themen aufgezeigt, die nun in einer Reali-
sierung angewandt werden sollen.
Wie fiel die Untersuchung der Kosten im Vergleich zu konventio-
nellen Hochhauskonstruktionen aus?
Diese Frage ist vor allem abhängig vom Anwendungsgebiet, vom
Standort. Nach den Berechnungen liegen wir in Österreich mit der
reinen Tragkonstruktion einige Prozent über den heute geltenden,
vergleichbaren Herstellungskosten. Man muss aber bedenken,
dass der Vergleich zu den dem Konkurrenzdruck ausgesetzten tra-
ditionellen Baustoffen schwer zu führen ist und auch hier in der
konkreten Anwendung noch Veränderungen zu erwarten sind.
Sicher kann davon ausgegangen werden, dass durch die steigen-
den Energiekosten für die Produktion anderer Baustoffe im Holz
noch ein weiterer Vorteil schlummert.
Nachdem wir aber nun das Ergebnis haben und die Einsatztaug-
lichkeit von Holz im Hochhausbau bestätigt haben, ist nun gewiss,
dass in Hinkunft weltweit ein weiterer Baustoff in die Gegenüber-
stellungen hinsichtlich Energieaufwand, Transportkosten und
Montagezeit mit einbezogen werden sollte.
Was ist nach heutigem Forschungsstand also möglich – wo liegen
die Potenziale?
Untersucht worden sind zwanzig Geschosse. Ergeben hat sich diese
Geschosszahl aus Parametern, die wir im Laufe des Projekts festge-
setzt haben. Diese zwanzig Geschosse sind in technischer Hinsicht
Interview
Grenzerfahrungen mit einem Baustoff