Interview
zuschnitt attachment
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und in einem ökonomisch sinnvollen Rahmen realisierbar. Was
darüber hinaus möglich ist, können wir nur vermuten. Als Limit
könnte man beispielsweise die höchsten Bäume der Welt heran-
ziehen – da ragen in den nordamerikanischen Redwood Forests
Stämme bis zu
120
m in den Himmel!
Was die Potenziale angeht, lässt sich die Sache in drei Schlagwor-
ten, die Wolfgang Winter geprägt hat, zusammenfassen: light –
fast – clean. „Light“, weil wir einen gut bearbeitbaren, leichten
Baustoff haben. Es ist beispielsweise die gesamte hölzerne Roh-
baukonstruktion genau gleich schwer wie der teilweise minera-
lische Deckenaufbau der Konstruktion. „Fast“, weil die Bauzeiten
sehr kurz sind. Der hohe Vorfertigungsgrad der Elemente garan-
tiert kürzeste Montagezeiten bei einer komplett trockenen Bau-
stelle. „Clean“ steht für die ökologische Komponente des Bau-
stoffes und die gute Recycelfähigkeit. Was ich noch hinzufügen
möchte, ist die gute Wärmedämmeigenschaft des Materials. Für
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+ bedeutet das, dass wir für das Hochhaus bis zu
30
%
weniger
in die Fassade investieren müssen.
Apropos Fassade: Welche Besonderheiten ergeben sich im Hin-
blick auf die Gebäudehülle bei einem Holzhochhaus? Ist es Ihnen
wichtig, das Holz außen zu zeigen?
Unserer Überlegung nach wird die Holzkonstruktion nicht nur aus
statischer, sondern auch aus bauphysikalischer Sicht in die Fassaden-
ebene gesetzt, um das Dämmpotenzial von Holz auch wirksam zu
machen. Somit wird auch ein Großteil der Fassadenkosten von der
notwendigen Struktur übernommen. Holz wird dadurch von außen
sichtbar, auch wenn es zum Schutz der Oberfläche in unserem
Projekt mit Glas abgedeckt wird. Die Ein- bzw. Zweischaligkeit der
Gebäudehülle bringt uns die Möglichkeit, Passivhausstandard zu
erreichen.
Haben Sie das Projekt im Hinblick auf einen bestimmten Standort
bearbeitet?
Ich finde, dass Österreich als drittgrößter Holzexporteur der Welt
und Land mit Holzbautradition geradezu die Verpflichtung zum
globalen Transfer von konstruktivem Wissen und gestalterischer
Kompetenz im Holzbau hat. Daher soll unser Projekt grundsätzlich
weltweit einsetzbar sein. Der Standort Österreich wurde dabei
natürlich mit einbezogen.
Sie haben ein Schaubild angefertigt, das das von Ihnen entwi-
ckelte Holzhochhaus in einer realen Gegend neben der Wiener
Reichsbrücke zeigt. Wie kam es zu dieser Wahl?
In Wien ist das ein richtiger Platz für dieses Projekt. Uns ist die
städtebauliche Problemstellung des Wiener Hafens geläufig. Die
derzeit fehlende Anbindung der zu Fuß ankommenden Passagiere
an die Lassallestraße und die dort befindliche
u
-
Bahn-Station
könnten mit einer massiven dreistöckigen Basiskonstruktion als
Passage und überdachtem Markt die Basis für einen oder besser
noch mehrere Bürotürme in leichter Holzkonstruktion bilden.
So könnte ich mir an einem neuralgischen Standort werkstoffspezi-
fisch – als Hybrid – den richtigen Einsatz vorstellen.
Welche Problemstellungen wurden im Zuge des Forschungspro-
jektes evident?
Überraschende neue Fragen hat das Projekt eigentlich keine zutage
gebracht. Die zu erwartenden Probleme standen im Vorhinein fest.
Als Beispiel: Wir wissen natürlich, dass Holz brennt. Wir wissen aber
auch sehr genau, wie es sich im Brandfall verhält, und vor allem,
wie schnell oder besser, wie konstant langsam es abbrennt. Es ist
somit ein kalkulierbares Risiko. Als Vorteil hat sich ergeben, dass
die großen Querschnitte der Stützen sich im Brandfall sehr günstig
verhalten. Das Verhältnis von Gesamtquerschnitt zu abgebrannter
Randfläche ist gering und die restliche Holzkonstruktion bleibt
tragfähig. Wenig überraschend ist auch das Verhalten im Erdbe-
benfall. Die Konstruktion hat in sich eine gewisse Beweglichkeit,
durch die die Schubkräfte gedämmt werden. Die Veränderungen
bleiben jedoch innerhalb der vom Eurocode festgelegten Tole-
ranzen. Erdbebenkräfte können infolge dieser Beweglichkeit ihre
zerstörerische Energie nicht entfalten. Die Gesamtkonstruktion
verhält sich also infolge von Erdbebeneinwirkungen sehr günstig.
Auch die Knotenpunkte der Konstruktion waren von vornherein
ein wichtiges Thema, das es zu bearbeiten galt. Bei all den sich
ergebenden Problemstellungen gilt aber: Die Themen müssen
detailliert weiterbearbeitet werden, die Lösungen sind aber kon-
zeptuell da.
Welche konkreten Punkte sind in einem nächsten Schritt noch zu
klären?
Wir müssen als nächste Schritte auf der einen Seite einen Weg
suchen, um mit unseren Ergebnissen in die Normen Eingang zu
finden, und auf der anderen Seite die reale Umsetzung mit Ent-
wicklern und Produzenten weiterführen.
Die Auswahl von Partnern, die in mehrerlei Hinsicht Spezialisten
für den Werkstoff Holz sind, erlaubt uns beim derzeitigen For-
schungsauftrag, einen konzentrierten Fokus auf das Material
zu legen. Bei den weiterführenden Überlegungen wird es sicher
notwendig werden, mit weiteren kompetenten Partnern aus der
Bauindustrie im Hinblick auf die reale Umsetzung neue Produkte
zu entwickeln. Erste Gespräche dazu gibt es bereits.
DI Michael Schluder
Geboren
1956
in Wien
Architekturstudium an der
tu
Wien
Ziviltechniker seit
1991
1983 – 87
Arbeiten in Italien und Frankreich
1988 – 2002
Architekturbüro Schluder⁄ Kastner, Wien
2002 – 07
schluderarchitektur
Seit
2007
schluderarchitektur
zt
GmbH
Auszeichnung Wiener Holzbaupreis wienwood
05
für das Kindertagesheim Schrebergasse