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Informationszentrum Biodiversum

erschienen in
Zuschnitt 73 Unter Spannung, März 2019

Daten zum Objekt

Standort

Remerschen/LU Google Maps

Bauherr:in

Administration des bâtiments publics, Luxembourg/LU

Architektur

Valentiny hvp architects, Remerschen/LU, www.valentinyarchitects.com

Holzbau

Steffen Holzbau s. a., Grevenmacher/LU, www.steffen-holzbau.lu

Statik Holzbau

Steffen Holzbau s. a., Grevenmacher/LU, www.steffen-holzbau.lu mit BCN Bois Consult Natterer SA, Etoy/CH, www.nattererbcn.com

Spannweite

13,5 – 17 m

Fertigstellung

2015

Typologie

Sonderbauten

Stabförmiges Schalentragwerk

Im luxemburgischen Naturschutzgebiet Remerschen hat eine neue Arche angelandet, das Informationszentrum Biodiversum der staatlichen Natur- und Forstverwaltung. Die Holzhalle von Valentiny hvp architects erinnert an ein umgedrehtes Boot.

Den Innenraum prägt ein Gitternetz aus Douglasie-Brettlamellen. Auch die Deckenelemente und alle sichtbaren Leimholzquerschnitte sind aus Douglasie. Die Erarbeitung des tragwerksplanerischen Konzepts und der Detaillösungen für die Holzkonstruktion sowie die Aufstellung der zur Prüfung eingereichten statischen Berechnung erfolgten durch Julius Natterer und sein Büro BCN Bois Consult Natterer gemeinsam mit der ausführenden Firma Steffen Holzbau.

Der konsequente Holzbau steht für die Nachhaltigkeit des Projekts im Naturschutzgebiet. Auch der seitliche Anbau für Büros ist in Holz, als Rahmenbau errichtet. »Man orientierte sich an den historischen Langhäusern der Kelten, den Ureinwohnern dieser Region«, beschreibt Valentiny den Entwurfsprozess, der schon 1999 begann. Das Nurdachhaus sollte anfänglich teilweise auf Stelzen im Wasser stehen. Weil das zu teuer geworden wäre, wurde es auf einer kleinen Halbinsel am Weiher errichtet. Zu diesem Entwurfszeitpunkt wurde das Dach durch 1,2 Meter hohe Leimbinder getragen. Im nächsten Entwurfsstadium brachte Julius Natterer aufeinandergelegte Brettstapelrippen ein, wie er sie schon bei der Halle für die Galeere im Schweizer Morges realisiert hatte. In der nächsten Variante waren Rippen und niedrige Spanten kombiniert, beide noch im Innenraum sichtbar.

Der Grundriss der Halle weitet sich vom Eingang auf der vom Wasser abgewandten Seite über gut 60 Meter konisch auf. Die Stirnseite des Eingangs ist rund 13,5 Meter breit, die sich zum See öffnende Seite 17 Meter. Auch der First steigt vom Eingang zur ein Geschoss tiefer liegenden Seeseite von 8 auf 15 Meter an. Zwei Giebel lehnen sich gegen das Langhaus. Zwei Portale schließen es nach innen versetzt ab. Spaltschindeln aus kanadischer Zeder bilden die Wetterschicht.

Handwerkliche Zimmermannsleistung

Das Gebäude steht auf einer Stahlbeton-Bodenplatte im vorderen und einem Stahlbeton-Untergeschoss im hinteren Bereich. Das Haupttragwerk besteht vorne aus Brettschichtholz-Rahmen, hinten bilden liegende Bogenbinder aus Brettschichtholz Galerien um einen parabelförmigen Luftraum. Die Binder schließen an Halbrahmen, Stützen, Träger und Querträger sowie an zwei Riegel im Portalrahmen an. Auf diesem räumlichen Tragwerk sind Deckenscheiben aus Brettstapeldecken verlegt. Die Form des Langhauses ergibt sich aus zwei gegeneinandergelehnten, gekrümmten Holzschalen, die mit dem Gitternetz beplankt als Schalentragwerk wirken. Um die gewölbte Form des raumprägenden Gitternetzes herzustellen, wurden Douglasienbohlen zweiachsig verdrillt und in Handarbeit übereinandergestapelt. Per 3D-CAD-Programm wurde hierfür ein Lehrgerüst aus Bogenbindern und Querträgern gefertigt, insgesamt ca. 32 m3 Konstruktionsvollholz und Brettschichtholz, und über dem Haupttragwerk aufgeschlagen. 20 km Bohlen wurden in vier Lagen über das Gerüst gebogen, angerissen, abgeschnitten und mit ca. 25.000 Spaxschrauben in drei Längen zu 12 cm hohen Rippen verschraubt.

Ein Rautentragwerk

Um die Fertigung zu optimieren, fertigte Steffen Holzbau ein Mock-up an und verschob die Lage der Schalung direkt über die Rippen. Zuvor lagen dazwischen die das Dachgewicht tragenden Spanten. »Das wäre eine ganz andere Optik gewesen und hätte nicht so flächig gewirkt«, erklärt Dirk Berg, leitender Ingenieur bei Steffen. Bis kurz vor Montagebeginn war geplant, das Dach in der Werkstatt elementiert vorzufertigen. Dann wären die Rippen aber durch Stöße unterbrochen gewesen, was nicht dem erwünschten Bild entsprach. Schließlich entschied sich Dirk Berg, die Rippen vor Ort herzustellen. Die Queraussteifung des Gebäudes erfolgt über die Rahmenkonstruktionen und den Stahlbeton-Aufzugsschacht sowie eine Mauer im Untergeschoss, an die sich das Holztragwerk anlehnt. In Längsrichtung steift das Schalentragwerk aus Gitternetz und Beplankung, das an die Giebel-Fachwerke angeschlossen ist, das Gebäude aus.

»Das Brettstapelrippennetz ergab eine minimale Konstruktionshöhe des Dachaufbaus«, betont Valentiny und Natterer bestätigt: »Durch den Ansatz des räumlichen Tragsystems lassen sich die Rahmenquerschnitte deutlich reduzieren.« Über dem Rautentragwerk wurden anschließend Brettschichtholz-Bogenbinder verlegt und dazwischen die Schalung. Zahlreiche Preise belegen die konstruktive und atmosphärische Qualität des großzügigen Ingenieurholzbaus.

Video

Literatur


verfasst von

Achim Pilz

Architekt, Baubiologe und freier Journalist. Er ist Chefredakteur, Kurator, Juror, Referent, Buchautor (z. B. Lehm im Innenraum, Stuttgart 2012), seit 2002 zahlreiche Publikationen zu nachhaltiger Ästhetik.

Erschienen in

Zuschnitt 73
Unter Spannung

Ob große Spannweiten, hohe Räume oder ungewöhnliche Kubaturen, im Holzbau kann der Ingenieur aus dem Vollen schöpfen. Spannendes und Informatives rund um den Ingenieurholzbau.

8,00 €

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Zuschnitt 73 - Unter Spannung

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