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Zürich
Holzbauten gehören zum guten Ton

erschienen in
Zuschnitt 59 In Zukunft Stadt, September 2015

In den letzten zehn Jahren entstanden im Großraum Zürich über ein ­Dutzend mehrgeschossige Holzbauten. »Unser Hauptanliegen ist, ­preisgünstigen Wohnraum zu erstellen und gleichzeitig die endlichen ­Energie- und Materialressourcen zu schonen«, sagt stellvertretend Urs Frei, Präsident der Baugenossenschaft Zurlinden, die gleich drei große Holzbau-Siedlungen auf Zürcher Stadtgebiet realisiert hat. Die Bekannteren stehen an der Badenerstrasse oder im Sihlbogen und beherbergen zwischen fünfzig und 140 Wohnungen.Tatsächlich hat sich herumgesprochen, dass nicht nur Einfamilienhäuser, sondern auch große Wohnprojekte mit Holz energetisch und ökologisch bedeutend verbessert werden können. Doch ebenso begünstigen wirtschaftliche Gründe den Bau urbaner Holzhäuser. Einzelne Wohnbau­genossenschaften zählen Zimmerei- und andere Holzbaubetriebe zu ihren Mitgliedern, weshalb fachliches Know-how unmittelbar nutzbar ist, ­Innovationen selbst getestet werden können und dies der eigenen Wertschöpfung dient. Die Stadt Zürich will in 35 Jahren eine klimafreundliche »2000-Watt-Stadt« sein, daher braucht sie die Mithilfe der übrigen Wohnbauträgerschaften. »Die Vorzeigeprojekte der Baugenossenschaften setzen ein deutliches Signal gegenüber privaten Investoren«, betont André Odermatt, Zürcher Stadtrat und Vorsteher des Hochbau­departements, und hofft auf einen starken Nachahmungseffekt.

Bonus für ökologische Bauprojekte »Bauen für die 2000-Watt-Gesellschaft« ist in der größten Schweizer Stadt seit rund zehn Jahren das Synonym für eine Bauweise, die den Energiefußabdruck bei Bau und Betrieb von Gebäuden so stark wie möglich reduziert. Vorschriften, wie viel graue Energie verbaut werden darf, existieren zwar nicht. Doch seit die Stadtbevölkerung einer 2000-Watt-Verfassungsklausel zugestimmt hat, erhalten ökologische Großprojekte einen Bonus, der eine höhere und dichtere Überbauung erlaubt. Zusätzlich profitieren Projekte mit dem nachwachsenden Baustoff Holz auch davon, dass die freiwillige Ökobilanzierung von Gebäuden beliebt geworden ist: In und um Zürich folgen ­öffentliche und gemeinnützige Bauherrschaften ­sowie private Rendite-Investoren diesem Trend. Inzwischen gehören Holzbauten auch in anderen Schweizer Städten zum guten Ton.

Die markantesten Neubauten werden aber weiterhin in der Limmatstadt realisiert: Unweit des Hauptbahnhofs residiert ein Medienverlag seit kurzem in einem Gebäude aus Holz und Glas mit bewusst ­inszenier­tem Öko-­­Image. Und im Westquartier Altstetten realisiert die Zürcher Freilager AG das derzeit größte Holzbauprojekt der Schweiz: drei sechs­geschossige Langhäuser mit beinahe 200 Wohnungen. »Die Holzarchitektur hat einen ausdru­cks­starken, ruhigen Charakter; konstruktiv lässt der Baustoff eine einfache, prag­­­mati­sche Raumstruktur zu«, erläutert ­Architekt Rolf Mühlethaler die Vorzüge.

Zu ihnen gehören auch die »ökologischen und gesundheitlich unbedenklichen Eigenschaften« von Holz. Einen Steinwurf vom Freilager entfernt baut eine Wohnbaugenossenschaft eine Gartenstadtsiedlung mit dem nachwachsenden Baustoff um. Die Ersatzbauten verweisen auf weitere Vorteile beim Bauen mit Holz: Der hohe Vorfertigungsgrad und eine effiziente Logistik ­reduzieren den Platzbedarf, verkürzen das Bauprogramm und vereinfachen die Bewirtschaftung von Baustellen mitten in einer Stadt. Hansbeat Reusser, Holzbau­ingenieur dieser Siedlung und Präsident von Lignum Zürich, bestätigt, dass die Konkurrenzfähigkeit dadurch steigt: »Der moderne Holzbau bewegt sich preislich auf demselben Niveau wie Backstein- oder Betonbauten.«

Der Weg in die Zukunft

Die Branche hält auch bei der Ausbildung von Fachpersonal und der Qualitätssicherung mit: Die ersten Holzbauprojekte ­behandelte die Brandschutzbehörde als Ausnahmefälle. Danach folgten Sonder­bewilligungen, basierend auf einem ­Vier-Augen-Prinzip: Gemeinsam mit der Behörde erarbeitete ein Holzbauingenieur die feuerpolizeilich unbedenkliche Konstruk­tionsvariante. Nun haben die ­guten Erfahrungen zum Abbau der Sicherheitsauflagen geführt. Seit Jahresbeginn sind die Brandschutzstandards für Holzbauten den übrigen Konstruktions- und Materialvarianten gleichgestellt. Hansbeat Reusser rechnet daher mit einem zusätzli­chen Nachfrageschub, etwa bei Geschäfts- und Schulhäusern.

  • 1994: Die Idee der 2000-Watt-Gesellschaft wird an der ETH Zürich entwickelt.
  • 1998: Minergie – Das Niedrigenergielabel wird ins Leben gerufen.
  • 2004: Brandschutzvorschriften (bis 2004): Bauen mit Holz ist bis max. zwei Geschosse plus Dachgeschoss erlaubt.
  • 2004: Brandschutzvorschriften (2004 – 14): Bauen mit Holz ist bis max. sechs Geschosse erlaubt.
  • 2008: Die Zürcher entscheiden sich per Volksabstimmung für die 2000­Watt­Gesellschaft: Umsetzung bis 2050 einschließlich dem Ausstieg aus der Atomenergie.
  • 2010: Fertigstellung WB Badenerstrasse
  • 2015: Brandschutzvorschriften – Bis zur Hochhausgrenze ist das Bauen mit Holz ohne Zusatzauflagen erlaubt.

verfasst von

Paul Knüsel

diplomierter Umweltnaturwissenschaftler ETH, Wissenschafts- und Fachjournalist, seit über zehn Jahren freie publizistische und journalistische Tätigkeit mit Themenschwerpunkt »Nachhaltiges Bauen«

Erschienen in

Zuschnitt 59
In Zukunft Stadt

Der Holzbau kehrt in die Stadt zurück und es gibt viele gute Gründe dafür. Ressourcenschonung, Dekarbonisierung, wirtschaftliches und effizientes Bauen sind einige davon.

8,00 €

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Zuschnitt 59 - In Zukunft Stadt

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