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Multifunktionstüren
Zielkonflikte bei
Planung undAusführung
Peter Schober
Anmoderne Türenwerden heute sehr hohe
Anforderungen gestellt. In vielen Fällenmüssen
sie echteMultifunktionstalente sein. Dannmüs-
sen siemehrere Anforderungen zugleich erfüllen
wie leichte Bedienbarkeit, Schutz vor Rauch,
Feuer, Einbruch. Das kann zu Zielkonflikten
führen. Damit die gewünschten technischen
Leistungskombinationen sich nicht gegenseitig
beeinträchtigen, bedarf es einer entsprechenden
Planung und Ausführung. Um ein Bewusstsein
für diese imGrunde widersprüchlichen Anforde-
rungen an die Tür zu schaffen, sind im Folgen-
den einige der gängigsten Zielkonflikte aufge-
listet. In solchen Fällen gilt es, die technische
Machbarkeit zu überprüfen und diese in Einklang
mit den Anforderungen zu bringen oder auch
das Anforderungsprofil zu hinterfragen.
Flucht ⁄Panik < > Einbruchhemmung
In einemMuseum sollen beispielsweise die Außentüren einerseits von innen die
Fähigkeit zur Freigabe (Flucht- und Panikfunktion) besitzen, andererseits von außen
eine hoheWiderstandsklasse in Bezug auf die Einbruchhemmung aufweisen.
Das heißt, die Tür soll von innen leicht zu öffnen sein, von außen aber gar nicht
oder nur schwer – eigentlich einWiderspruch in sich. Jede der beiden Anforderun-
gen bedingt für sich spezielle Konstruktionselemente und Beschlagkomponenten.
Für den Planer bedeutet dies, dass nicht alle aus gestalterischer Sicht gewünschten
Beschlagausführungenmöglich und zulässig sind. Um diese Leistungskombination
erfüllen zu können, bedarf es für beide Funktionen Prüfungen an ein und dersel-
ben Türkonstruktion und Ausführendemit spezifisch hohemKnow-how beim Bau
und der Montage der Türen.
Barrierefreiheit < > Regendichtheit
Ein alter Spruch in der Branche lautet: „Barrierefreie Türen sind auch für (Regen-)
Wasser barrierefrei!“ Von der konstruktiven Seite gesehen sind Türenmit geringer
Schwellenhöhe (≤
3
cm) oder gar schwellenlose Türen kaum regendicht zu bekom-
men. Hier gilt es, bereits in der Planung entsprechende Vorkehrungen zu treffen,
etwa durch eine geschützte Einbaulage (Vordächer, Nischen, tiefe Leibungen
und dergleichen), einen ausreichend raschenWasserablauf durch entsprechende
Rigolen und eine Neigung des Bodenbelags weg von der Tür.
Brandschutz < > leichtes Öffnen (in Verbindungmit Barrierefreiheit)
Feuerschutztürenmüssen eine Selbstschließeinrichtung aufweisen, die in der Lage
ist, im Brandfall die Tür sicher zu schließen und geschlossen zu halten. Durch das
Temperaturgefälle vor und hinter der Tür entsteht einDifferenzdruck, der dabei zu
überbrücken ist. Entsprechend den geltenden Regelwerken darf die zulässige
Öffnungskraft für die Tür maximal
100
N betragen. Zugleich soll die Tür aber auch
vonMenschenmit Behinderung oderMenschenmit eingeschränkterMobilität leicht
bedient werden können. Ist die
önorm b 1600
vereinbart, so ist eine Öffnungs-
kraft von
25N
einzuhalten. Hierzu eine Lösung zu finden, gestaltet sich schwierig,
vor allem vor demHintergrund, dass oft kostengünstig gebaut werden soll. Ein
Lösungsansatz geht in Richtung automatisierte Türen, derenHerstellung jedoch
ebenfalls kostenintensiv ist.
Denkmalschutz < >Multifunktionstür
Eine der herausforderndsten Aufgaben ist es, dieWünsche anmoderneMultifunk-
tionstürenmit denen des Denkmalschutzes in Einklang zu bringen. In einem denk-
malgeschützten Gebäude, aktuell z.B. bei der Sanierung des Parlaments inWien,
sind Brandschutz, Flucht- und Panikfunktion sowie Einbruchhemmung zu erfüllen,
die historischen Türen zugleich aber weitestgehend zu erhalten. Hier sindwahre
Spezialisten gefordert, und es gibt nur eine Handvoll Firmen, die in der Lage sind,
diese Aufgabe einwandfrei lösen zu können.
Geringes Gewicht < > hohe Anforderungen
Türenwerden immer schwerer, und dies ist in der Regel den gestellten hohen
Anforderungen geschuldet. Schallschutz heißt auchMasse, Einbruchhemmung
heißt auch hohes Gewicht und soweiter. Schwere Türen bedeuten aber auch hohe
Anforderungen an die Beschläge (Stichwort Dauerfunktion) und dieMontage –
nicht zu vergessen die Belastungen für dasMontagepersonal beim Transport einer
z.B.
130
kg schweren Tür durch die Baustelle und die exakte, verzugsfreieMontage,
bei der alle Spaltmaße auf denMillimeter genau einzuhalten sind.
Peter Schober
Abteilungsleiter Bautechnik und Bereichsleiter Fenster der HolzforschungAustria
Renovierung eines Rathauses
Anne Isopp
Erfrischend unkonventionell sind
die Architekten JanDe Vylder, Inge
Vinck und Jo Taillieu im Zuge der
Renovierung des Rathauses imGenter
Stadtteil Ledebergmit der historischen
Bausubstanz umgegangen: Dort wo
neue Decken eingezogenwerden
mussten, haben sie neue Stützen direkt
neben die alten gestellt. Für eine an-
genehmereHandhabung haben sie in
die altehrwürdigen hohenHolzportale
Türen im herkömmlichen Format ein-
geschnitten. So haben sie einNeben-
einander von Alt undNeu geschaffen,
Normen und Konventionen infrage
gestellt und demGebäude ihre eigene
Geschichte eingeschrieben.
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