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Trabucchi
Fischermaschinen an der adriatischen Küste

Als Baumaterial der Trabucchi, an der Abruzzen-Küste zum Fischfang errichtet, dienten das im Tidenhub sehr dauerhafte Kastanienholz sowie zugfestes Robinienholz.

erschienen in
Zuschnitt 19 warum stabil?, September 2005
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Trabucchi aus Holz

Trabucchi – oder auch »trabocchi« – sind einzigartige Holzkonstruktionen, die an der Abruzzen-Küste zum Fischfang errichtet wurden. Ihre Schönheit, ihre Widerstandskraft, ihre Fragilität sind ebenso beeindruckend wie ihre konstruktive Funktionalität. Will man hohen Kräften entgegenwirken, bedient man sich oft starker Strukturen und widerstandsfähiger Materialien, die gut ausgesteift und fest im Boden verankert sind. Beim Trabucco hingegen wurde das Prinzip der Elastizität, also der Fähigkeit zur Aufnahme von Energie und zur Deformation ohne Bruchversagen, angewendet. Er widersetzt sich den Kräften nicht, sondern biegt sich, verformt sich, beugt sich, um seine ursprüngliche Gestalt anzunehmen, wenn sich das Meer wieder beruhigt hat.

Das Konstruktionsprinzip der Trabucchi beruht auf einigen Merkmalen, die sich über lange Zeiträume der Beobachtung und des Versuchs entwickel haben: Den Kräften von Wind und Wasser wird so wenig Oberfläche wie möglich dargeboten. Auf einige zarte Stützen, ein Minimum an Aufbauten und Beplankung sowie die weit hinausragenden Antennen beschränkt, bleibt die Angriffsfläche äußerst gering. Alle Elemente wurden mit Schnüren miteinander verbunden, niemals jedoch mit Nägeln oder Schrauben, wodurch die notwendige Beweglichkeit der Konstruktion und die Haltbarkeit der Knoten gewährleistet sind. Aussteifende Bauteile sind rar, da die gesamte Struktur weich und deformierbar sein muss, um den auftretenden Belastungen nachgeben zu können. Alles, was vom Prinzip der elastischen Biegsamkeit abweicht, ist unsinnig und schädlich.

Das Versagen einzelner Elemente ist einkalkuliert, die Reparatur und der Ersatz von Einzelteilen aufgrund der einfachen Konstruktion sowie der Alltäglichkeit und leichten Auffindbarkeit der Materialien sind unproblematisch und Bestandteil des alltäglichen Betriebs der Trabucchi.

Als Baumaterial dienten Kastanienholz, das speziell im Bereich des Tidenhubs sehr dauerhaft ist, sowie Robinienholz, dessen Festigkeit eine Zugspannung von bis zu 2500kg/cm² zulässt.

Einige Trabucchi wurden restauriert und für Touristen zugänglich gemacht. Um Sicherheitsstandards einzuhalten, wurden jedoch ungeeignete Sekundärstrukturen aufgesetzt, die sie ihrer ursprünglichen Natur beraubt haben, was den Schluss zulässt, dass Restaurierungen nur dann vorgenommen werden sollen, wenn man das Wesen und die Idee einer Struktur verstanden hat. Was den Trabucco so einzigartig macht, ist eben nicht nur das Erscheinungsbild, sondern das inhaltliche Konzept, das Zusammenspiel von Beobachtungen und Gedanken, die sukzessive in ihrer Materialisierung Realität wurden und zu höchster funktioneller und architektonischer Ausdruckskraft führten.


verfasst von

Franco Laner

  • Professor für Technologie in der Architektur am „iuav“ Venedig
  • Entwurf und Bemessung diverser Tragstrukturen aus Brettschichtholz
  • Beteiligung am Wiederaufbau des Theaters „La Fenice“ in Venedig
  • Zahlreiche Publikationen über Planung, Technologie und Sanierung von Holzstrukturen

Erschienen in

Zuschnitt 19
warum stabil?

Erfahrungen, Experimentierfreudigkeit und Fantasie haben seit Jahrhunderten funktional optimierte, faszinierend leichte und fragile Bauwerke entstehen lassen, deren konstruktive Stärke im Wissen um das Wesen des Materials begründet ist, in der vollen Ausschöpfung der Kapazitäten des Holzes, seiner Leichtigkeit, Festigkeit, Weichheit, Gerichtetheit und Nachgiebigkeit, und deren Authentizität bis heute spürbar und inspirierend ist.

8,00 €

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Zuschnitt 19 - warum stabil?