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Konsistenz, Effizienz und Suffizienz im Holzbau
Zukunftsfähige Strategien in Holz

erschienen in
Zuschnitt 75 Potenzial Holz, September 2019

Die Begriffe der Effizienz, Konsistenz und Suffizienz beschreiben drei entscheidende Strategien, um eine Zukunftsfähigkeit der menschlichen Zivilisation zu sichern. Dabei fokussiert der Begriff der Effizienz auf eine ergiebigere Nutzung von Materie und Energie. Die erhöhte Produktivität von stofflichen und energetischen Ressourcen würde im Bauwesen bedeuten, Gebäude und Quartiere mit minimiertem Energieverbrauch angemessen zu klimatisieren und mit einem möglichst geringen stofflichen Ressourceneinsatz zu bauen und zu sanieren. Die Effizienz setzt dabei insbesondere auf technische Innovationen und moderne Arbeitsweisen.

Die Strategie der Konsistenz bezieht sich auf den Einsatz von naturverträglichen Technologien, die daher nicht zwangläufig minimiert werden müssen. Stoffe und Leistungen der Ökosysteme werden genutzt, ohne sie zu zerstören. Hierunter wäre die Nutzung nachwachsender Ressourcen zu fassen, die unter der Voraussetzung einer kreislauffähigen Konstruktion über den Lebenszyklus eines Bauwerks hinaus hochwertig weiter genutzt werden können.

Das Ziel der Suffizienz ist eine Verringerung des Ressourcenverbrauchs durch eine reduzierte Nachfrage nach Gütern. Sie adressiert eher die Frage der Lebensstile. Wie viel Konsum braucht der Mensch? Wie viel umbauter Raum wird für eine Nutzung wirklich benötigt? Die nachhaltigen Verbesserungen in lebenswerten Quartieren und Gebäuden durch energieeffiziente Konzepte und den Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen werden in der Bilanz wenig nutzen, wenn die beanspruchten Quadratmeter pro Kopf an Wohn- sowie Infrastrukturflächen immer weiter steigen.

Das Gutachten des wissenschaftlichen Beirats für Umweltfragen der deutschen Bundesregierung (WBGU) befasst sich mit den Folgen der kommenden weltweiten Urbanisierung. Diese wird zusammen mit dem Wachstum der Weltbevölkerung zu einer deutlichen Verknappung der Rohstoffe im Bauwesen führen.
So werden in den nächsten dreißig Jahren etwa genauso viele Infrastrukturen geschaffen werden müssen wie im gesamten Zeitalter der Industrialisierung. Zur Lösung unserer Zukunftsfragen ist daher ein intelligenter und sparsamer Umgang mit Ressourcen im Sinne von »aus weniger mach mehr« unumgänglich.

Effizienz – mit weniger mehr bauen

Im Leitgedanken der Effizienz hieße das für den Holzbau, Tragwerke und Konstruktionsaufbauten mit möglichst wenig Materialverbrauch bei hoher Leistungsfähigkeit zu entwickeln. Der Holzbau ist prädestiniert für materialeffiziente Bauweisen. Dieser ermöglicht energieeffiziente schlanke Außenwände bei geringem Gewicht und kann in der Primärkonstruktion mit geringen Lasten und guten Trageigenschaften punkten. Diese Vorteile ermöglichen einen hohen Vorfertigungsgrad bei entsprechender Qualitätskontrolle und schnelle Bauprozesse. Im Sinne eines effizienten Materialeinsatzes geht es nicht darum, möglichst viel Holz zu verbauen, sondern mit dem zur Verfügung stehenden Holz möglichst viele Gebäude zu errichten. Selbst wenn beim Bauen mit Holz das gebundene CO2 möglichst lange eingelagert werden kann, entsteht eine effiziente Rohstoffnutzung insbesondere durch die Substitution von Baustoffen mit größerem ökologischen Rucksack.

So zielte die Forderung eines umfassenden Holzeinsatzes in der Siedlung Prinz Eugen Park in München auf eine Substitution von Massivbaustoffen. Die Grundstücksvergabe wurde in einem Konzeptverfahren an die eingesetzte Holzmenge gekoppelt, was den Holzbau auch in der Primärkonstruktion befördert hat. Dabei wurden ganz unterschiedliche Lösungen entwickelt. Die Außenwand wurde als Holzrahmenbau umgesetzt, um mit wenig Holzeinsatz und geringen Wandstärken hoch wärmegedämmte Außenwände zu realisieren. Ebenso finden sich vermehrt Brettsperrholzwände im Innenbereich, die einen effizienten Lastabtrag gewährleisten. Das Beispiel zeigt eindrücklich, dass es viele Wege zum Ziel eines effizienten Holzbaus gibt und der Holzbau auch im Geschosswohnungsbau konkurrenzfähig ist.

Konsistenz – kreislauffähig konstruieren

Der Konsistenzgedanke setzt auf die Verwendung naturverträglicher Technologien. Hier hat der Holzbau einiges zu bieten, denn als nachwachsender Rohstoff kann er durch nachhaltige Forstwirtschaft bereits in der Produktionsphase wie kaum ein anderer Rohstoff zentrale Umweltleistungen erbringen. Das intelligente Wirtschaften in der Konsistenzstrategie soll ohne Abfälle auskommen. So soll die derzeit lineare Produktwirtschaft in eine Kreislaufwirtschaft übergeführt werden. Daher erfordern Konsistenzstrategien nicht zwingend eine Verringerung von Materialflüssen und Energieverbräuchen, sondern es geht vielmehr um die naturverträgliche Gestaltung dieser Stoffströme. Auch hier bietet der Holzbau wichtige Vorzüge. Als nachwachsender Rohstoff umweltfreundlich erzeugt, kann er durch seine schichtweise Fügung und Vorfertigung auch zu kreislauffähigen Konstruktionen weiterentwickelt werden. Ein Beispiel hierfür ist die Behindertenwerkstätte in Landsberg. Schon im Wettbewerb sollte die Erweiterung mitgedacht werden.

Dieser Gedanke wurde dann im Sinne einer hochwertigen Wiederverwendung von ganzen Bauteilen weiterentwickelt. Die vorgefertigten Wandelemente sind in allen Anschlüssen so konstruiert, dass sie bei einer Erweiterung einfach nur versetzt und weiterverwendet werden können. Selbst die Fundamente ziehen mit um. Alle Anschlüsse mussten daher zerstörungsfrei zu lösen und erneut zu verbinden sein. Erst am Ende einer langen Nutzungskette sollte dann die thermische Verwertung stehen.

Suffizienz – weniger ist mehr

Die Suffizienzstrategie hingegen zielt auf ein »weniger ist mehr«. Sie hinterfragt das rechte Maß. Sie wird zu Unrecht mit Verzicht gleichgesetzt, selbst wenn sie insbesondere auf einen verminderten Verbrauch durch veränderte Lebensstile setzt. Wenn der Wohnflächenbedarf pro Kopf kontinuierlich auf mittlerweile 45m² angestiegen ist, werden Effizienzgewinne z. B. im Energieverbrauch gleich wieder aufgezehrt. Kritiker halten Suffizienzstrategien für unrealistisches Wunschdenken.

Ein eindrückliches Beispiel für eine erfolgreiche Umsetzung dieser Strategie ist die Analyse der Uni Wismar unter dem Gesichtspunkt der Suffizienz. Für alle Bestandsgebäude wurde erhoben, in welchem Zeitraum welche Räume von wem genutzt werden. Durch eine intelligente Umorganisation konnten letztlich Flächen eingespart und marode Gebäude abgerissen werden. Außerdem wurde das benötigte Audimax der Uni in einem zu sanierenden Altbau mit Ergänzungsneubauten untergebracht, der der Stadt zugleich als neuer Theatersaal und Konferenzgebäude dient. Durch die zeitliche Verschiebung der Nutzungszeiten ermöglicht die Doppelnutzung in einem Gebäude deutlich verringerten Raum- und Ressourcenbedarf. Das Beispiel zeigt eindrücklich, wie Suffizienz nicht Verzicht, sondern ein mehr an Qualität bringen kann. Die begrenzten finanziellen Ressourcen konnten so in die Schaffung von sinnvollen Qualitäten kanalisiert werden.


verfasst von

Sabine Djahanschah

leitet das Referat Architektur und Bauwesen bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. Sie ist Mitglied im Stiftungsrat der Bundesstiftung Baukultur und im Kuratorium des Fraunhofer IBP.

Erschienen in

Zuschnitt 75
Potenzial Holz

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Zuschnitt 75 - Potenzial Holz