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Schupfen beim Gröbenhof in Fulpmes

erschienen in
Zuschnitt 90 Weiterbauen in Holz, September 2023

Daten zum Objekt

Standort

Fulpmes/AT

Bauherr:in

Familie Schüller

Architektur

Studio Colere, Fulpmes/AT, www.colere.at

Statik

Zimmerei Kößler & Annabith OG, Tulfes/AT, www.holzspezialist.at

Holzbau

Zimmerei Kößler & Annabith OG, Tulfes/AT, www.holzspezialist.at

Fertigstellung

2021

Typologie

Wohnbauten

Aus Vergangenheit wird Gegenwart

Dass Weiterbauen immer im Zusammenhang mit Weiternutzen steht, ist bei diesem Projekt in Fulpmes nahe Innsbruck besonders deutlich nachzuvollziehen: Der kleine, 300 Jahre alte „Schupfen“ ist das letzte Bestandsgebäude einer alten Hofstatt oberhalb des Ortes, das Bauernhaus wich vor einigen Jahren dem Neubau eines Gasthofs. Zuletzt wurde er noch als Lager genutzt, ein Abbruch stand im Raum. Doch Florian Schüller, der Sohn des Hauses, der mit seinem Partner Jakob Siessl das Architekturbüro Studio Colere betreibt, erkannte sowohl das räumliche Potenzial des Nebengebäudes als auch dessen kulturelle und identitätsstiftende Bedeutung. Daher behauptet sich der Schupfen heute als Tiny House neben dem Gasthof und ist zugleich ein weithin sichtbares Zeichen dafür, dass Tradition und traditionelle Architektur auf eine Art und Weise weitergeführt werden können, die nicht jodelt, sondern an die ursprünglichen Qualitäten anonymen Bauens anknüpft.

Die Konstruktion folgt einem Haus-im-Haus-Konzept: Vom Bestand blieb so viel wie möglich erhalten. Was schadhaft war, wurde ersetzt. In die Gebäudehülle wurde ein Blockbau gesetzt, der alle Anforderungen an Statik, Wärme- und Brandschutz erfüllt. Der Strickbau wurde im Inneren vertäfelt bzw. mit Lehmputz versehen. Schon während des Studiums hatte sich vor allem Jakob Siessl mit Holz und dessen handwerklicher Bearbeitung auseinandergesetzt. Interesse, Talent und wachsende Erfahrung führten dazu, dass die Architekten, die zugleich die Bauherren sind, einen Großteil der Arbeiten bis hin zum Möbelbau selbst ausführen und damit ihrem Anspruch an handwerkliche Qualität und gute Detaillösungen ohne Kompromisse gerecht werden konnten.

Während sich im Untergeschoss eine Werkstatt befindet, wird im Obergeschoss auf 45 m2 gewohnt, ein offener Grundriss und Niveauunterschiede sorgen für räumliche Großzügigkeit. Florian Schüller: „Holz ist nicht nur ein regionales und einladendes Material, sondern auch ein demokratisches, weil es leicht zugänglich und gut bearbeitbar ist. Dass wir keinen Kontrast hergestellt, sondern die Schönheit des Vorhandenen herausgearbeitet haben, hat auch jene überzeugt, die dem Projekt zuerst kritisch gegenüberstanden. Es ist eben nicht nur Neues gut, sondern auch Bestehendes hat seine Berechtigung und sein Erhalt macht als Teil einer gewachsenen Struktur aus Vergangenheit Gegenwart.“ Geht es nach den Architekten, dann hat das kleine Projekt Vorbildwirkung. Der Humor, der diesen kleinen Stachel im Fleisch der Tiroler „Alpinarchitektur“ auszeichnet, trägt dazu sicherlich seinen Teil bei.


verfasst von

Eva Guttmann

ist Autorin, Lektorin und Herausgeberin im Fachbereich Architektur

Erschienen in

Zuschnitt 90
Weiterbauen in Holz

Aufstocken, Implementieren, Drumherumbauen – der Umgang mit dem Bestand ist diesmal unser Thema.

8,00 €

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Zuschnitt 90 - Weiterbauen in Holz