Zum Hauptinhalt springen

Wohnheim für Student:innen in Paris

erschienen in
Zuschnitt 90 Weiterbauen in Holz, September 2023

Daten zum Objekt

Standort

Paris/FR

Bauherr:in

Paris Habitat, Paris/FR, www.parishabitat.fr
Les Crous, Paris/FR, www.crous-paris.fr

Architektur

NZI Architectes, Paris/FR, www.nzi.fr
Statik EVP Ingénierie, Paris/FR, www.evp-ingenierie.com

Holzbau

Bouygues Construction, Paris/FR, www.bouygues-construction.com

Fertigstellung

2021

Typologie

Wohnbauten

Weiche Schale, harter Kern

In einem Viertel des 15. Pariser Arrondissements, außerhalb der Ringstraße im Südwesten der Stadt, liegt umgeben von Firmenzentralen, einem Erlebnisbad und einem Militärgelände ein 2021 fertiggestelltes Wohnhaus für Student:innen mit 139 Zimmern. Ehemals fand man hier ein Bürogebäude aus den 1970er Jahren vor. Dieses wurde jedoch nicht abgerissen, sondern im Auftrag von Paris Habitat, einem der größten gemeinnützigen Wohnungsanbieter der Stadt, als Umbauprojekt entwickelt. Paris Habitat hatte sich mit der Unterzeichnung einer Charta für Holz im öffentlichen Bauwesen zu einer Sanierung mit Holz verpflichtet und schließlich 2015 einen Wettbewerb zur Restrukturierung des Gebäudes ausgeschrieben.  Als Sieger ging das Architekturbüro NZI hervor. Im Bauen mit biobasierten Materialien wie Holz und Stroh hatten sie damals noch relativ wenig Erfahrung, aber hohe Ambitionen. Diese Bauweise mit einem Bestand aus Stahlbeton zu verschränken galt als zusätzliche Herausforderung. Die Ausgangslage bildeten zwei Gebäudekörper, verbunden durch ein verglastes Atrium, auf einem riesigen, blinden Kellergeschoss – kein „harmloser Umbau“ also, wie Sandra di Giorgio von NZI erklärt. Der Entwurf sah vor, das Atrium abzureißen und den Bestand bis auf die wesentliche Tragstruktur zu entkernen. Diese stellte sich als solide genug heraus, „um sich an ihr mit unterschiedlichsten Eingriffen austoben zu können“. Dies und ein punktueller Rückbau brachten Licht in die zukünftigen Zimmer in den Obergeschossen, die konventionell zu beiden Seiten an einen zentralen Mittelgang angeordnet wurden, ermöglichten vor allem aber ein lichtdurchflutetes Untergeschoss mit Gemeinschaftsräumen – „eine Entscheidung, die im Wettbewerb hoch bewertet wurde“. Um zusätzlich Raum zu gewinnen, wurde das Gebäude teils um eine Etage aufgestockt, teils in der Länge erweitert. Hier blieb das Planungsteam bei einem konventionellen Stahlskelettbau, kam der Verpflichtung zum Holzbau jedoch bei der Fassadenkonstruktion nach.

Eine Hülle aus Holz und Stroh

Die Fassade wurde als Holzrahmenkonstruktion mit einer Dämmung aus regionalem Stroh gefertigt, wobei 70 Prozent der 3.100 m² Fassadenelemente vorgefertigt werden konnten. Dank der leichtgewichtigen Lösung war an der bestehenden Struktur keine Unterfangung nötig. Die vorgefertigten Holz-Hohlkästen wurden nach dem bestehenden Raster bemessen. Innen sind sie mit einer wasserabweisenden Spanplatte und Dampfsperre und außen mit einer OSB-Platte und Regensperre versehen. Die Dampfsperre wirkt der potenziellen Atmungsaktivität entgegen, wurde jedoch nach Vorgabe des versicherungstechnischen Bauprüfers ausgeführt. Die Strohballen sind 36 cm dick, die Hohlkästen insgesamt 50 cm. Sie liegen am Rand der vorhandenen Verbunddecken auf, ragen 25 cm nach außen und werden von Metallprofilen getragen. Die Hohlräume zwischen dem unregelmäßigen Bestand und den neuen, vorgefertigten Elementen wurden mit Steinfaserdämmung ausgefüllt. Beiden Arten der Außenoberflächen, eine als Putz auf Platte, die andere als Holzverkleidung aus vorbehandelter Lärche aus den Vogesen, beide auf belüfteter Luftschicht, sowie die Fenster, wurden vor Ort eingebaut.

Über den Rahmen des Möglichen hinaus

Diese Umsetzung ist für einen biobasierten Bau unüblich, weil die Fachregeln für das Bauen mit Stroh, die in Frankreich als Versicherungsgrundlage gelten, keine technischen Details für ein Fluchtniveau über 8 Meter festlegen. In diesem Fall beträgt dieses 9 Meter, was üblicherweise ein langwierigestechnisches Gutachten mit sich bringt. Weil die Überschreitung nur 1 Meter über dem normativen Rahmen lag, konnte der Generalunternehmer den zuständigen Bauprüfer schließlich überzeugen, davon abzusehen. Er erstellte ein einfaches internes Gutachten, was den Bau wie beschrieben letztendlich ermöglichte.


verfasst von

Raphael Pauschitz

ist Architekt in Paris; er beschäftigt sich mit ökologischer Renovierung, teils auch Neubau. Als aktives Mitglied der lokalen Holz-, Lehm- und Strohbaunetzwerke wird er auch als Berater herangezogen. Er ist Herausgeber von www.topophile.net – Freundin der Orte, Revue der glücklichen Räume.

Sarah Ador

ist ausgebildete Architektin und Autorin, vormalige Chefredakteurin der französischen Holzarchitekturzeitschrift Séquences Bois. Sie arbeitet heute an der Wiederbelebung vernakulärer Bautechniken im Pas-de-Calais.

Erschienen in

Zuschnitt 90
Weiterbauen in Holz

Aufstocken, Implementieren, Drumherumbauen – der Umgang mit dem Bestand ist diesmal unser Thema.

8,00 €

Zum Produkt   Download

Zuschnitt 90 - Weiterbauen in Holz