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Zentrale des Deutschen Alpenvereins in München

erschienen in
Zuschnitt 90 Weiterbauen in Holz, September 2023

Daten zum Objekt

Standort

München/DE

Bauherr:in

Deutscher Alpenverein, München/DE

Architektur (Wettbewerb, Entwurf)

hiendl_schineis architektenpartnerschaft, Passau, Augsburg/DE, www.hiendlschineis.com

Architektur (Entwurfsplanung, Ausführung)

Element A Architekten, München/DE, www.element-a.de

Statik

merz kley partner, Dornbirn/AT, www.mkp-ing.com

Holzbau

Grossmann Bau GmbH & Co. KG, Rosenheim/DE, www.grossmann-bau.de

Fertigstellung

2021

Bürohaus mit vertikalem Garten

Der Deutsche Alpenverein (DAV) ist der mitgliederstärkste Naturschutzverband Deutschlands. Seine Hauptgeschäftsstelle liegt in München in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Highlight Towers des amerikanischen Architekturbüros Murphy/Jahn. Der Kontrast der beiden Häuser könnte nicht größer sein. Dort zwei in den Himmel ragende verglaste Bürotürme, hier ein hölzerner Bürobau mit einem Potpourri an Grüntönen in der Fassade: grasgrüne Brüstungselemente, hellgrüne Sonnenschutzrollos und Pflanzen auf den Balkonen. Dass sich hinter der hölzernen Hülle ein Stahlbetonskelettbau aus den 1970er Jahren versteckt, ist von außen nicht zu erahnen. Das von Architekt Kurt Ackermann entworfene Bürogebäude wurde 1978 für den Langenscheidt-Verlag errichtet und in den 1980er Jahren und um 2000 erweitert. Die jüngeren Bauabschnitte nützt heute die Parteizentrale der CSU, das alte Verlagsgebäude kaufte 2015 der dav. Dieser schrieb einen Wettbewerb mit 13 geladenen Büros aus, aus dem das Architekturbüro hiendl_schineis als Gewinner hervorging (heute regina schineis architekten und stefanhiendlarchitekten). Später übernahm das Heidelberger und Münchner Architekturbüro Element A die Entwurfsplanung und Ausführung. Eine der Grundprämissen des Bauherrn war, den Bestand nicht abzureißen. Nachhaltigkeit und ein verantwortlicher Umgang mit der Umwelt sollten als zentrale Anliegen des DAV auch in der neuen Geschäftsstelle ablesbar sein. Das Gebäude wurde um zwei Geschosse erweitert, bekam eine neue Fassade und wurde an der Schmalseite um ein verglastes Atrium in Holzbauweise ergänzt.  

Mit Holz aufstocken

„Das Problem beim Umbau bestehender Häuser ist die Raumhöhe“, sagt Architekt Christian Taufenbach vom ausführenden Büro Element A. Beim bestehenden Verlagshaus betrug diese mit den abgehängten Decken 2,50 Meter. Heute sind die Betondecken abgeschliffen und sichtbar, um etwas Höhe zu gewinnen. Ein Hohlraumboden, der die Haustechnik enthält und auch zukünftige Veränderungen möglich macht, ersetzt den bisher nur 4,5 bis 5,5 cm hohen Fußbodenaufbau. Die Aufstockung war aus Gewichtsgründen nur in Holzbauweise umsetzbar, und selbst dafür waren Verstärkungsmaßnahmen in den Fundamenten nötig. Holz-Beton-Verbunddecken gewährleisten eine thermische Pufferung. Ihre Brettschichtholzbalken liegen auf I-Trägern auf, die wiederum auf runden Holzstützen lagern und aus Brandschutzgründen mit 30 mm dicken Holzplatten bekleidet sind. Zum Brandschutzkonzept gehört auch eine Sprinkleranlage, ohne die die Außenbegrünung erst gar nicht erlaubt gewesen wäre.

Der Blick ins Grüne

Die neue Fassade ist eine Holz-Pfosten-Riegelfassade mit großformatigen Festverglasungen und schmalen Öffnungsflügeln, die mal verglast und mal mit einem flächigen Holzelement geschlossen sind. Die den Längsseiten vorgesetzte, etwa 1,5 Meter tiefe hölzerne Struktur reicht wie ein Regal über fünf Geschosse. Sie dient der Beschattung und Reinigung der Fassade und trägt die Pflanztröge. Schließlich sollten die Mitarbeiter:innen nicht auf die Stahl-Glas-Fassaden gegenüber schauen, sondern ins Grüne. Das Holzgerüst ist allerdings keine reine Holzkonstruktion: Die Holzpfosten sind horizontal durch Stahlrahmen miteinander verbunden und ausgesteift. In diesen liegen Gitterroste, auf denen wiederum die Pflanztröge stehen. Die Holzkonstruktion, die nur auf Horizontalkraft und thermisch entkoppelt am Gebäude befestigt ist, ist reversibel. Einzelne Stützen sind dank der geschraubten Verbindung leicht auszuwechseln.

Es geht auch ohne Klimaanlage

Bemerkenswert ist das intelligente Lowtech-Lüftungssystem, das die Architekt:innen von Element A gemeinsam mit dem Klimaingenieurbüro Transsolar entwickelten. Es schützt vor dem Lärm der nahen Autobahn, hält den hohen Winddruckschwankungen stand und bietet einen sehr guten akustischen und thermischen Komfort im Inneren. Die Lösung liegt in den grasgrünen Brüstungselementen der Fassade verborgen: Über Schlitze wird hier die Außenluft angesaugt. Durch den thermischen Auftrieb im Konvektorschacht vermischen sich Außenluft und bodennahe Raumluft. Die frische Zuluft erwärmt sich, bevor sie in den Raum strömt. Die Abluft wird zentral in Schächten über Thermik und – je nach Bedarf langsamer oder schneller laufende – Ventilatoren angesaugt und über das Dach abgeführt. Im Sommer dient das Lüftungsprinzip auch der Nachtauskühlung, eine mechanische Gebäudekühlung ist trotz der hohen Glasanteile nicht nötig. Allein durch den Erhalt des Bestands wurden 830 Tonnen CO2 eingespart, insgesamt waren es schätzungsweise etwa 5.000 Tonnen eingespartes oder gebundenes CO2. Dass hier nicht nur ein Gebäude erhalten und weitergebaut, sondern auch ein Stück Natur in die Stadt zurückgeholt wurde, ist zu sehen und manchmal sogar zu riechen. Bei der Besichtigung war der Wiesenstreifen am Gebäude frisch gemäht, der Grasschnitt lag, untypisch für ein Büroviertel, noch da. Es roch herrlich nach Heu, und das mitten in der Stadt.


verfasst von

Anne Isopp

ist freie Architekturjournalistin. Sie studierte Architektur an der TU Graz und TU Delft und Qualitätsjournalismus an der Donau Universität Krems. Sie war von 2009 bis 2020 Chefredakteurin der Zeitschrift Zuschnitt.

Erschienen in

Zuschnitt 90
Weiterbauen in Holz

Aufstocken, Implementieren, Drumherumbauen – der Umgang mit dem Bestand ist diesmal unser Thema.

8,00 €

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Zuschnitt 90 - Weiterbauen in Holz