zuschnitt 69 - page 6

Sanieren statt neu bauen
Refuge de l’Aigle
DieHütte von
1910
sollte durch einenNeubau ersetzt werden,
doch derWiderstandwar so groß, dassman den Bestand
schlussendlich sanierte undmit einer neuenHülle vergrößerte –
einGewinn in jeder Hinsicht.
Die Berghütte Refuge de l’Aigle liegt auf einem Felssporn in
einer Gletscherlandschaft des Nationalparks Les Écrins auf knapp
3.500
Metern Seehöhe. Damit ist sie eine der höchstgelegenen in
Europa. Dieser garstige Ort hat Geschichte, genau hier biwakier-
ten schon die erstenAlpinisten im
19
. Jahrhundert, um am folgen-
den Tag die Gipfel von LaMeije zu bezwingen, einem Bergmassiv,
das zu den anspruchsvollsten in denAlpen zählt und in Frankreich
so bekannt ist wie der Mont Blanc.
1910
bauten bergbegeisterte
Mitarbeiter einer Pariser Klavierfabrik eine Schutzhütte für
18
Personen, Maultier- und Trägerkarawanen schleppten das Holz
herauf.
2012
musste sie wegenmangelnder Brandschutz- und
Evakuierungsvorrichtungen geschlossenwerden.
Die neueHütte steht an derselben Stelle, aber sie ist etwas größer.
Auf nur
65
m
2
Grundfläche bietet sie einen Schlaf- und Aufent-
haltsraum für dreißig Alpinisten sowie eine Kleinstwohnung für
denHüttenwart. Dieser betreut und bekocht die Gäste während
der Hochtourensaison von Juni bis September, er hat eine Funk-
verbindung ins Tal und die einzige Dusche. Den Alpinistenmuss
der Kaltwasserhahn für die „Katzenwäsche“ reichen. Der Rest des
Jahres bleibt der Windfang unverriegelt, hier finden Alpinisten
inNot jederzeit Unterschlupf.
Die Energieversorgung ist fast autark, dafür sorgen Fenster mit
passiver Solargewinnung sowie Photovoltaik und Solarpaneele auf
demDach. DasWasser wird aus demGletscher gepumpt oder aus
Schnee geschmolzen, der Helikopter bringt neben dem Essen nur
das Gas fürs Kochen und leert die Trockentoilette neben demHaus.
Gebaut ist dieHütte aus Brettsperrholz, einer Dämmschicht aus
Holzfaserplatten und einer äußeren Schutzhülle aus Aluminium,
eine Stahlplattform verankert alles fest im Fels. Die Details muss-
ten genauestens geplant werden und bei der Holzbaumesse
2014
in Grenoble wurde der Rohbau schon einmal aufgestellt, bevor er
dann in
650
-kg-Portionen auf den Berg geflogenwurde. Aber
nicht deshalb dauerte es vomWettbewerb im Jahr
2003
bis zur
Fertigstellung zehn Jahre. Nach demWettbewerb gab es zähen
Widerstand gegen den Abbruch der Pionierhütte. Jetzt ist beides
vereint: Das alteHolzskelett ist gut sichtbar integriert und trägt
die drei Reihen Schlafplätze.
Manuel Joss
geboren
1973
, studierte Architektur in Lausanne und Zürich, ist freiberuflich
als Architekt undAutor für Tageszeitungen, Fachpresse und Fernsehen tätig.
Manuel Joss
Wandaufbau
Aluminiumpaneel, beschichtet
Antivibrationsmembran
Unterkonstruktion Tanne
27
mm
Lattung horizontal⁄ Hinterlüftung
27
x
63
mm
Holzfaserplatte
60
mm
Brettsperrholz
140
mm
Dachaufbau
Aluminiumpaneel, beschichtet
Antivibrationsmembran
Unterkonstruktion Tanne
27
mm
Lattung⁄ Hinterlüftung
70x 100
mm
diffusionsoffeneUnterdeckbahn
Holzfaserplatte
80
mm
Brettsperrholz
140
mm
Höhe
3.450
mü.M.
Standort
Rocher de l’Aigle, La Grave, Bergmassiv LaMeije imNationalpark Ecrins⁄ FR
Bauherr
Fédération Française des Clubs Alpins et deMontagne, Paris⁄ FR,
Planung
Atelier
17
C-Architectes, Barraux⁄ FR
Statik
Hervé Vieille ingénieur, Vimines⁄ FR
Holzbau
Scierie Eymard SA, Veurey-Voroize⁄ FR,
Fertigstellung
2014
1
m
1,2,3,4,5 7,8,9,10,11,12,13,14,15,16,...28
Powered by FlippingBook