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zuschnitt
69.2018
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Bauen am Berg
„Wir Architekten dürfen dieMenschen nicht durch zu viel Material undRaum von der Natur abschotten“
Architekt Jacques Félix-Faure über das Bauen auf demBerg und das Bauenmit Holz
„Bauen in dieser Höhe ist ein besonderes Abenteuer: Sie haben Flug-
schnee, atemraubende Stürme, immense Schneelasten und eine sehr kurze
Bauzeit. Ich hatte vorher schon eine Berghütte gebaut, die ich zuerst im
klassischenHolzbau plante. Wegen der großen Kräfte brauchte es viele
Verstrebungen, der Ingenieur wies mich dann auf Brettsperrholz hin,
welches zugleichHülle ist, die Kräfte aufnimmt und raschmontiert
werden kann. Seither ist dies mein bevorzugtesMaterial. VomHolz bin
ich sowieso begeistert wegen der Nachhaltigkeit und der statischen
Eigenschaften. ImMoment plane ich in Grenoble ein achtgeschossiges
Mehrfamilienhaus aus Brettsperrholz und hoffe, dass der Holzbau in
Frankreich in Zukunft stärker vertreten seinwird.
Die alteHütte hatte eine spezielle Stimmung, die ich unbedingt erhalten
wollte. Geradeweil sie so kleinwar, lernten sich die Leute schnell kennen.
Dann ist da das spezielle Tageslicht in dieser Höhe, die klaren Sterne in
der Nacht, oder es tobt draußen ein fürchterlicher Sturm und Sie sitzen
drinnen in Sicherheit. Das sind sehr emotionale, urtümliche Erlebnisse,
dieMenschenwerden ehrfürchtig und fühlen sich verbundenmit der
Natur, begreifen aber auchwie verletzlich die Erde ist. Wir Architekten
haben hier eine sehr große Verantwortung, dass wir dieMenschen auch
in denHäusern in Verbindungmit der Natur halten und sie nicht ab-
schotten durch zu viel Material und Raum. Es ist gefährlich, wenn Sie den
Luxus des Tals einfach in die Berge hinaufbringen, da verlieren Sie gera-
de das, was die besondere Atmosphäre in den Alpen ausmacht. Zu viele
Gänge und Türen behindern den Austausch, das Zusammenleben.
Wenig Raum zwingt Sie als Planer, auch außerhalb der Architektur nach
neuen Lösungen zu suchen. Wir haben einU-Boot besichtigt undwaren
beeindruckt, wie effizient der Raummehrfach genutzt wird. Die U-Boot-
Konstrukteure gehen da sehr weit. Wir selbst haben eine interessante
Lösung gefunden für die Erschließung der Schlafplätze. Sie sind in drei
Lagen übereinander angeordnet, aber auf der Leiter bis zuoberst hinauf-
und hinunterzusteigen, ist schwierig. Ein Zwischenboden hätte jedoch
eine zusätzliche Treppe verlangt und ein größeres Haus. Wir haben dann
den freien Laufgang gefunden. Der Zugang zu den Betten ist dadurch
einfacher, der Raumwirkt immer noch hoch, auf den gespanntenNetzen
kannman sich tagsüber ausruhen oder sie nachts als zusätzliche Schlaf-
stellen nützen. Denn oft bleiben über Nacht mehr Leute, als sich an-
gemeldet haben, meist weil sie für den Abstieg ins Tal zu erschöpft sind.
Dann sind bis zu vierzig Personen hier. Schon dreißig Leute sind sehr
viele für dieses kleine Raumvolumen und eine gute Lüftungwird sehr
wichtig. Das Haus ist jetzt derart ausgefeilt, dass es eher einemMöbel
oder einem einzigen Stück Holz gleicht, aus dem der Innenraum heraus-
gehauenwurde.“
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