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Neuer Holzbaulehrstuhl an der TU Wien
Ein Gespräch mit Juri Troy

erschienen in
Zuschnitt 91 Wald und Holznutzung, Dezember 2023

Anfang Oktober 2023 trat Architekt Juri Troy die neue Stiftungsprofessur Entwerfen und Holzbau im urbanen Raum an der TU Wien an. Welche Schwerpunkte er in Lehre und Forschung setzt und wie er den Student:innen den modernen Holzbau vermittelt, erzählt er im Gespräch mit Anne Isopp.

Sie sind seit Oktober Professor für Entwerfen und Holzbau im urbanen Raum. Was haben Sie in der ersten Lehrveranstaltung unterrichtet?

Wir sind gleich in das Thema des urbanen Holzbaus mit dem aktuell ausgelobten proHolz-Wettbewerb eingestiegen. Bei der Student Trophy 24 geht es um Nachverdichtung mit Holz im städtischen Raum. Wir haben die Wettbewerbsaufgabe ­besprochen und sind dann gemeinsam zu den drei Bauplätzen gefahren. So kann man die Aufgabenstellungen mit ihren sehr speziellen Herausforderungen an Ort und Stelle gleich erfassen.

Wie bringen Sie den angehenden Archi­tekt:innen den modernen Holzbau näher?

Wir wollen unterschiedliche didaktische Methoden anwenden. Ich beginne immer gerne mit einer freien Aufgabe. In diesem Falle wurde anhand einer Mehrzweckflasche und Streichhölzern das Draufsetzen geübt. Wie setze ich auf eine gläserne, massive Struktur eine filigrane, hölzerne Struktur auf? Das Schöne an der Aufgabenstellung ist, dass viele Themen, mit denen man dann im Holzbau zu tun hat, schon vorkommen: das Fügen, das Anschließen und die Ableitung der Kräfte. Auch die Frage nach dem Umgang mit den Ressourcen steckt schon darin. Es gab nur eine ­beschränkte Anzahl von Holzstäbchen. Das sind limitierte Rahmenbedingungen. Die Aufgabenstellung führt uns sogar zu den Fertigungsprozessen. Arbeite ich mit Systemen, mit den immer gleichen Elementen, oder arbeite ich mit Raummodulen, die dann auch leichter zu transportieren sind? Danach gehen wir in die Planungsphase, arbeiten mit einem Maßstab bis 1:1 und der Unterstützung durch Modellbau.

Sie haben von einer praxisnahen Aus­bildung gesprochen. Was verstehen Sie darunter?

Mir geht es persönlich darum, dass wir die Lehre auch mit Exkursionen vor Ort unterstützen, dass wir uns Baustellen anschauen und nicht nur fertige Projekte. Wir praktizieren das auch im Büro. Immer wenn ein Holzbau aufgerichtet wird, fahren wir ­ge­meinsam raus und schauen uns das vor Ort an. Das ist wahnsinnig wichtig für das Verständnis. Erst da versteht man, wie ein Holzbau funktioniert. Wenn ein Projekt fertig ist, erscheint alles selbstverständlich. Ich möchte mir aber nicht nur die Bau­stellen anschauen, sondern auch die Produktionsbedingungen. Ich möchte, dass die Student:innen wissen, wie eine Fertigungsstraße und eine Abbundhalle ausschauen. Welche Maschinen stehen da? Welche Abmessungen sind möglich? Erst dann kann ich wirklich aus dem Material heraus entwerfen und diese Zusammenhänge schon beim Entwerfen mit einplanen.

Die Professur trägt schon im Namen den Holzbau im urbanen Raum. Wie kann es gelingen, dass in der Stadt mehr mit Holz gebaut wird?

Es ist ganz wichtig, Referenzprojekte zu haben. Wenn Leute die Möglichkeit haben, sich solche Gebäude anzuschauen, reinzugehen, zu sehen, wie sie funktionieren, mit den Bewohner:innen und den Planungs­beteiligten zu sprechen und von deren ­positiven Erfahrungen zu hören, ist das die direkteste Form der Vermittlung.

Die Stiftungsprofessur ist fürs Erste auf fünf Jahre ausgelegt. Welche Ziele haben Sie sich für diese Zeit gesteckt?

Jede Menge. Das sind zum einen unterschiedliche Lehrveranstaltungen und ­regelmäßige Workshops mit den Studierenden. Es geht aber natürlich auch um Forschung und Vernetzung.

In welche Richtung soll die Forschung ­gehen?

Es wird an meinem Lehrstuhl zwei Dissertationen geben, die meine Assistenten in den nächsten vier Jahren fertigstellen werden. Parallel dazu arbeiten wir bereits an unserem ersten Forschungsantrag, bei dem es um den Einsatz von Holz im Wohnbau geht.

Sie haben vorhin auch von Vernetzungen gesprochen. Was schwebt Ihnen da vor?

Ich habe das Glück gehabt, dass ich die letzten dreißig Jahre sehr viele Leute aus der Holzbaubranche kennenlernen durfte. Dabei sind sehr gute Kontakte entstanden zu Leuten, die weltweit an diesem Thema arbeiten. Diesen Austausch möchte ich verstärken, damit wir die Erfahrungen strategisch verknüpfen und noch besser voneinander lernen können.

Wollen Sie noch etwas ergänzen?

Schon in den ersten drei Wochen sind so viele Anfragen an uns herangetragen worden von Kooperationen über mögliche Workshops bis hin zu Vorträgen, und das sowohl universitätsintern als auch extern. Wir sind ein sehr kleines Team und müssen schauen, dass wir uns nicht übernehmen. Man spürt aber, dass der Holzbau ein großes Thema ist und uns von allen Seiten sehr viel Energie zugetragen wird.

Dabei wird etwas Schönes entstehen. Vielen Dank für das Gespräch.


Das Gespräch wurde im Rahmen des proHolz-­Podcasts „Von A bis HolZ“ geführt und steht dort in voller Länge zum Nachhören zur Verfügung.

Zum Podcast

Stiftungsprofessur Entwerfen und Holzbau im urbanen Raum

Die Stiftungsprofessur ist eine von drei neu geschaffenen Professuren in Österreich, die wesentlich zur nachhaltigen zirkulären Holzverwendung und zur Stärkung des Holzbaus in Sinne des Klimaschutzes beitragen sollen. Sie wird finanziert von der Österreichischen Holzinitiative im Rahmen des Waldfonds des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, proHolz Austria, der TU Wien und der Bundesimmobiliengesellschaft.

Juri Troy ist Architekt und führt sein eigenes Architekturbüro juri troy architects mit Sitz in Wien und Bregenz. Von 2020 bis 2023 war er Professor für klimagerechte und ressourceneffiziente Architektur an der HFT Stuttgart. Seit Herbst 2023 hat er die Stiftungsprofessur für Entwerfen und Holzbau im urbanen Raum an der TU Wien inne.


verfasst von

Anne Isopp

ist freie Architekturjournalistin. Sie studierte Architektur an der TU Graz und TU Delft und Qualitätsjournalismus an der Donau Universität Krems. Sie war von 2009 bis 2020 Chefredakteurin der Zeitschrift Zuschnitt.

Erschienen in

Zuschnitt 91
Wald und Holznutzung

Wald und Holznutzung im Spiegel der Zeit und im Kontext des Klimawandels

8,00 €

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Zuschnitt 91 - Wald und Holznutzung