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Wir für den Wald, der Wald für uns
Wald- und Forstpolitik in Österreich und der EU

erschienen in
Zuschnitt 91 Wald und Holznutzung, Dezember 2023

Die österreichische Forstpolitik ist in Bewegung – der Klimawandel hält die heimischen Waldbewirtschafter:innen auf Trab und die EU mischt strategisch mit. Welche politischen Maßnahmen werden auf nationaler und europäischer Ebene zu den aktuellen, zukunftsbildenden Themen rund um Wald und Klima gesetzt und worauf zielen sie ab?

Forstpolitik versteht sich zum einen als Antwort auf bestehende Herausforderungen in Bezug auf Wälder und ihre Wirkungen auf uns Menschen und entwickelt andererseits vorausschauende Leitbilder und Strategien im gesellschaftlichen Kontext. Wälder und ihre Bewirtschaftung sind dabei von verschiedensten Politikbereichen direkt oder indirekt betroffen und stehen immer stärker in der öffentlichen Wahrnehmung. Auch der Begriff der „Forstwirtschaft“ an sich unterliegt einer dynamischen Entwicklung. Als gewichtigste Faktoren gelten dabei wohl der Klimawandel und seine unmittelbar spürbaren Folgen für den Wald.

Unterstützung in herausfordernden Zeiten

2021 wurde der mit 350 Mio. Euro dotierte Waldfonds ins Leben gerufen, 2024 und 2025 wird er um jeweils 50 Mio. Euro aufgestockt. Dadurch wird die Aufarbeitung von Schäden finanziert, die durch Wetterextreme wie Stürme und durch Borkenkäfer entstehen, Unterstützung für die Waldbewirtschafter:innen und Holzlogistik gewährt sowie die Waldforschung forciert – flankiert von einer umfassenden Holzinitiative für die Verwendung des nachwachsenden Rohstoffs Holz.

Mit der jüngst beschlossenen Novellierung des Forstgesetzes 1975 erfolgte eine zeitgemäße legistische Anpassung an die sich stark ändernden Rahmenbedingungen für Wälder. Der Fokus liegt auf einer stärkeren Ausrichtung am Klimawandel, auf Biodiversität, Prävention von Waldschäden, Waldbrandbekämpfung sowie Verbesserungen im Bereich der forstlichen Bildung.

Nationale Strategien und Strategien der Europäischen Union

Die Waldpolitik in Österreich ist stark geprägt von forstlich relevanten Aktivitäten der EU, vor allem vom Europäischen Grünen Deal. Diese Rahmenstrategie der Europäischen Kommission setzt Standards auf EU-Ebene und wirkt damit auf die nationale Forst- und Holzpolitik. Ein bedeutender Teil der österreichischen Forstpolitik besteht darin, ihren ureigenen holistischen Ansatz – der Multifunktionalität, des Dialogs sowie der Balance der ökologischen, ökonomischen und soziokulturellen Nachhaltigkeit – im Rahmen der EU-Vorgaben weiterzuentwickeln und im europäischen Kontext zu sichern.

Eine maßgebliche Rolle kommt dabei der Österreichischen Waldstrategie 2020+ zu, den Arbeitsrahmen bildet der Österreichische Walddialog, der federführend in der Sektion Forstwirtschaft und Nachhaltigkeit des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft (BML) geführt wird. Die Österreichische Waldstrategie wird anhand eines gemeinsam erarbeiteten Arbeitsprogramms umgesetzt und regelmäßig weiterentwickelt. Sie umfasst die wesentlichen Handlungsfelder von klima- und umweltbezogenen Maßnahmen über Bioökonomie bis hin zu internationalen Beziehungen. Strategie und Dialog wurden 2022 evaluiert. Darüber hinaus ist das BML in die Erstellung und Umsetzung weiterer, für die Waldbewirtschaftung wesentlicher nationaler Strategien eng einbezogen, darunter die Biodiversitätsstrategie, die Bioökonomiestrategie sowie die Strategie zur Anpassung an den Klimawandel. Aktionspläne sollen jeweils für eine konkrete Umsetzung sorgen. Die Strategien werden aufeinander abgestimmt und voneinander gestärkt, Widersprüche und Inkohärenzen vermieden und alles wird – im Dialog mit Stakeholdern und Waldbewirtschafter:innen – mit Leben gefüllt.

Mögliche Zielkonflikte der unterschiedlichen Politikbereiche

Aus forstwirtschaftlicher Sicht, bei gesamtheitlicher Betrachtung, sind die Ziele von Holznutzung und Biodiversität kein Widerspruch, sondern durch die Gesetzgebung und das Prinzip der nachhaltigen Waldbewirtschaftung gleichermaßen sichergestellt. Letztere verbindet die unterschiedlichen Ansätze im Wege eines Interessenausgleichs und wird seit Jahrzehnten an geänderte Umstände und Erwartungen der Gesellschaft angepasst. Dadurch können der Schutz von Eigentums- und Nutzungsrechten, wirtschaftliche Handlungsspielräume und notwendige Anreize einerseits, Anliegen der Gesellschaft zu Wäldern in ihren vielfältigen Funktionen beziehungsweise Ökosystemleistungen andererseits gesamthaft geregelt werden. Die zunehmende Fraktionierung in einzelne Politikbereiche, die jeweils eigene Ziele verfolgen, bereitet allerdings Probleme. Der Green Deal der Europäischen Kommission zieht eine Flut an Regelungen nach sich, welche die natio­nalen forstpolitischen Handlungsmöglichkeiten zunehmend limitieren. Das Prinzip der nachhaltigen Waldbewirtschaftung ist und bleibt in dieser Hinsicht der Bezugspunkt für die notwendige Klimawandelanpassung und – neben dem Naturschutz – für die Sicherung der Biodiversität, für die Erzielung von Einkommen für bäuerliche Familienbetriebe im ländlichen Raum sowie die Versorgung der Bevölkerung mit erneuerbarer Energie. Aktuell laufen vielfach Überlegungen und Verhandlungen zu neuen Modellen. Durch diese sollen Leistungen der Waldbewirtschafter:innen im öffentlichen Interesse – wie etwa dem Klima- und Umweltschutz – berechnet und entsprechend honoriert werden. Diese Modelle sind zu begrüßen, sofern dabei die Prinzipien und Grundlagen nachhaltiger Waldbewirtschaftung – unter Beachtung der in ­Österreich vorhandenen sozioökonomischen Strukturen – gesichert sind. Traditionell handelt Forstpolitik von der Befriedigung der Erwartungen und Bedürfnisse von Menschen und heute mehr denn je von der Sicherstellung des verantwortungsvollen generationenübergreifenden Umgangs mit unseren limitierten natürlichen Ressourcen.

Stategien, Gesetze und Leitbilder im Überblick

EU

European Green Deal

„Der europäische Grüne Deal“ ist eine verbindliche Vereinbarung der EU-Mitgliedsstaaten mit dem Ziel, bis 2050 die Klimaneutralität in Europa zu erreichen und den Vereinbarungen des Pariser Klimaabkommens nachzukommen. Ein erster Schritt ist die Senkung der Treibhausgasemissionen bis 2030 um min­destens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990.
https://commission.europa.eu

EU-Waldstrategie für 2030

Die EU-Waldstrategie 2030 ist Teil des europäischen Grünen Deals und eng verknüpft mit anderen EU-Strategien, die waldpolitische Bedeutung und klimapolitische Vorhaben aufweisen, darunter die Biodiversitäts- und die Bioökonomiestrategie. Die darin formulierten Maßnahmen dienen unter anderem der Unterstützung der Holznutzung, insbesondere dem Einsatz langlebiger Holzprodukte in der Bauwirtschaft, sowie der Aufforstung der Wälder zur Sicherung klimaresilienter und multifunktionaler Waldökosysteme.
info.bml.gv.at

EU-Biodiversitätsstrategie für 2030

Diese Strategie ist ein zentraler Bestandteil des europäischen Grünen Deals und bildet einen ­umfassenden Rahmen von Verpflichtungen und Maßnahmen, um die Hauptursachen für den Verlust der Biodiversität zu bekämpfen, etwa die Übernutzung biologischer Ressourcen oder den Klimawandel. Das Hauptziel ist, die Biodiversität bis zum Jahr 2030 zum Wohle der Natur, der Menschen und des Klimas auf den Weg der Erholung zu bringen. Sie wird die Klimaschutz- und Anpassungsbemühungen durch naturbasierte Lösungen unterstützen, die Kohlenstoff in gesunden Öko­systemen binden und speichern und Natur und Gesellschaft dabei helfen, sich an die unvermeidlichen Auswirkungen des Klimawandels anzupassen.
https://commission.europa.eu

EU Deforestation Regulation – EUDR

Die im Rahmen des europäischen Grünen Deals entwickelte und Mitte 2023 verabschiedete EU-Verordnung zur Vermeidung von Entwaldung soll sicherstellen, dass im Zuge der Herstellung, des Verbrauchs und Handels mit bestimmten Rohstoffen und Produkten (Kaffee, Kakao, Palmöl, Soja, Rindfleisch, Kautschuk, Holz) keine Entwaldung oder Waldschädigung verursacht wird. Die Verordnung gilt für ­Unternehmen, die die betreffenden Produkte auf dem EU-Binnenmarkt in Verkehr bringen. Sie unterliegen einer Sorgfaltspflicht, die sie unter Berücksichtigung einer Übergangsfrist von 18 (Nicht-KMU) bzw. 24 Monaten (KMU) erfüllen müssen.
www.eur-lex.europa.eu

Österreich

Österreichischer Walddialog

Der Österreichische Walddialog hat zum Ziel, die vielfältigen Interessen an der Nutzung des Waldes zu vereinen und den sorgsamen Umgang mit dem Wald weiterzuentwickeln. In einem offenen und transparenten Prozess beteiligen sich Organisa­tionen, Institutionen und Privatpersonen an der Gestaltung der österreichischen Waldpolitik. Der Walddialog fördert forstpolitische Diskussionen und Instrumente auf Bundes- und Länderebene und bietet den Rahmen dafür, Synergieeffekte, Defizite und Konflikte aufzuzeigen sowie Ziel­setzungen und Lösungsansätze gemeinsam zu ­erarbeiten.
www.walddialog.at

Österreichische Waldstrategie 2020+

Die Waldstrategie dient als Leitlinie für das kurz-, mittel- und langfristige forstpolitische Geschehen in Österreich. Die vielfältigen Aufgaben des Waldes werden in sieben speziellen Handlungsfeldern ­abgedeckt und beinhalten, abgeleitet von einer Vision für den österreichischen Wald, 49 strategische Ziele sowie zahlreiche konkrete waldpolitische Stoßrichtungen:

  • Beitrag der österreichischen Wälder zum Klimaschutz
  • Gesundheit und Vitalität der österreichischen Wälder
  • Produktivität und wirtschaftliche Aspekte der österreichischen Wälder
  • biologische Vielfalt in Österreichs Wäldern
  • Schutzfunktionen der österreichischen Wälder
  • gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Aspekte der österreichischen Wälder
  • Österreichs internationale Verantwortung für nachhaltige Waldbewirtschaftung

info.bml.gv.at

Biodiversitäts-Strategie Österreich 2030+

Die Biodiversitäts-Strategie Österreich 2030+ greift die von der Europäischen Union sowie auf internationaler Ebene formulierten Zielsetzungen und Maßnahmen für den Erhalt der Biodiversität auf. Ein Zehn-Punkte-Programm sieht nationale quantitative und qualitative Ziele und die erforderlichen Voraussetzungen für den Erhalt der biologischen Vielfalt in allen Lebensräumen Österreichs vor. Die für die Biodiversität relevanten ­Sektoren werden ebenso adressiert wie erforder­liche Rahmenbedingungen. Diese Ziele und die entsprechenden Maßnahmen sind darauf ausgerichtet, die biologische Vielfalt in Österreich zu schützen, die Gefährdungen aktiv anzugehen, weitere Verluste zu verhindern und die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür zu schaffen:

  • Verbesserung von Status und Trends von Arten und Lebensräumen
  • effektiver Schutz und Vernetzung aller ökologisch wertvollen Lebensräume
  • Wiederherstellung von für Biodiversität und Klimaschutz besonders wichtigen Ökosystemen
  • entscheidende Reduktion der Flächeninanspruchnahme und Fragmentierung
  • Einleitung von transformativem Wandel in der Gesellschaft und Integration der Biodiversität in alle Sektoren – „Mainstreaming“
  • Stärkung des globalen Engagements
  • Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für den Biodiversitätserhalt
  • Sicherstellung der Finanzierung von Biodiversitätserhalt und Unterstützung für biodiversitätsförderndes Handeln
  • Wertschätzung der Biodiversität in Gesellschaft und Wirtschaft
  • Verbesserung der wissenschaftlichen Grundlagen zur Erreichung und Evaluierung der Biodiversitätsziele

www.bmk.gv.at

Österreichische Bioökonomiestrategie und der Aktionsplan Bioökonomie

Bioökonomie steht für ein Wirtschaftskonzept, das fossile Ressourcen (Rohstoffe und Energieträger) durch nachwachsende Rohstoffe in möglichst allen Bereichen und Anwendungen ersetzen soll. Sie um­fasst alle industriellen und wirtschaftlichen Sektoren, die biologische Ressourcen produzieren, ver- und bearbeiten oder nutzen. Die Bioökonomie bietet damit die große Chance, globalen Herausforderungen wie dem fortschreitenden Klimawandel, Lebensmittel- und Wasserknappheit oder den zunehmenden Umweltbelastungen zu begegnen und zugleich die ökonomische Entwicklung zu stärken.

Das Strategiepapier von 2019 beinhaltet einen Rahmenplan und Handlungsoptionen und bildet gemeinsam mit dem Ende 2022 präsentierten ­Aktionsplan einen wesentlichen Bestandteil der nationalen Strategie zur Förderung der Bioöko­nomie. Darin wurden elf Themenbereiche formuliert, die insgesamt 114 konkrete Maßnahmen ­umfassen.
www.bmk.gv.at

Der Waldfonds

Mit dem Waldfondsgesetz wurde im Juli 2020 im österreichischen Nationalrat eines der größten Zukunftspakete für die heimischen Wälder geschnürt. Denn obwohl sich Österreichs Wälder ­positiv entwickeln, machen sich der Klimawandel und dessen Auswirkungen deutlich bemerkbar und gefährden die Bestände zunehmend in ihrer Struktur. Extremwetterverhältnisse, Trockenheit und Schädlingsbefall führen zu hohen Schad­holzmengen. Die enormen Ausfälle der letzten Jahre haben die Notwendigkeit unterstützender Maßnahmen zur aktiven Gestaltung eines zukunftsträchtigen Waldes drastisch verdeutlicht. Mit dem Waldfonds wurde damit die konkrete ­Umsetzung auf den Weg gebracht. Das Paket ­umfasst zehn aufeinander ­abgestimmte Maß­nahmen (für die Forst- und Holzwirtschaft) zur Entwicklung klimafitter Wälder, der Förderung von Biodiversität im Wald und einer verstärkten Verwendung des Rohstoffs Holz als Beitrag zum Klimaschutz.

  • Wiederaufforstung und Pflegemaßnahmen nach Schadereignissen
  • Entwicklung klimafitter Wälder
  • Abgeltung von durch Borkenkäferschäden verursachtem Wertverlust
  • Errichtung von Nass- und Trockenlagern für Schadholz
  • mechanische Entrindung und andere vorbeugende Forstschutzmaßnahmen
  • Maßnahmen zur Waldbrandprävention
  • Forschungsmaßnahmen zum Thema „Holzgas und Biotreibstoffe“
  • Forschungsschwerpunkt „Klimafitte Wälder“
  • verstärkte Verwendung des Rohstoffs Holz
  • Erhalt und Förderung der Biodiversität im Wald

Der Waldfonds richtet sich an Bewirtschafter:innen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, Forschungs­einrichtungen sowie sonstige Förderungswerber wie etwa Agrargemeinschaften oder Gebietskör­per­schaften. Das Maßnahmenpaket umfasst ein Investitionsvolumen von 350 Mio. Euro, die Laufzeit beträgt sechs Jahre.
www.waldfonds.at

Forstgesetz 1975 und Novelle 2023

Das Forstgesetz 1975 ist die zentrale Rechtsquelle des Forstrechts. Ziel des Forstgesetzes ist die Erhaltung des Waldes und des Waldbodens mit seiner Produktionskraft sowie die Sicherstellung der ­multifunktionellen Wirkungen des Waldes und ­einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung. Mit der im September 2023 beschlossenen Novellierung wird die nachhaltige Waldbewirtschaftung bundesweit weiterentwickelt und der Weg hin zu klimafitten Wäldern gestärkt. Die wesentlichen Ziele und Maßnahmen umfassen

  • die Anpassung der Wälder an den Klimawandel und Klimaschutz,
  • die Vereinheitlichung der Kosten zur Waldbrandbekämpfung,
  • eine Rechtsgrundlage für die Wildbach- und Lawinenverbauung,
  • die verstärkte ökologische Orientierung
  • und die Modernisierung der forstlichen Ausbildung.

info.bml.gv.at


verfasst von

Johannes Schima

ist stellvertretender Leiter der Sektion Forstwirtschaft und Regionen im BML. Am Prozess des Österreichischen Walddialogs wirkt er seit vielen Jahren federführend mit. Themen wie die forstliche Förderung, die Forstgesetznovelle und der Forst&Jagd Dialog zur Sicherung ausgeglichener Wald-Wild-Verhältnisse tragen seine Handschrift.

Erschienen in

Zuschnitt 91
Wald und Holznutzung

Wald und Holznutzung im Spiegel der Zeit und im Kontext des Klimawandels

8,00 €

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Zuschnitt 91 - Wald und Holznutzung