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„Das System darf nicht die Freiheit und
Lockerheit der Gestaltung beeinträchtigen“
ImGesprächmit demHolzbaupionier
Hubert Rieß
Markus Bogensberger: Das Architekturbüro
Rieß gilt als einer der Pioniere imHolz-
Geschossbau. Wie ist es zu dieser Positio-
nierung gekommen?
Herbert Rieß: In der Anfangsphase unserer
Auseinandersetzungmit demWerkstoff
Holz waren kaum taugliche Bauordnungen
undwenige Erfahrungen vorhanden. So
wurde im Rahmen des experimentellen
Wohnbauprogramms „Modell Steiermark“
1985
der ersteWohnbauwettbewerb inHolz­
bauweise für ein Projekt in Zeltweg aus­
geschrieben. Die damaligen Vorschriften
haben allerdings ein solches Gebäude noch
gar nicht zugelassen.
Die Geschossdecken und das Erdgeschoss
mussten damalsmassiv ausgeführt werden,
weil noch keine Konsulenten und Bau­
Vor etwasmehr als zehn Jahren erschien dasmittlerweile nur mehr antiquarisch er-
hältliche Buch „Rießwood
3
–modulareHolzbausysteme“, in dem einÜberblick über
die Arbeiten vonArchitekt Hubert Rieß imBereichHolzbau vermittelt wurde.
Der Schwerpunkt dieser Publikation lag inder Beschäftigungmit den Potenzialen von
modularer Vorfertigung für denGeschossbau und vor allem imBereich desWohn-
baus. Hubert Rieß hat diesbezüglich eine Vorreiterrolle eingenommen und sowohl
technische als auch soziale, städtebauliche und vor allem architektonische Aspekte
in seine Projekte undÜberlegungen einbezogen. Einenwesentlichen Beitrag in die-
semBuch stellt ein nachwie vor sehr lesenswertes Gespräch über die Verwendung
vonHolz imGeschossbau vonHubert Rießmit Otto Kapfinger undUlrichWieder
dar. Das folgende Interview knüpft an die damaligenAussagen des österreichischen
Holzbaupioniers an.
Rießwood –modulareHolzbausysteme.
Entwicklung und Zukunft modularer Systeme⁄
Development and Perspectives in Prefab Systems
Otto Kapfinger, UlrichWieler (Hg.)
Wien-New York
2007
physiker verfügbar waren, die die entspre-
chenden Expertisen für Holzkonstruktionen
erstellen konnten. Man konnte zu dieser
Zeit noch nicht auf die Erfahrungen einer
professionellenHolzbauindustrie zurück-
greifen, allerdings verlief die Entwicklung
in der Folge sehr schnell.
Einwesentlicher Fortschritt wurde durch
dasModellvorhaben „Mietwohnungen in
Holzsystembauweise“ Anfang der
1990
er
Jahre in Bayern erzielt. Man hat sich
damals dazu entschlossen, Unterkünfte in
Holz-Systembau zu errichten. Dafür waren
mehrere Gründe ausschlaggebend, etwa
die Ökologisierung des Bauens, die Stär-
kung der bayerischenHolzindustrie, aber
vor allem die erwartete Geschwindigkeit
der Umsetzung, weil innerhalb kurzer Zeit
eine große Anzahl anWohnungen für
Menschen aus den ehemaligen Ländern
des Ostblocks errichtet werdenmusste.
Unser Bürowurde damals eingeladen,
ein Pilotprojekt in Schwabach bei Nürnberg
zu realisieren. Wir haben in der Folge wei-
tere Projekte in Bayern umsetzen können,
und besonders unser Wohnbau inWald­
kraiburg ist auf hohe Resonanz in der Fach­
welt gestoßen.
Die damaligenHerausforderungenwaren
oft sehr grundsätzlicher Natur. Die ausfüh-
renden Firmen entstammten oft einem
Zimmereibetrieb undmussten sich erst an
ihre Rolle als Generalunternehmer gewöh-
nen. Die anspruchsvolle Logistik und ein-
fach anmutende Aufgabenwie der Schutz
der Rohbauten vor Regen führten immer
wieder zu folgenreichen Komplikationen.
Die Projekte in Bayern stellten auch einen
Impuls für denHolzbau inÖsterreich dar.
Es fanden zahlreiche Exkursionen zu
diesen Bauten statt und das Interesse von
PolitikerInnen, BauträgerInnen und auch
ArchitektInnenwar geweckt. Vor allem in
der Steiermark, einem traditionellenHolz-
land, wurde die Initiative ergriffen.
So konntenwir in Judenburg ein sehr
gelungenes viergeschossiges Demonstra-
tiv-Wohnprojekt mit massivem Sockel
errichten. In dieser Zeit wurden auch bau-
physikalischeHerausforderungenwie et-
wa schalltechnische Fragen behandelt.
Zeltweg (
1989
)
Waldkraiburg⁄ D (
1996
)
Grünangersiedlung inGraz (
1999
)
Markus Bogensberger
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