zuschnitt 71 - page 7

zuschnitt
71.2018
6
7
Wohnbaumit System
Allgemeine Standardausführungen, wie sie
vom Bauenmit mineralischen Baustoffen
bekannt sind, haben sich imHolzbau noch
nicht etabliert. Vielemehrgeschossige
Wohngebäude aus Holz sind nachwie vor
Prototypen. Trotz großer Vielfalt lassen
sich aber für denmehrgeschossigenWoh-
bau Konstruktionen identifizieren, die sich
zu bewähren scheinen.
Brettsperrholzkonstruktionen
Einige internationale Projekte aus den
letzten Jahren sind relativ sortenreine
Konstruktionenmit Außen- und Innenwän­
den sowie Decken aus Brettsperrholz­
elementen. Die Verbindungen undDecken-
auflager sindmeist linear, geometrisch
schlicht und großteils als simple Ver-
schraubungen ausgeführt. Mit vorgefer­
tigten Elementen lässt sich schnell der
Rohbau des Gebäudes herstellen. Je nach
Anforderungen könnenWände undDe-
cken sichtbar bleiben oder direkt beplankt
werden, sodass die Konstruktionweitge-
hend hohlraumfrei ausgeführt werden
kann. Diese Bauart ermöglicht eine relativ
standardisierte Planung, industrielle Ferti-
gung und unkomplizierteMontage. Die
meisten Beispiele finden sich daher in
Ländern ohne handwerklicheHolzbautra-
dition. Nachteilig sind der hohe Holzbe-
darf und die Einschränkungen im Vorferti-
gungsgrad, der selten über den Rohbau
hinausgeht.
Mischbauweisen
Im deutschsprachigen Raum scheint sich
dagegen eine Kombination vonAußenwän-
den aus Rahmenbauelementen (= Tafelbau)
undMassivholzdecken zu etablieren, die
mit unterschiedlichen Arten von Innen-
wänden kombiniert werden. Rahmenbau-
wände sind nicht nur sehr materialeffizient
in der Lastabtragung, sondern können
auch sehr kostengünstig hochwärme­
dämmend ausgeführt werden. Außerdem
ermöglichen sie eine weitgehende Vorfer-
tigung imWerk, einschließlich der Fenster
und der Fassadenbekleidung. Das hoch-
komplexe Bauteil Außenwand und kompli-
zierte Anschlussdetails können damit
unter optimalen Bedingungen besonders
zuverlässig hergestellt werden. Allerdings
können Rahmenbauwände nicht in her-
kömmlicher Form verwendet werden,
wenn sie Gebäudemit mehr als drei oder
vier Geschossen tragen sollen, denn die
Querholzpressungen von Rähm und
Schwelle hätten zu starke Setzungen zur
Folge. In der Schweiz werden daher seit
einiger Zeit Rahmenbauwände eingesetzt,
deren Ständer über die gesamteHöhe der
Wand durchlaufen und Lasten über Hirn-
holzkontakt in die Ständer darüber- und
darunterliegender Wände übertragen.
Außerdem können einzelne Ständer durch
Stützen stärkerenQuerschnitts ersetzt
werden, um punktuell hohe Lasten abzu-
tragen. So kann die Flexibilität von Ske-
lettbautenmit dem hohen Vorfertigungs-
grad von Rahmenbaukonstruktionen
kombiniert werden.
GängigeDeckensysteme
Als Geschossdeckenwerden häufigMas-
sivholzdecken aus Brettsperrholz- oder
Brettstapelelementen verwendet, die sich
geometrisch und konstruktiv einfach fügen
lassen und im Vergleichmit filigranen
Deckenkonstruktionen in der Regel einen
schlankeren und hohlraumfreienDecken-
aufbau ermöglichen. Denn die Anforde-
rungen an Brand- und Schallschutz sowie
die Reduktion des Schwingungsverhaltens
lassen sich dabei mit sehr einfachenMaß-
nahmen umsetzen. Durchlaufträgerwirkun­
gen über Trennwände hinweg werden der
Flankenschallübertragung wegenmeist
vermieden. Bei größeren Spannweiten kön-
nenMassivholzdeckenmit Aufbeton als
Verbundkonstruktion ausgeführt werden.
Raumzellenbauweise
Inzwischen gibt es einige Beispiele von
Wohnheimen in Deutschland und Öster­
reich, die aus vorgefertigten Raumzellen
gefügt sind. Offenbar kompensiert die
rationalisierte, industrieähnliche Fertigung
Nachteile aus großem Transportvolumen
oder aus der Herstellung doppelter Bau-
teile, wenn die Bauaufgabe auf einem
großenWiederholungsfaktor basiert. In
Schweden ermöglicht die Serienfertigung
bereits die Herstellung von gewöhnlichen
Wohnungsgrundrissen aus Raumzellen
zu konkurrenzfähigen Konditionen. Und
imGegensatz zum konventionellen Bauen
lässt jede Volumensteigerung hier deut-
liche Rationalisierungsvorteile erwarten.
Einfach statt banal
Holz ist ein äußerst vielseitiger Baustoff
und darüber hinaus ein Sympathieträger.
Seine natürlicheMaterialität wird als
authentisch, gesund und hochwertig emp-
funden. In einer Zeit, in der die Qualität
kostengünstigenWohnens zu einer immer
drängenderen sozialen Frage wird, kann
die Sinnlichkeit vonHolz denUnterschied
zwischen Einfachheit und Banalität aus-
machen.
Generell eignet sichHolz für denWohnbau sehr gut, dennWohnungsgrundrisse
erlauben durchmeist geringe Deckenspannweiten undWände als lineare Auflager
sehr wirtschaftliche Konstruktionen, wenn sie diszipliniert geplant sind. Außerdem
lassen sich hochwärmegedämmte Gebäudehüllen – die imWohnbau eine wich­
tigere Rolle spielen als bei anderen Bauaufgaben – robust, raumsparend und kosten-
günstig umsetzen. Auch die Gebäudehöhe vonHolzbauten stellt keine ernsthafte
Beschränkungmehr dar, nachdem sich die Gesetzgebung verändert und die Bautech-
nik in den letzten Jahren rasant entwickelt hat.
Stefan Krötsch
Eigenes Architekturbüro inMünchen in Partnerschaft mit Florian Braun. SeitMärz
2018
Professor für
Baukonstruktion und Entwerfen an der
htwg
Konstanz. Zusammenmit Hermann Kaufmann und Stefan
Winter Autor des AtlasMehrgeschossiger Holzbau.
Stefan Krötsch
1,2,3,4,5,6 8,9,10,11,12,13,14,15,16,17,...28
Powered by FlippingBook