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Spaß an der Bricolage
Umbau eines Kirschlagers
Auf der Suche nachWohn- und Atelierräumen
stießen Architektin Lilitt Bollinger und ihr Partner
Daniel Buchner –Mitinhaber von Buchner Bründler
Architekten in Basel – vor einigen Jahren auf den
Gebäudekomplex einer leer stehenden Schnaps-
brennerei inNuglar-St.Pantaleon am Rande des
Schweizer Jura. Der Baubestand zeigte sich hetero-
gen: Das Lager war ein Betonbaumit zwei Unter-
geschossen. Nicht nur aus Kostengründen, sondern
auch aus prinzipiellenÜberlegungen erfolgte die
Entscheidung, den Rohbaucharakter mit seinemMix
anMaterialien nachMöglichkeit zu belassen und
eine vergleichbare Direktheit auch bei den Ein- und
Umbauten zum Prinzip zumachen. Die Betonstruk-
tur des Lagers, dessen Erdgeschoss nun alsWerk-
statt und Garage dient, blieb erhalten undwurde
lediglichmit Durchbrüchen inWänden undDecke
versehen. Über eine kreisförmige Öffnung gelangt
man in das Studio von Lilitt Bollinger. Hier wie im
benachbartenWohnbereich blieb die hölzerneDach-
undDeckenstruktur erhalten. Grün gestrichene
Regale und Fensterrahmen prägen die Straßenseite,
die räumliche Strukturierung erfolgt durchmit See-
kieferplatten beplankte Raumteiler, deren Pfosten
bis zur Decke reichen, oben aber unverkleidet sind.
So entstehen unterschiedliche Zonen, grenzen sich
Hubertus Adam
Standort
Bifangstrasse
5,
Nuglar⁄ CH
Bauherr
Privat
Planung
lilitt bollinger studio, Nuglar⁄ CH,
;
Buchner Bründler Architekten, Basel⁄ CH,
Statik
JürgMerz, Maisprach⁄ CH,
Innenausbau
Hürzeler Holzbau
ag
, Magden⁄ CH,
Fertigstellung
2018
Wand
Sperrholzplatten aus Seekiefer, unbehandelt
Decke
Fichte, unbehandelt (Bestand)
Möbel
Fichte, unbehandelt, Eiche, unbehandelt (Küche undMöbelgriffe)
Wand ⁄ Decke
(Arbeitszimmer) Dreischichtplatte aus Fichte, schwarz lasiert
Materialmix im
Wohnbereich,
schwarz lasierte
Dreischichtplatten
imArbeitszimmer.
Kiefer
Farbe
hellgelber Splint, der von
einem gelbrötlichen bis röt-
lichbraunen Kern abgelöst
wird und im Licht stark
nachdunkelt
Querschnitt
deutlich erkennbare Jahrringe;
der Übergang von Früh- zu
Spätholz ist allmählich bis
abrupt; Harzkanäle sind
deutlich erkennbar (größer
als bei Fichte und Lärche)
Radialschnitt
lebhaft gestreift
Tangentialschnitt
dekorativ gefladert, die
Harzkanäle erscheinen als
feine Linien
Geruch
leicht aromatisch, harzig
Härte
weich bismittelhart
Eigenschaften
Das Holz der Weißkiefer ist
mittelschwer (Darrdichte
510
kg⁄ m
3
), etwas schwerer
ist das Schwarzkiefernholz
(
560
kg⁄ m
3
). Das weiche bis
mittelharteHolz derWeiß-
kiefer weist eine Brinellhärte
von
19
N⁄ mm
2
auf, während
das Holz der Schwarzkiefer
mit
25
N⁄ mm
2
bereits als
mittelhart gilt. BeideHölzer
zeichnet eine hohe Angleich-
geschwindigkeit der Holz-
feuchte an das Umgebungs-
klima aus. Kiefernholz ist
leicht zu trocknen und zu
bearbeiten, sieht man vom
Verkleben derWerkzeuge
bei besonders harzigenQua-
litäten ab. Nach dem Ent-
fetten ist es gut zu polieren
und zu beizen.
Verwendung
Bau- und Konstruktionsholz,
als Tischlerholz für Bautisch-
lerarbeiten, Innenausbau und
Möbelbau. Wegen des sich
mit der Zeit verstärkenden
Farbunterschieds zwischen
Splint- und Kernholz sowie
wegen der zahlreichen einge-
wachsenenÄstewird es bei
Inneneinrichtungen verwen-
det, um eine rustikaleNote
zu erzielen.
ÄhnlicheHölzer
Lärche, Weymouth-Kiefer,
Zirbe
Büro- und Privatbereiche visuell voneinander ab. Über
eineWendeltreppe vor der Fassade gelangt man auf
das Dach und in das neu hinzugefügte, innenmit
schwarz gestrichenemHolz ausgekleidete Studiolo
vonDaniel Buchner. Wennman die Arbeiten der
sonst separat tätigen Bewohner kennt, so lässt sich
unschwer feststellen, dass es sich hier um eine wirk-
liche Gemeinschaftsarbeit handelt. Die Liebe zum
Detail und der Spaß an der Bricolage kennzeichnen
beide Haltungen. Bestehender Rohbau undHinzu-
fügungen verbinden sich auf das Überzeugendste,
und auchwennhier überhaupt nicht versucht worden
ist, Alt undNeu ästhetisch zu harmonisieren und
anzugleichen, so weißman nicht an allen Stellen,
womit man es gerade zu tun hat.
Hubertus Adam
ist freier Architekturkritiker, Architekturhistoriker undKurator.
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