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Der Stadtbaum
Wald – Holz – Klima

erschienen in
Zuschnitt 82 Stadt – Holz – Klima, September 2021

Ein Baum mit imposantem Blätterdach ist nicht nur schön anzuschauen oder weckt Erinnerungen an Kletterpartien im Kindesalter – ein Baum arbeitet rund um die Uhr für unser Wohlbefinden. Ganz unbemerkt filtern und reinigen, kühlen und befeuchten Bäume die Luft, wirken als Lärmdämpfer, produzieren Sauerstoff und tragen so zur Verbesserung des Mikroklimas bei. Vor allem für die Lebensqualität in den Städten ist dies zunehmend von Bedeutung.

Bäume gehören zum Stadtbild von Wien, ganz selbstverständlich. Bewusst in unsere Wahrnehmung rücken Sie, wenn sie vor Regen oder praller Sonne schützen. Letzteres kommt aufgrund der steigenden Durchschnittstemperaturen und sich mehrenden Hitzetage immer häufiger vor. Die Auswirkungen des Klimawandels werden deutlicher spürbar, vor allem für die Menschen in der Stadt.

Zwar betreffen diese Auswirkungen nicht nur den urbanen Raum, aber die dichte Bebauung und der hohe Anteil an versiegelten Flächen machen die Hitze extremer bzw. lassen dadurch Bereiche mit besonders starker Erhitzung entstehen, die sogenannten Urban Heat Islands. Was wir fühlen, ist nämlich nicht die Lufttemperatur, sondern die mittlere Strahlungstemperatur. Diese wird von Oberflächen, Luftaustausch, Bäumen und dergleichen beeinflusst. Der Effekt kann durch zahlreiche Maßnahmen wie Dach- und Fassadenbegrünungen, Frischluftschneisen und ein wohlüberlegtes Netz an Grünräumen insgesamt eingedämmt werden. Die temperaturreduzierende Wirkung und die punktuelle Kühlung von Bäumen sind jedoch am unmittelbarsten spürbar: Bäume spenden nicht nur Schatten, sie Verdunsten auch Wasser, wodurch es zur Kühlung der Umgebungsluft kommt. Unter einer Baumkrone kann die Erhitzung des Asphalts außerdem um bis zu 20 Grad Celsius abgemildert werden. Folglich geben diese Flächen in der Nacht auch weniger Wärme ab.

Baumarten der Straßenbäume in Wien nach Häufigkeit

Bäume arbeiten gegen den Klimawandel

In Wien gibt es rund 8,5 Millionen Bäume. Davon stehen etwa 8 Millionen in den Wiener Wäldern, die in Summe 19,7 Prozent der Gesamtfläche der Stadt für sich einnehmen. Die Anzahl der Stadtbäume liegt bei etwa 480.000, das sind jene entlang von Straßen, in Parks und zwischen den Häusern. Annähernd 92.500 davon sind Straßenbäume, verwaltet und betreut von der Magistratsabteilung 42 Wiener Stadtgärten.

Alle diese Bäume arbeiten gegen den Klimawandel – übergeordnet und langfristig durch ihre Fähigkeit, CO2 zu binden, sowie lokal und direkt durch ihre bioklimatische und lufthygienische Ausgleichsfunktion in der Stadt. Doch Bäume können nur dann zu einem guten Stadtklima beitragen, wenn sie sorgfältig ausgewählt und gepflegt werden: Sie brauchen selbst Schutz vor der klimawandelbedingten Hitze und anderen Stressfaktoren, denen sie in urbanen Gebieten ausgesetzt sind. Neben dem Einsatz von Salz als Auftaumittel gegen Glatteis im Winter ist es die Trockenheit im Sommer, die den Bäumen zusetzt. Vor allem aber schränkt der stark verdichtete Boden durch versiegelte Flächen den Wurzelbereich ein, Tunnel oder Leitungen behindern diesen und die Wasserspeicherung zusätzlich. Als wirksamste Maßnahme, um die notwendigen Hohlräume für Wasser und Sauerstoff zur Versorgung der Bäume bereitzustellen, hat sich ein Bodenaufbau nach dem sogenannten Schwammstadt-Prinzip bewährt. Dabei wird unter der befestigten Oberfläche eine Schicht aus grobkörnigem Schotter, Splitt sowie feineren, wasserspeichernden Materialien angelegt. Das gesamte Oberflächenwasser wird nicht in den Kanal, sondern in diesen Rückhaltebereich geleitet und dort gespeichert. Die Bäume können sich so aus dem gespeicherten Regenwasser – vor allem während der sommerlichen Hitzeperioden – über längere Zeit selbst versorgen. Zum Großteil kommt dieses Prinzip in Neubaugebieten wie der Seestadt Aspern zum Einsatz. In der Bestandsstadt ist seine Anwendung meist nicht möglich, hier werden andere Maßnahmen gesetzt: Neben speziellen Substraten gegen die Bodenverdichtung und speziellen Bewässerungssystemen sind vor allem bei jungen Bäumen Gieß-Bags effektiv. Ein solcher Bewässerungssack fasst 75 Liter und lässt Wasser durch kleine Löcher langsam in den Wurzelballen einsickern. Auch ein Weiß-Anstrich kann die Vertrocknung mildern, da durch seine reflektierende Wirkung der Stamm sich weniger erwärmt.

Baum ist nicht gleich Baum

Neben all den Möglichkeiten, gegen schädliche Einflüsse auf den Baumwuchs vorzugehen, ist es vor allem die Baumart selbst, die über erforderliche Maßnahmen bestimmt. Mit den sich ändernden Einflussfaktoren wandeln sich auch die Gattungen, die zum Einsatz kommen. Immer mehr der im Stadtbild typischen Arten werden durch resistentere Gehölze abgelöst.

Noch findet sich der Ahorn am häufigsten in Wiens Straßen, gefolgt von Linde und Rosskastanie. Während Ahorn und Linde Frost und Hitze gut vertragen, ist die Kastanie eher empfindlich. Sie leidet unter der Hitze, und diese spielt zugleich der Miniermotte in die Hände. Der Falter liebt es heiß und gedeiht prächtig, so hat er leichtes Spiel und kann sich über die bereits geschwächten Bäume hermachen. Der Klassiker unter den Wiener Bäumen wird daher kaum nachgepflanzt. Nur in bestehenden Ensembles, wie der Prater Hauptallee, wird das Gesamtbild erhalten. Bei der Auswahl neuer Straßenbäume geht die Stadt weg von diesen bislang bevorzugten Arten und setzt stattdessen hitze- und trockenresistentere Arten ein, beispielsweise Japanische Schnurbäume oder Chinesische Wildbirnen. Auch der Südliche Zürgelbaum zählt längst nicht mehr zu den Exoten. Er ist auch unter dem Namen „Steinbrecher“ bekannt und außerordentlich robust gegen Hitze, Abgase, Salz und harte Böden.

Obwohl die Bedeutung von Grünflächen und Bäumen zur Erreichung der Klimaziele und als Qualitätskriterium für eine lebenswerte Stadt deutlich ist, sind zusätzliche Grünräume oder Flächen für neue Baumpflanzungen oftmals nur schwierig zu gewinnen. Zwar sind laut dem Wiener Stadtentwicklungsplan 25.000 neue Bäume und 400.000 m2 an Parkanlagen geplant – dies aber vorwiegend in den Stadterneuerungsgebieten, die ohnehin schon unter der Prämisse einer zukunftsorientierten und klimafreundlichen Stadtentwicklung geplant werden. In der vielfach dichter bebauten Bestandsstadt sind kaum Flächen für einen zusätzlichen Baum vorhanden – fast durchwegs ist dazu eine Entsiegelung notwendig, meist geht dies mit dem Verlust eines Stellplatzes für den motorisierten Individualverkehr einher. Es herrscht eine konkurrierende Flächennutzung im öffentlichen Raum.

Um Städte klimatauglich und zukunftsfit zu gestalten, müssen Prioritäten gesetzt werden. Es sind Entscheidungen, die jetzt getroffen werden müssen – denn viele Maßnahmen können ihre volle Wirkkraft erst über einen längeren Zeitraum entfalten. Bis ein Baum ausreichend Schatten spendet und einen Beitrag im Bündel der zahlreichen Maßnahmen zur Hitzereduktion leisten kann, dauert es oft Jahre. So wenig, wie es den typischen Wiener oder die typische Wienerin gibt, gibt es den perfekten Stadtbaum. Klar ist aber: Je mehr Bäume, desto größer die Wirkung. Besser heute als morgen.

Von der Gesamtfläche der Stadt Wien sind 8.000 Hektar bzw. 19,7 Prozent von Wald bedeckt. Anhand der durchschnittlichen Anzahl an Bäumen pro Hektar macht das etwa 8 Millionen Bäume. Einschließlich der 480.000 Stadtbäume gibt es in Wien insgesamt 8,5 Millionen Bäume – das sind 4,5 Bäume pro Person.

Ein ausgewachsener Stadtbaum im Sommer:

  • bietet ca. 150 m2 Schatten
  • kühlt bis zu 3°C
  • verdunstet 400 l Wasser pro Tag nimmt 18 kg CO2 pro Tag auf produziert 13 kg Sauerstoff
  • dämpft Lärm und Wind
  • bindet bis zu eine Tonne Staub pro Jahr

Mehr als 3.300 dieser Bäume sind älter als 100 Jahre, fast vierzig sind sogar über 200 Jahre alt.
Der älteste Stadtbaum Wiens ist eine Platane vor dem Department für Botanik und Biodiversität der Universität Wien am Rennweg 14. Sie ist rund 280 Jahre alt und ihr Stammumfang beträgt mehr als 6 Meter.

Wiener Baumschutzgesetz

Das Wiener Baumschutzgesetz umfasst Maßnahmen zum Schutz von Bäumen einschließlich ihres ober- und unterirdischen Lebensraums in der Stadt. Unter Schutz stehen Bäume mit mindestens 40 cm Stammumfang, gemessen in 1 Meter Höhe vom Beginn der Wurzelverzweigung. Der so definierte Baumbestand muss von den Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümern erhalten werden und vor jeder Art der Beschädigung geschützt werden. Für jeden gefällten Baum dieser Größe ist eine Ersatzpflanzung im Verhältnis von mindestens 1:1 vorgeschrieben, vorzugsweise am betroffenen Grundstück, jedoch zumindest im Umkreis von maximal 300 Metern. Sollte keine entsprechende Ersatz- oder Umpflanzung möglich sein, muss eine Ausgleichsabgabe geleistet werden: Derzeit beträgt der Einheitssatz je Baum 1.090 Euro. Obstbäume und Bäume in Kleingärten oder im Wald sind hiervon ausgenommen. Für Bäume in den Wäldern gilt u.a. das Forstgesetz. Besondere Teilflächen wie der Nationalpark Donau-Auen oder der Biosphärenpark Wienerwald sind durch jeweils eigene Gesetze geschützt.

Baumkataster

Der Bestand der Bäume in Wien ist weitestgehend im Wiener Baumkataster erfasst. Hier sind Bäume in Parks und waldähnlichen Flächen registriert, außerdem jene in Alleen von Straßenzügen. Die Informationen je Baum umfassen Standort, Baumart, Stammumfang, Höhe und Krone, teilweise auch das Pflanzjahr. Der Baumkataster ist online abrufbar: www.wien.gv.at/umweltgut/public


verfasst von

Christina Simmel

leitende Redakteurin der Zeitschrift Zuschnitt

Erschienen in

Zuschnitt 82
Stadt – Holz – Klima

Der Klimawandel und das Wachsen der Städte sind zentrale Themen der Stadtentwicklung und des Bauens in der Stadt. Wir zeigen, welchen Beitrag der Baustoff Holz für das klimaneutrale und ressourcenschonende Bauen in der Stadt leisten kann.

8,00 €

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Zuschnitt 82 - Stadt – Holz – Klima