Vom Auto zum Haus
Das Verkleben von Holz und Glas ist eigentlich nichts Neues. Wenn der Glaser die zu Bruch gegangene Scheibe eines gewöhnlichen Kastenfensters ersetzt, dann »klebt« er das neue Glas mit Fensterkitt in den Rahmen. Erst seit dem Aufkommen moderner Isolierverglasungen und Fensterprofile wird Kitt nur mehr für Reparaturen oder Sanierungen verwendet.
Die heutige Klebetechnologie wurde jedoch zuerst für den Fahrzeugbau entwickelt und die Scheiben von Bussen, später auch Waggons, Autos, LKWs etc., mit der Karosserie elastisch verklebt, wodurch die Anschlussstellen dauerhaft abgedichtet waren, Korrosionsanfälligkeit und Gewicht gesenkt werden konnten und – vor allem – die Gesamtsteifigkeit der Karosserie deutlich erhöht wurde. Grund dafür ist die hohe Druckbelastbarkeit von Glas, die dann ihre Wirkung entfaltet, wenn die Lasteinleitung nicht punktförmig, sondern linear über den gesamten Glasrand erfolgt.
Fenster ohne Aussicht?
Die statischen Eigenschaften von Glas sind jedoch nicht nur im Fahrzeugbau von Vorteil, sondern können auch bei Fenstern, Fassaden und Balken »zum Tragen« kommen. Der Impuls, entsprechenden Möglichkeiten nachzugehen, kam ursprünglich von den Holzfensterherstellern: Mit einem Anteil von ca. 30% spielt das Holz- bzw. Holz-Alufenster in Österreich zwar eine im Vergleich mit anderen europäischen Ländern relativ bedeutende Rolle, trotzdem gehen die Marktanteile seit Jahren konstant zurück. Die Fensterindustrie reagierte auf diese Entwicklung mit Innovationsschüben und brachte z.B. Produkte mit höherer Dauerhaftigkeit und/ oder verbessertem Wärme- und Oberflächenschutz in neuartigen Materialkombinationen heraus, die jedoch auch Mehrkosten bedingten. Mit der Adaptierung der Klebetechnologie für den Fensterbau eröffnen sich nun unter gestalterischen und produktionstechnischen sowie wirtschaftlichen Aspekten neue Aussichten für die Fenstererzeuger und ihre Kunden.
Die Technologie
Um Glas in einem Holzrahmen zu verkleben, können elastische und semielastische Ein- und Zweikomponentenklebstoffe etwa auf der Basis von Silikonen, Polyurethanen und Acrylaten verwendet werden. Die Wahl des Klebesystems muss der jeweiligen Anwendung entsprechen. Dabei spielen u.a. die Lage der Klebstofffuge innerhalb der Fenster-/ Fassadenkonstruktion, die statische Beanspruchung, die Verträglichkeit mit den umgebenden Materialien und die Fertigungsbedingungen (v.a. die Aushärtungscharakteristik) eine große Rolle. Die Anforderungen an den Klebstoff beinhalten außerdem die Aufnahme von Winddruck- und -sogkräften, Haftfestigkeit auf verschiedenen Untergründen (unterschiedliche, behandelte oder unbehandelte Holzarten), Beständigkeit in Bezug auf mechanische, chemische und klimatische Bedingungen (Luftfeuchtigkeit, Temperatur, uv-Strahlung) sowie – falls erforderlich – die Abtragung des Eigengewichts der Scheibe bzw. der Bauteilaussteifung.
Fenster am Markt
Bisher stellen geklebte Konstruktionen im Bereich des Fensterbaus eine von den Regelwerken noch nicht beschriebene Variante dar. Trotzdem sind bereits mehrere, im Detail unterschiedlich gelöste, geprüfte Produkte auf dem Markt. Sie alle funktionieren auf Basis einer in den Glasfalz oder auf den Flügelteil geklebten Glasscheibe, die dadurch sowohl das Holz vor Bewitterung schützt als auch die Aussteifung des Rahmens in Flügelebene übernehmen kann, weshalb einfachere Flügeleckverbindungen möglich werden. Daneben ersetzt die Klebetechnik Aufgaben, die bisher durch Klotzung, mechanische Befestigung und Abdichtung erfüllt wurden, wodurch das »Klebefenster« ein im Vergleich einfacher, kompakter Bauteil mit bauphysikalischen Vorteilen ist. Formale Folgen sind geringere Rahmenbreiten, also größere Glasflächen und mehr Transparenz sowie die Möglichkeit einer fassadenbündig gesetzten Glasebene.
Forschungsfeld Fassaden
Wie oben beschrieben, wird Glas als Aussteifungselement seit langem erfolgreich in der Autoindustrie eingesetzt. Diese Technik kann direkt auf den Holzskelettbau übertragen werden und zusätzliche Windverbände oder massive (Holz)Wandscheiben zur Gebäudeaussteifung überflüssig machen. Durch die linienförmige Lasteintragung ist das elastische Kleben die optimale Verbindungsmethode zur statisch wirksamen Integrierung einer Scheibe in eine Primärkonstruktion aus Holz. Die Kraftübertragung erfolgt gleichmäßig, Bauteilquerschnitte werden nicht durch Bohrungen o.ä. geschwächt. Da es jedoch bisher – abgesehen von vereinzelten Bauwerken mit behördlicher Sondergenehmigung – keine ausreichenden Erfahrungen in der baupraktischen Anwendung von aussteifenden Glasfassaden gibt, hat die Holzforschung Austria auf Grundlage vorhandener Ergebnisse der fh Bern und des ift bzw. der fh Rosenheim ein Forschungsprojekt zum Thema umgesetzt. Dabei kommen die Fachleute zu dem Schluss, dass die Holz-Glas-Verbundbauweise zur Aussteifung von Wintergärten und großen Fassaden unter Verwendung elastischer und semi-elastischer Klebesysteme geeignet ist und im Holzhausbau angewendet werden kann. Weitere Untersuchungen bezüglich statischer Bemessung, Langzeitverhalten der Verklebung und Einfluss klimatischer Randbedingungen laufen derzeit.
Der durchsichtige I-Träger
Eine andere Einsatzmöglichkeit eines geklebten Holz-Glas-Verbundes wurde an der eth Lausanne entwickelt. Dabei handelt es sich um I-Träger mit Holzgurten und einem Glassteg, die einerseits materialsparend sind, andererseits weitgehend transparente Tragsysteme erlauben. Die Wissenschaftler können für ihre Untersuchungen auf ein realisiertes Projekt zurückgreifen: Das Hauptgebäude des Hotel Palafitte in Monruz wurde mit Holz-Glas-Verbundträgern realisiert und dient als Grundlage für Erkenntnisse über die mögliche Biegebeanspruchung von vorgespanntem, mit Holz »bewehrtem« Glas.
Das Forschungsprojekt
»Statisch wirksame Holz-Glas-Verbundkonstruktionen zur Aussteifung von Holzbauten« wird im Rahmen des Kompetenzzentrums Holztechnologie an der Holzforschung Austria unter der Leitung von Dipl.-HTL-Ing. Klaus Peter Schober und DI Georg Neubauer durchgeführt.
Kontakt
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