Dendrochronologie ist ein Forschungsbereich, der auch für Laien bemerkenswert gut nachvollziehbar und im Wesen ganz einfach ist: Es geht um die – je nach den herrschenden Bedingungen breiteren oder schmäleren – Jahrringe der Bäume und das, was aus ihnen abgelesen werden kann.
Als »Vater der Dendrochronologie« ist der amerikanische Astronom Andrew Ellicott Douglass (1867 – 1962) in die Geschichte eingegangen. Er versuchte – allerdings erfolglos – anhand von Jahrringen einen Zusammenhang zwischen Sonnenfleckenaktivitäten und dem Klima nachzuweisen und erstellte als Erster eine Datensammlung mit Abfolgen von charakteristischen Jahrringverläufen.
In Österreich hatte bereits 1881 der damalige Direktor der Forstakademie Mariabrunn, Arthur Freiherr von Seckendorff-Gudent, über einen der charakteristischsten Bäume des Landes, die Schwarzkiefer publiziert und – ebenso wie später Douglass – Rückschlüsse auf Alter, klimatische Verhältnisse und Bewirtschaftungsmethoden aus dem Verlauf der Jahrringe gezogen.
Die Methode
Die Dendrochronologie dient der Altersbestimmung von Holz(fund)stücken, um bau-, klima- oder kulturhistorisch relevante Datierungen vornehmen zu können. Dabei wird von einem lebenden Baum, dessen Alter anhand der Anzahl der Jahrringe eindeutig bestimmbar ist, ausgegangen. Je älter dieser Baum ist, umso weiter reicht die Datierung zurück. Das Bild seiner Jahrringe kann in eine für die Zeit, den Standort, die Baumart und die herrschenden Bedingungen charakteristische Kurve übersetzt werden. Abweichungen – z. B. aufgrund kleinräumlich unterschiedlicher Standortverhältnisse – können zwar zu Unschärfen führen, diese werden aber durch »cross-dating« (die Berechnung einer »Mittelkurve« anhand mehrerer paralleler bzw. sich altersmäßig überlappender Proben) behoben. Verschiebt man nun die Jahrringkurve einer Holzprobe entlang einer vorhandenen, lückenlosen Referenzchronologie und findet eine Übereinstimmung, die über mindestens 30bis 50 Jahrringe reicht, dann kennt man das genaue Alter der Probe oder kann es zumindest auf wenige Jahre eingrenzen, falls der äußerste Jahrring vor der Rinde, die sogenannte Waldkante, fehlt. Darin besteht auch einer der wesentlichen Unterschiede zur C14-(Radiokarbon-)Methode: Während die Dendrochronologie genaue Jahreszahlen liefert, ist dieC14-Methode eine Eingrenzungsmethode, da immer ein Streubereich vorhanden ist.
Aufbau einer Chronologie
Die am weitesten zurückreichende Jahrringchronologie ist die »Süddeutsche Eichenchronologie« (Universität Stuttgart-Hohenheim). Sie deckt einen Zeitraum von etwa 12.000 Jahren ab und reicht damit bis in die Eiszeit, kann aber natürlich nur zur Datierung von Fundstücken aus der Region herangezogen werden.
In Österreich wurde eine Schwarzkiefer aus Waldegg im Piestingtal mit 834 Jahren als ältester bekannter lebender Baum identifiziert. Will man Proben datieren, die älter sind oder aus anderen Regionen stammen, so muss auf andere Chronologien zurückgegriffen bzw. müssen diese erst aufgebaut werden.
Im Zusammenhang mit dem Fund einer prähistorischen Holzstiege im Hallstätter Salzbergwerk 2001 wurde mit »subfossilen Hölzern« (unbearbeitetes, konserviertes Nass- oder Trockenholz, also aus Mooren, Seen, Gletschern oder Wüstengebieten) eine Fichten-Chronologie aufgebaut, die bis 1526 v. Chr. zurückreicht und wofür der »Schwarze See« am Dachsteinplateau und das Karmoos-Moor in Hallstatt beprobt wurden; auf diese Weise konnte vom dendrochronologischen Labor der BOKU Wien nachgewiesen werden, dass die Bäume für den Bau dieser Stiege 1344 v. Chr. gefällt wurden.
Anwendungsgebiete
Neben der Archäologie sind Klimaforschung, Bauforschung und Kulturgeschichte die wesentlichen Beschäftigungsfelder der Dendrochronologen. So bietet das Jahrringlabor der BOKU Wien die Altersbestimmung von Gebäuden als Dienstleistung im Bereich des Denkmalschutzes und der Bauforschung an. Zurzeit wird unter anderem an der systematischen dendrochronologischen Beprobung aller mittelalterlichen Kirchendachstühle in Ostösterreich gearbeitet. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Rekonstruktion der historischen Wald- und Holznutzung gewidmet.
Die Arbeitsgruppe Dendrochronologie an der Universität Innsbruck beschäftigt sich hingegen mit Fragen der Klima- und Umweltentwicklung im hochalpinen Raum nach der Eiszeit. Hier kann anhand von Holzproben die Entwicklung der Gletscher oder des Verlaufs der Waldgrenze nachvollzogen werden.
Interessant sind in diesem Zusammenhang die Unterschiede, die in der Analyse von Hölzern aus Ostösterreich und aus dem Hochgebirge beachtet werden müssen: Eine niederösterreichische Kiefer reagiert in erster Linie auf Niederschlag, d. h. regenarme Phasen machen sich im Wesentlichen unabhängig von der Lufttemperatur in Form schmaler Jahrringe bemerkbar. Bei Bäumen aus dem hochalpinen Bereich, wo allein über die Taubildung immer etwas Feuchtigkeit vorhanden ist, ist die Niederschlagsmenge weniger ausschlaggebend als die Temperatur bzw. die Länge der Vegetationsphase in einem Jahr. Daraus lässt sich auch folgern, dass die Dendrochronologie Aufschlüsse über die klimatischen Bedingungen zwischen Frühling und Spätsommer eines Jahres erlaubt, nicht aber – wie manchmal missverständlich dargestellt – über den »kältesten, wärmsten oder schneeärmsten Winter seit Menschengedenken«.
(Zeitschrift Zuschnitt 27, 2007; Seite 28f.)
In Österreich gibt es drei Institutionen mit einem Schwerpunkt in Dendrochronologie: Das Institut für Holzforschung derBOKU Wien, das Institut für Geographie in Innsbruck und das Interdisziplinäre Forschungsinstitut für Archäologie der Universität Wien. Hier kann im Rahmen der jeweiligen Studienrichtung eine Vertiefung im Fach Dendrochronologie erfolgen.
Institut für Holzforschung der BOKU Wien
Leitung: Dr. Michael Grabner
Peter Jordan Straße 82
A-1190 Wien
T +43 (0)1/47654-4268
michael.grabner(at)boku.ac.at
www.map.boku.ac.at/ holzforschung
Institut für Geographie, Universität Innsbruck
Arbeitsgruppe Dendrochronologie
Leitung: Dr. Kurt Nicolussi
Innrain 52
A-6020 Innsbruck
T +43 (0)512/507-5401
kurt.nicolussi(at)uibk.ac.at
www.uibk.ac.at/geographie
Interdisziplinäres Forschungsinstitut für Archäologie der Universität Wien
Archäologiezentrum
Leitung: Dr. Otto Cichocki
Franz Klein-Gasse 1
A-1190 Wien
T +43 (0)1/4277-40401
otto.cichocki(at)univie.ac.at
www.univie.ac.at/vias [an error occurred while processing this directive]
Weiterführende Links
• Dendrochronologie auf Wikipedia
• Labor für Dendrochronologie der Stadt Zürich
• Institut für Ur- und Frühgeschichte der Uni Köln - Dendro-Labor
• International Tree-Ring Data Base (USA)
• Ultimate Tree-Ring Web Pages