Eigentlich sollte die Kirche ja längst nicht mehr an diesem Ort stehen. Sie war gedacht und gebaut als vorübergehender Gottesdienstraum in einem Umfeld, das städtebaulich, sozial und auch pastoral erst erschlossen wurde. Die Kirche war mit dem Anspruch entwickelt worden, eine Lebensdauer von 40 Jahren und eine zweimalige De- und Neumontage leisten zu können. Es ist nicht ungewöhnlich, für eine solche Bauaufgabe Holz zu verwenden. Denn Holz als Material für christliche Kirchen hat insbesondere dort eine Tradition, wo sich die Gemeinden erst formieren mussten. Auch in Wien gab es dafür rezente Vorbilder: Der Prälat Josef Gorbach errichtete alleine in Wien vor und nach dem Zweiten Weltkrieg 22 Notkirchen.
Holz als Baustoff wurde hier häufig verwendet, weil es als Material kostengünstig war und einen hohen Anteil an Eigenleistung der Gemeindemitglieder zuließ. Doch bereits die Benennung als Not- oder Barackenkirchen suggerierte, dass es sich dabei jeweils nur um Gotteshäuser mit Ablaufdatum handelte. Davon unterschied sich Uhls Raumverständnis wesentlich. Für ihn war architektonischer Fortschritt immer mit der Verwendung neuester Baumaterialien und -techniken verbunden – der moderne Stahlbetonträger oder Leimbinder als Äquivalent zum Strebepfeiler der Gotik. Auch ist die Vorstellung einer sakralen Stimmung eines Raums ein Produkt des 19. Jahrhunderts und konnte unter Rückbesinnung auf die urchristliche Form des Gottesdienstes für die Architektur der Gebäude nicht bestimmend sein. Denn das, was einen Raum als Kirche definiert, ist für Uhl nicht deren Konstruktion oder Material, sondern die in ihr stattfindende Versammlung der Gläubigen.
Ottokar Uhl hatte bereits in der Wiener Siemensstraße eine demontierbare Kirche gebaut, das Ergebnis eines mit dem Soziologen Erich Bodzenta gemeinsam entwickelten Konzepts: Mit mobilen und in ihrer Größe veränderbaren Kirchen könnte, so die Überlegung, in noch unfertigen Siedlungsgebieten rasch ein seelsorgerisches Angebot geschaffen werden, bis die Situation geklärt sei und eine neue, ortsfeste und von den sozialen und pastoralen Anforderungen her abgesicherte Kirche gebaut werden könne. Infolge seiner Begegnung mit Konrad Wachsmann war Uhl aber auch davon überzeugt, dass eine Erneuerung der Architektur nur über eine Erneuerung der Bedingungen des Bauens möglich sei: Vorfertigung und Industrialisierung als Gelegenheit, architektonisch grundsätzliche Fortschritte zu erzielen. Auch theologische Gründe förderten diese Entwicklung: In der Aufbruchsstimmung des 2. Vatikanischen Konzils entsprachen nicht ortsfeste Kirchen der allgemeinen Stimmung des »Volkes Gottes gemeinsam auf dem Weg«.
Die Kirche in der Siemensstraße war in jeder Hinsicht ein Experiment. Bautechnisch verlangte Uhl mehr, als die Technologie damals zu leisten imstande war. Insbesondere das Lichtdach war von Beginn an undicht, und es gelang auch nicht, es dauerhaft abzudichten. Die Kirche war verhältnismäßig teuer, was vor allem auf die Stahlkonstruktion aus Deutschland (für die damals noch hohe Einfuhrzölle zu zahlen waren) zurückzuführen ist.
Aus diesen Gründen wurde die ursprüngliche Idee, das Modell Siemensstraße öfter zu bauen, nicht weiter verfolgt, als es kurz darauf Bedarf an einer weiteren provisorischen Kirche gab. Uhl prüfte verschiedene Konstruktionsarten auf ihren Einsatz als demontable Struktur und kam letztendlich auf eine vorgefertigte Holzkonstruktion. Diese bestand aus vier, ein Quadrat von 15 Metern Seitenlänge aufspannenden Holzträgern auf Stützen, die in sich aus zwei parallel verlaufenden Leimbindern (Hetzerbindern) bestanden. Diese Träger gaben zwei unterschiedliche Höhen vor: Die Oberkante definierte die Höhe des mittleren Teils (5,0m), die Unterkante (2,5m) die Höhe der Seitenteile. Ein umlaufendes Oberlicht zwischen Haupt- u. Sekundärbalken des Trägers leuchtet den Raum hell aus. Diese Konstruktionsart ermöglichte einen stützenfreien Raum, der funktional frei disponierbar und auch prinzipiell erweiterbar war. In diese Tragstruktur zog man im mittleren Bereich zwei zusätzliche Träger ein, in die Deckenelemente mit 2,5 mal 5,0 Metern gelegt wurden. Sowohl die Träger als auch die Decken- und Wandelemente waren vorgefertigt. Die Bauzeit vor Ort konnte so auf sieben Wochen reduziert werden – 1967 ein absolutes Novum.
Die Fugen zwischen den Deckenelementen des Dachs wurden mit einem Vakuumschlauch und einem Fugenband abgedichtet, ein Konstruktionsdetail, welches den dauerhaften Anforderungen im Flachdachbereich nicht Stand hielt. Dem flachen Dach wurde später (ohne Rücksprache mit Uhl) ein geneigtes aufgesetzt und der gesamte obere Bereich inklusive Holzträger verblecht. Auch im Inneren kam es zu einigen Veränderungen: Die Ausrichtung wurde gedreht, die ursprünglich auf drei Seiten um den Altar angeordneten Bänke wurden in eine frontale Anordnung umgestellt und die ehemals frei im Raum stehenden Einbauten in die Umgänge verbannt. Veränderbarkeit ist in Uhls Räumen immer bereits im Entwurf mitgedacht. Dass sich diese Veränderungen dann auch radikal gegen die architektonische und programmatische Grundhaltung wenden können, ist die – nicht immer einfach zu ertragende – Konsequenz.
1988 wurde die ursprünglich als demontierbare Filialkirche konzipierte Kirche Heiligkreuz zur Pfarrkirche erhoben und der Hl. Katharina von Siena geweiht. Die Kühnheit des Aufbruchs verflüchtigte sich in der Pragmatik der Konsolidierung.
Planung
Arch. Ottokar Uhl, Wien
Holzbau und Statik
Wiesner Hager, Altheim
Bauzeit
1967
Fotos
© Achleitner Archiv, Bruno Klomfar