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Konstruktiv assoziativ
Haus Fischer am Grundlsee

Zahlreiche Studien bezüglich Material- und Energieersparnis gingen dem Bau des Ferienhauses von 1978 voran. Die Entscheidung fiel auf eine Holzkonstruktion im Stamm-Ast-System und der Nutzung von Solarenergie.

erschienen in
Zuschnitt 27 Zweite Lesung, September 2007
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Einer der überraschendsten Aspekte beim Haus Fischer ist seine Ausstrahlung. Es ist ein kleines Haus, ein Feriendomizil am Grundlsee, unauffällig in die Landschaft gesetzt, flach, im Vorbeifahren kaum wahrnehmbar und inzwischen dreißig Jahre alt. Trotzdem vermittelt es nach wie vor eine aufgeweckte Inspiriertheit, Freude am Experiment, am Konstruieren und daran, an die Grenzen zu gehen.

Im Jahr seiner Fertigstellung schrieb Florian Beigel in der Bauwelt: »Das Ergebnis ist zweifelhaft. Es gibt Anlaß zu einer Anzahl unterschiedlicher, bildhafter Ideenverbindungen. Die Nachbarn können es nicht leiden; die höflichste Bezeichnung ist ‚Wildfütterung‘, die auch durch Verkleidung mit Gold oder Elfenbein nicht besser werden könnte. Andere haben es Eisenbahnwagen genannt, eine Forschungsstation auf dem Mond, eine militärische Kommandostelle, einen Stall, eine Schlangenfarm, eine Fledermaus oder einen Vogel (…). Ein befreundeter Architekt, der Häuser gern mit Gestalteigenschaften bezeichnet, findet es beunruhigend. Das liegt auf der gleichen Linie wie das Fledermaus-Bild. Welches Bild auch immer, die Bedeutung liegt in der Tatsache, daß das Haus Assoziationen hervorruft, und zwar verschiedene bei verschiedenen Leuten. Man kann sagen: Es unterhält sich mit den Leuten.«

Woher bezieht dieses kleine, fast bescheidene Haus nun seine Wirkung? Die Entstehungsgeschichte ist komplex und von verschiedensten Einflüssen geprägt: Die Bauherren, eine Familie, die in London lebte, wünschte sich ein Ferienhaus, »etwas Skandinavisches«, und beauftragte die befreundeten Architekten Frey und Beigel mit der Planung. Diese hatten, nach gemeinsamen Jahren bei Ove Arup, kurz zuvor ein eigenes Büro in London gegründet und interessierten sich besonders für die konstruktiv-geometrischen sowie für die energietechnischen Aspekte des Bauens. Hintergrund dafür war unter anderem die Ölkrise von 1973. Die finanziellen Mittel, die zur Verfügung standen, waren begrenzt, umso besser traf es sich, dass Konrad Frey im Lauf der Planungszeit nach Österreich zurückgekehrt und Mitarbeiter am Institut für Umweltforschung in Graz (dem heutigen Joanneum Research) geworden war. So konnten Forschungsgelder sowie eine Förderung vom Österreichischen Ministerium für Wissenschaft und Forschung lukriert und umfassende Studien und Recherchen finanziert werden.

Die Entscheidung für eine Holzkonstruktion fiel sowohl aus ökologischen als auch aus Gründen des Standorts. Holz schien das für die Region geeignete Material zu sein, und so wurde mit der Ausführung auch ein Zimmermeister aus Grundlsee beauftragt, zugleich Bürgermeister der Ortschaft, der dadurch zum Teil heftige Interessenkonflikte zu bewältigen hatte.

Ziel der Architekten war die Entwicklung einer Konstruktion, die maximales Volumen bei minimalem Materialbedarf unter Berücksichtigung der Schneelast von – damals noch – 450kN/m² und minimaler Biegebeanspruchung bewältigen würde. Beraten von Ted Happold entwickelten und prüften Frey und Beigel sechs verschiedene Tragstrukturen, bevor sie sich für ein hauptsächlich druck- und zugbelastetes räumliches Stamm-Ast-System entschieden, das schließlich von Anton Riedlbauer gerechnet wurde. Das Dach wird nun von verzweigten Baumstützen getragen, die eine Spannweite im Raster von 3,60 Metern erlauben und mittels herkömmlicher Zimmermannsarbeit hergestellt werden konnten.

Alle Entscheidungen betreffend Konstruktion, Materialwahl und Form wurden unter dem Aspekt der Material- und Energieersparnis getroffen. Das Haus folgt der Geländeneigung, indem es gestuft und leicht abgehoben auf Punktfundamenten in den Hang gesetzt wurde. Ausrichtung und Dachform berücksichtigen den Sonnenstand im Lauf des Jahres und zielen auf Maximierung der Beschattung im Sommer und des Lichteinfalls im Winter. Diese bekannten Maßnahmen wurden allerdings ergänzt durch Eingriffe, die völlig neu waren und das Haus als »erstes Sonnenhaus Österreichs« bekannt machten: Entlang der Südwand erstreckt sich eine massive, dunkle Speicherwand. Diese ist verglast und dient dazu, die Sonnen- in Wärmeenergie umzuwandeln und über ein Wasserrohrnetz, das mit einer Fußbodenheizung verbunden ist, in das Haus zu leiten. Der französische Ingenieur Félix Trombe hatte dieses System in den 1960er Jahren entwickelt. Bemerkenswert ist, wie die Hangneigung dazu ausgenutzt wurde, die Sonnenwand in die Südfassade zu integrieren, ohne diese formal zu dominieren.

Ein anderes Experiment war die Installierung von Solarkollektoren auf dem Dach für Brauchwasser und einen Heizungsanteil. Diese wurden damals aus Heizkörpern »gebastelt«, allerdings nach einigen Jahren als für ein Ferienhaus unwirtschaftlich wieder entfernt. Doch nicht nur die Energiemaßnahmen hatten Pioniercharakter. Auch die Wahl damals neuer Materialien (französisches billiges Kistensperrholz aus harzreicher Föhre, für die Außenfassade mit Silikon verfugt, grüne Bitumenschindeln auf dem Dach) und Grundriss waren geprägt von Fantasie und Innovationsgeist. Auf die Frage, was er heute anders machen würde, antwortet Konrad Frey: »Konstruktiv betrachtet ist die Holzknotenausbildung zu aufwendig. Es wäre besser gewesen, die schwierige Geometrie ausschließlich im Stahlknoten auszuführen und die Holzprofile rechtwinklig abzuschneiden. Die Holzträger, welche die Außenhaut durchdringen, hätten aus Leimholz sein müssen, denn so geht wegen der durchgehenden Schwindrisse viel Luftwärme verloren. Insgesamt wurden die Holzquerschnitte stärker dimensioniert, als das mit heutigen 3D-Berechnungsmethoden möglich wäre. Die Sperrholzfassade samt den Silikonfugen hat sich – mit mehreren Alkydharzanstrichen über dreißig Jahre – gut bewährt.« Inhaltlich beruft er sich auf die Zufriedenheit der Bauherren, die für die Beurteilung der Qualität des Hauses wohl ausschlaggebend sei, und erzählt, dass er gerade ein Nebengebäude und die Erweiterung eines der Schlafzimmer plant.

Für das Haus Fischer gibt es weder Vorbilder, noch scheint es selbst direkt zum Vorbild geworden zu sein. Trotzdem hat es Wirkung entfaltet, nicht zuletzt deshalb, weil es nach wie vor im ursprünglichen Sinn genutzt wird, immer noch zugleich bescheiden und selbstbewusst eine moderne Haltung transportiert und die Überlegungen, die vor über dreißig Jahren seine Entstehung bestimmt haben, heute zum Planungsalltag gehören.

Planung

Arch. DI Konrad Frey
Rupertistraße 79
A-8075 Graz
mit Arch. DI Florian Beigel, London

Beratung

Institut für Umweltforschung, Graz
Ingenieurbüro Ted Happold, Bath, (UK)

Statik

DI Dr. techn. Anton Riedlbauer, Graz

Holzbau

Zimmermeister Ernst Köberl, Grundlsee

Bauzeit

1977 – 78

Fotos

© Architekturbüro Konrad Frey, Eva Guttmann


verfasst von

Eva Guttmann

ist Autorin, Lektorin und Herausgeberin im Fachbereich Architektur

Erschienen in

Zuschnitt 27
Zweite Lesung

Wann in den Redaktionssitzungen die Idee aufgetaucht ist, einen Zuschnitt über »Klassiker« des Holzbaus zu machen, lässt sich nicht einmal mehr anhand der Protokolle einwandfrei feststellen. Tatsache ist, dass das Thema wieder und wieder besprochen, verworfen und vertagt wurde, trotzdem nie ganz aus der Diskussion geriet und schließlich als Inhaltsschwerpunkt für diese Ausgabe gewählt wurde.

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Zuschnitt 27 - Zweite Lesung