In den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts waren viele Architekturstudenten auf der Suche nach Entwurfsmethoden, die rational nachvollziehbar sein und möglichst zwingend zu einem guten Ergebnis führen sollten. Christopher Alexander, ein Architekt mit österreichischen Wurzeln, bot mit seinen damals nur in Englisch erhältlichen Büchern »A Pattern Language« (1977) und »The Timeless Way of Building« (1979) eine umfassende »Entwurfstheorie«, die auch praktisch erprobt werden konnte. Alexander postulierte, dass Bauen ähnlich wie eine Sprache funktionieren müsse; es gebe gleichsam Wörter, die sich nach grammatikalischen Regeln zu Texten zusammenfügten. Diese Sprache des Bauens sei den Menschen früherer Epochen selbstverständlich und ohne größere Anstrengung geläufig gewesen, während sie in der jüngeren Vergangenheit zerfallen sei, bis schließlich das Gestammel heutiger Vorstädte übrig geblieben sei.
»A Pattern Language« bietet eine höchst liebevolle und akribisch analysierte Sammlung von »Patterns«, in sich stimmigen Elementen eines menschlichen Lebensumfeldes, die mit wunderschönen, recht nostalgischen Schwarzweißfotos dokumentiert sind. »Pattern« hat wahrscheinlich keine genaue deutsche Entsprechung – bei »Muster« denken wir zu sehr an »Vorlage oder Rezept«; eher zutreffend wäre aber das »Strickmuster«, der Ausschnitt eines vielschichtigen, dehnbaren Geflechts.
Die »Patterns« beginnen bei der überregionalen Planung von Straßen und führen über die Siedlung, den Verband von mehreren Häusern, das Haus selbst und seine Umgebung bis hin zur Konstruktion eines Gebäudes und zu Details des Möbelbaus. »The Timeless Way of Building« ist praktisch die Gebrauchsanweisung für die »Pattern Language«, die theoretische Grundlage.
Alexander lieferte mit seinem Café bei der Ausstellung »Forum Design« 1980 in Linz selbst ein vielsagendes Anwendungsbeispiel seiner Theorie. Er verwendete Holz, weil ihm die österreichische traditionelle Holzbautechnologie einigermaßen vertraut war und mit ihr in kurzer Bauzeit laufende Abstimmungen und Adaptierungen am Bau selbst möglich waren. Alexander-Kenner beurteilten das Linz Café zwiespältig.
Peinlich war es, weil evident wurde, wie zufällig und spannungslos das Ergebnis dieses Entwurfsprozesses war. Das Linz Café ähnelte in vielem unserer Architekturfolklore und unterschied sich von dieser vor allem durch seine hölzerne Fremdheit, die an die Filmkulisse eines Wildwest-Saloons erinnerte. Die Schwächen der »Pattern Language« äußerten sich in einer mangelnden »formalen«, plastischen, räumlichen Qualität. Eine der Ursachen scheint mir ironischerweise ausgerechnet die Vernachlässigung der »sprachlichen« Ebene der Architektur zu sein, jener Ebene, die mit Bedeutung und Symbolik aufgeladen und für die meisten Benützer zwar unbewusst, aber deshalb nicht weniger wirksam ist. Ein anderer Grund liegt wahrscheinlich im pauschalen Negieren der sinnlich-räumlichen Errungenschaften der Moderne, die ja nicht zuletzt geänderte Lebensverhältnisse und legitime sinnliche Bedürfnisse widerspiegeln.
Witz hatte dieses Gebilde vor allem als absurder Kopf, als Antithese des »Designzelts« von Haus-Rucker-Co, als Gegenpol zur Ausstellung, in der schon am Beginn des Designbooms dessen Fragwürdigkeit spürbar wurde und die das Linz Café auf den Punkt brachte, ohne eine wirkliche Alternative aufzuzeigen. Es war im positiven Sinn die Pointe eines Witzes. Der isolierte Wiederaufbau des Linz Cafés, der für das Kulturjahr 2009 ins Auge gefasst wird, wäre deshalb ohne die Designausstellung das Wiedererzählen einer Pointe ohne Witz.
Umso mehr ist Alexanders »A Pattern Language« eine zweite Lesung wert. Sie könnte nicht zuletzt dem österreichischen Wohnbau, der sich als notorischer Nachkriegswohnbau zunehmend mit den (un)sinnlichen Standards der 1950er und 1960er Jahre zufrieden gibt, so manchen heilsamen Anstoß geben. Dies ist umso leichter möglich, als niemand geringerer als Hermann Czech die deutschen Übersetzungen »Eine Muster-Sprache« und »Das Linz Café« bei Löcker herausgegeben hat.
Literatur
Christopher Alexander u. a.: Eine Muster-Sprache
Hermann Czech (Hrsg. und Übersetzung)
Löcker, Wien 1995 ff
1.320 Seiten
ISBN 3-85409-179-6
108.- Euro
Christopher Alexander: Das Linz Café
Hermann Czech (Hrsg. und Übersetzung)
Löcker, Wien 1981
94 Seiten
ISBN 3-85409-021-8
(vergriffen)
Info
Text
Arch. DI Wolfgang Pöschl
1971 – 80 Architekturstudium in Innsbruck
1972 – 76 Leiter der väterlichen Tischlerei
anschließend mehrjährige Mitarbeit bei Heinz-Mathoi-Streli und Zusammenarbeit mit Reinhard Honold
2001 Gründung der tatanka gmbh mit Joseph Bleser und Thomas Thum
Fotos
© OÖ Landesmuseum, Archiv Haus-Rucker-Co