Eine der vielen Geschichten, die immer wieder aus der Symbiose von aufmerksamer Architektur, engagiertem Handwerk und beherzten Kleinstgemeinden entstehen und die in Vorarlberg irgendwie stets gut ausgehen.
Alles begann damit, dass Manfred Fitz aus Egg, der letzte Trachtenfärber im Bregenzerwald, altersbedingt seinen Betrieb schloss. Der Fortbestand der traditionsreichen Leinenjuppe, der schwarz gefärbten und hundertfach gefältelten Tracht der Bregenzerwälderinnen war in Gefahr. Die Gemeinde Riefensberg zeigte sich mit Unterstützung des Landes bereit, im Wirtschaftsteil des alten Gasthofs »Krone« eine neue Trachtenfärberei einzurichten, die für den anhaltenden Bedarf an Juppen die Stoffe liefern und Besuchern einen Einblick in den Herstellungsprozess geben sollte.
Der Bregenzer Architekt Gerhard Gruber, der seit Jahren mit großer Sorgfalt, in enger Verbundenheit mit dem Kulturraum und mit dem Wissen um das Potenzial der Bauten, um ihre Bedeutung und Integrität plant, wurde mit der Adaptierung des Wirtschaftstrakts beauftragt.
Im Untergeschoss des Gebäudes entstand die Färberei. Der ursprünglichen Raumaufteilung Rinderstall, Pferdestall und Heustock folgend, sind hier die drei wesentlichen Arbeitsbereiche Appreturküche (schwarz färben und stärken mit Leim), Glästraum (Glänzen) und Fältelraum (Plissieren*) untergebracht. Für den Umbau wurden die alten Raumkonturen nicht verändert, lediglich einige Öffnungen versetzt oder neu geschnitten.
Ein klassisches Paradox der Baukunst
Die Geschlossenheit von holzverkleidetem Speicher- und Wirtschaftsgebäude ist eine der morphologischen Grundkonstanten vieler bäuerlicher Traditionslandschaften. Die Neunutzung der Tenne eines Bregenzerwälderhauses als Schauwerkstatt und Präsentationsraum für ein Trachtenfärbemuseum verlangt aber nach Licht und Öffnung. Beim unbefriedigenden Versuch, in den geschlossenen Baukörper des Tennengebäudes Fensteröffnungen einzuschneiden, entstand die Idee, die gesamte Giebelseite in eine homogene Glasfront zu verwandeln. Große Strukturglastafeln in esg-Qualität im Format von 200 x 76 cm wurden schließlich als zartes Glaskleid über die kräftigen Versalien historischer Zimmermannskunst gespannt. Eine wohlgesetzte Hausbeschriftung führt diese grafisch lineare Anmutung logisch weiter.
Von der Geschlossenheit zur Homogenität
Ursprünglich war die Verwendung stransparenter Kunststoffplatten geplant gewesen, schließlich wurde aber eine Glaskonstruktion realisiert. Möglich war dies durch die Zusammenarbeit mit dem Glas- und Metallbauer Rudolf Meier aus Bezau. Im Wissen um seine Kompetenz vertraute man ihm die Details der Ausführung an. Das Resultat war ein Glashalterungssystem, das horizontal geschuppt ist und dessen senkrechte Fugen mit Silikon abgedichtet sind.
Inhalt und Gehäuse
Aus Gründen der Ökonomie in Bau und Betrieb entschied man sich dafür, den Gesamtraum nicht zu temperieren und die Juppenwerkstatt saisonal zu betreiben. Dies erleichterte den Umgang mit dem Bestand und führte zu einer synchronen Präsentation von Inhalt und Gehäuse. Die neu gewonnene Lichtfülle zeigt die herbe Schönheit des Bestands. Alt und Neu treten als Gebrauchsarchitektur auf und thematisieren zugleich Handwerk und Konstruktion. Die Dachuntersicht im Streiflicht lässt sich als handwerkliche Arbeit, aber auch als ästhetische Struktur lesen. Ähnlich verhält es sich mit dem unbehandelten, meist sägerauen Tannenholz der Möbel und Einbauten.
Die Nähstube
Dem Anliegen des Trachtenverbands nach einem ganzjährig nutzbaren Platz für Nähkurse entsprach der Architekt mit einem frei eingestellten, wärmegedämmten und abgeschlossenen »Raum im Raum«. Großzügige, mit Edelstahlhaltern geklemmte Isolier-Verglasungen an den Längsseiten machen ihn selbst zur Vitrine für die Schaustücke im Inneren.
Diese eingestellte warme Stube übernimmt auch für die Fassade eine wichtige Funktion. Decke und Boden steifen über massive, aber diskrete Stahlflansche die Holzkonstruktion der Giebelwand so aus, dass die daran befestigte Glasfassade nur minimalen Verformungen ausgesetzt ist, denn selbst die massiven Querschnitte der historischen Zimmermannskonstruktion waren insgesamt für den Glasbau zu weich. Rudolf Meier bestand sogar auf einem geprüften Nachweis der maximalen Durchbiegung für die neue Konstruktion.
Nach dem Wesen seines Projekts gefragt, meint Gerhard Gruber, die Juppenwerkstatt entspräche dem Versuch, der Musealisierung der wertvollen Bregenzerwälder Tracht, dem Dickicht und dem Staub von Jahrzehnten entgegenzuwirken und den Dialog zwischen Tradition und Fortschritt in Gang zu halten.
* Die in Riefensberg aufgestellte Plissiermaschine wurde von einem Bregenzerwälder Schlosser in jahrelanger Handarbeit gebaut, nachdem er eine auf der Pariser Weltausstellung 1889 ausgestellte Maschine detailgetreu abgezeichnet hatte, und ersetzt seither das sonst sehr aufwändige »Fälteln« von Hand. www.juppenwerkstatt.at
Eine ehemalige Tenne wird zum Trachtenfärbemuseum: Um ausreichend Tageslicht ins Innere zu bringen, wird die Holzverschalung einer ganzen Giebelwand durch eine geschuppte Glasfassade ersetzt.
Ein Raum im Raum: Die Nähstube ist der einzige temperierte Bereich in der Werkstatt. Decke und Boden der Box haben aber auch konstruktive Funktion – sie steifen die Giebelwand aus.
Schnittzeichnung
Planung
Arch. DI Gerhard Gruber
Kaiserstr. 27
A-6900 Bregenz
T +43 (0)5574 /46963
gruber.architektur(at)aon.at
Statik
Rudhart + Gasser
Bregenz
Holzbau
Zimmerei Bilgeri
Riefensberg
Fertigstellung
2003
Text
Mag. arch. Robert Fabach
geboren 1962 in Leoben
Architekturstudium an der Hochschule für angewandte Kunst, Wien
Forschungsarbeiten im Nahen Osten und in den USA
lebt seit 1998 in Bregenz
seit 2001 Architekturbüro raumhochrosen mit den Schwerpunkten Bauen – Vermittlung – Reflexion gemeinsam mit Heike Schlauch
Autor von Beiträgen für Kultur- und Fachzeitschriften sowie Buchprojekte zur Architektur in Vorarlberg