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Warum Holz im Bürobau vorne dabei sein muss

erschienen in
Zuschnitt 61 Arbeiten in Holz, März 2016

Die Historie des modernen Bürobaus: vom Einzelbüro, aneinandergereiht an langen Gängen, zum Großraum mit Reihen von immer gleichen Arbeitsplätzen und zu aktuellen Bürokonzepten, die größere Flexibilität und Individualität erlauben. Wer daraus schlussfolgert, dass Arbeitswelt und Büroarbeitsplätze nichts anderem als Moden unterliegen, sieht die Entwicklung und Veränderung von Büros seit den 1960er Jahren zu sehr vereinfacht. Es sind die Anforderungen an den Büroarbeitsplatz, die sich stark geändert haben. In den Jahren des Wirtschaftswunders, als sich unerwartet rasch Aufschwung und Wohlstand gefestigt hatten und Expansion möglich wurde, war das Großraumbüro Ausdruck einer neuen Unternehmensphilosophie. In den nun gebauten Räumen manifestierte sich Transparenz in betrieblichen Abläufen, Effizienz durch den Wegfall von Wegstrecken und ein neues Prinzip der Gleichbehandlung, das Hierarchien flacher erscheinen lassen sollte. In der Teeküche bereitet sich auch der Abteilungsleiter seinen Kaffee selbst zu.

Neue Technologien, die Globalisierung und ein demografischer Wandel (Frauen werden heute später Mütter und wollen nicht aus Berufsleben und Karriere aussteigen) haben die Arbeitsorganisation seither stark verändert. Heute sind die Gründe zur Entscheidung für ein Großraumbüro weniger ideologischer als vielmehr ökonomischer Natur. Ein Unternehmen, das von der Zellenstruktur auf ein Großraumbüro umstellt, kann bis zu einem Drittel der Kosten für die Flächen einsparen. Flächeneffizienz heißt das Ziel, Wege und Maßnahmen sind jedoch neu.

Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation stellt in seiner Studie „Office 21“ fest, dass virtuelle Projektarbeit, Computerarbeit von zu Hause oder von unterwegs künftig noch zunehmen werden. Da Teleworker, Teilzeitkräfte und Freiberufler, die ihre Kundengespräche in Cafés führen, einen Teil der Arbeit erledigen, werden in einigen Branchen (z. B. Versicherungen) schon jetzt Arbeitsplätze und Schreibtische, die einzelnen Mitarbeitern fix zugeordnet sind, reduziert. Wahlweise zu Hause zu arbeiten und sich an Bürotagen immer wieder von Neuem einen Arbeitsplatz zu suchen, mag in bestimmten Lebenslagen, etwa, wenn Kinder betreut werden müssen, von Vorteil sein. Andere Untersuchungen haben aber gezeigt, dass der Anteil jener Menschen, die solch herausfordernde Flexibilität wirklich schätzen und produktiv umsetzen können, nicht besonders groß ist. Viele sind „Gewohnheitstiere“. Sie wollen und brauchen auch täglich ihren eigenen Arbeitsplatz und das von ihnen individuell gestaltete Ambiente, um ihre Arbeitskraft optimal zu entfalten. Eine lineare Reduktion von Büroflächen nach dem Auslastungsgrad von Schreibtischen kann also nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Sich ändernde Ansprüche und Bedürfnisse verlangen von beiden Seiten Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit. Neueste Trends sind daher Open-Space-Konzepte, die individuell angepasste Arbeitsplätze und konzentrierten Rückzug zulassen, aber dazu auch Informationsaustausch, Kommunikation und Erholungspausen in gemeinsam genützten Zonen fördern. Solche Räume und Co-Working-Plätze haben dann nicht mehr viel gemein mit traditionellen Büros, sondern ähneln eher komfortablen Lounges oder dem privaten Wohnzimmer mit der gemütlichen Leseecke. Es liegt auf der Hand, dass Mitarbeiter, die in den Genuss eines solchen „Wohlfühlambientes“ kommen, mit größerer Motivation arbeiten, weil sie sich im Unternehmen wertgeschätzt fühlen.

Die Erweiterung des kontinuierlich expandierenden Unternehmens Omicron Electronics in Klaus, Vorarlberg, um 200 Arbeitsplätze folgt dem firmeneigenen Leitbild, den Arbeitsort so angenehm und attraktiv wie möglich einzurichten. Das Haus selbst ist ein perfekt detaillierter vorfabrizierter Holzbau auf dem neuesten Stand der Ausstattungsanforderungen für Green Offices: Gesundheitlich unbedenkliche Materialien, Nutzung nachwachsender Rohstoffe, geringer Energie- und Ressourceneinsatz bei Herstellung und Logistik, Recyclingfähigkeit und hoher funktionaler und ästhetischer Nutzwert. An strategisch gut gelegenen Punkten im Gebäude wurden neue Aufenthaltsbereiche geschaffen, die in ihrer außergewöhnlichen skulpturalen Ausformung belebende Kontraste zu den Büros darstellen. Eine Galerie enthält eine mit Hightech-Fräsen modellierte biomorphe Großform aus Holzschichten, die zum Sitzen, Begehen und spiraligen Aufsteigen zur nächsten Etage einlädt.

Nach den Prämissen für Green Offices hat sich auch der deutsche Fertighaushersteller KAMPA ein Pflichtenheft für seinen neuen Firmensitz auferlegt. Holzbau lag nahe, der hohe Vorfertigungsgrad und eine Gebäudehülle in Passivhausqualität sollten beweisen, dass sich eine ausgeklügelte Planungssystematik in der industriellen Holzbauweise nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich rechnet. Die Tragstruktur der sieben Etagen, die sich über einem Untergeschoss in Stahlbeton stapeln, ist ein Holzskelett mit aussteifenden Wand- und Deckenscheiben aus Brettsperrholz. Großformatige Deckenelemente enthalten die technische Gebäudeausstattung, wodurch raumhohe Verglasungen für helle, offene Großbüros möglich wurden. Zonierung und Abwechslung erfolgt mit Glaswänden, Böden in kräftigen Farben und Grünpflanzen. Die Vorteile der Baukastensystematik dieses Gebäudes – optimale Vorfertigung, kurze Bauzeiten, wenige tragende Innenwände – wären durchaus geeignet, aktuelle Aufgaben im Wohnungsbau zu lösen.

Transparenz, die Firmengrundsätze ausdrücken soll, prägt auch das Erscheinungsbild des Bürohauses Framework in Portland, USA. Sein Name drückt mehr aus als Methodik und Logik der Bauweise: Er spricht von Haltung und schafft Identität. Auf einem massiven Sockel, der mit Schnitten und Rücksprüngen plastisch geformt und mit Holz verkleidet wurde, sitzt eine Glasvitrine. Sie lässt die Wärme des konstruktiven Holzinterieurs – Stützen und Deckenbalken im Kassettenraster, Deckenuntersicht in unbehandeltem Holz – von der Straße aus erahnen. Strukturell schließt dieser Bau an die Holzkonstruktionen historischer Lagerhallen in der Nachbarschaft an – auch eine Referenz.

Einen respektvollen und deshalb als gelungen zu bewertenden Umgang mit großen Strukturen im Bestand, die neue Funktionen erhalten sollen, zeigt der Einbau von Büroboxen in einen Großraum der Universität Innsbruck. Hier sollte mit kleinem Budget der Raum strukturiert werden, um Arbeitsplätze für jeweils einen Mitarbeiter als Orte der Konzentration und offene Besprechungszonen zu schaffen. Die Boxen nach dem Haus-im-Haus-Prinzip stehen frei im Großraum, der in vorgefundener Rauheit belassen wurde. Sie stehen auf Rädern und können bei Bedarf zusammengeschoben oder auseinandergerückt werden, um die räumliche Organisation des Instituts für Architekturtheorie flexibel zu halten. Stromauslässe sind an der Decke, Lampen werden einfach mit Haken abgehängt. Immer wieder gepackt und umgeparkt – das sollte auch Körper, Geist und (Architektur-)Theorie beweglich halten können.

Weit mehr als einen Arbeitsplatz bietet der Fassadenplaner FOB seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im neuen Firmensitz, dem Office off, das die Architekten heri&salli unter Einbeziehung der späteren Nutzer von Beginn an als „Arbeitslandschaft“ konzipiert hatten. Eine ganze Reihe von Zusatzfunktionen wurde umgesetzt, die das Büro zum Wohlfühlort machen sollen: Fitnessraum, Zonen des Treffens und Ruhebereiche, Sitzplätze im Freien, ein Swimmingpool, der zugleich Löschteich ist, und eine Kletterwand in der dreigeschossigen Eingangshalle machen das Gebäude zum hochwertigen Arbeitsraum, in dem sich gut mindestens acht Stunden täglich verbringen lassen. Die Bauweise – Konstruktion und Innenausbau in Holz, die Fassade aus Lärchen- und im Dachbereich aus Zirbenschindeln – und das fast energieautarke Haustechnikkonzept sind ein ökologisches Plus, das die Ganzheitlichkeit dieses umfassend auf Lebensqualität setzenden Bürokonzepts unterstreicht. Hochwertige Produktion wie in diesem Hightech-Unternehmen braucht abseits von urbanen Ballungszentren auch hochwertige Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung.

Einer anderen Bürophilosophie folgt Simon Speigner, der in Thalgau sein eigenes Büro geplant hat. Sein Architekturbüro sps-architekten zählt zu den Pionieren eines nachhaltigen Holzbaus. Als Architekt ist er Pragmatiker, wenngleich er auch immer den Stellenwert des Bauens in einem heute notwendigen gesellschaftlichen Wandel mitdenkt. Er schöpft aus angewandten Erkenntnissen und bleibt einfach in der Form. Die Ästhetik seiner Bauten resultiert aus ökonomischen und ökologischen Überlegungen und einer Vorliebe für Robustheit, die wiederum aus einer Neigung zum Lowtech zu kommen scheint. Den statisch wirksamen Kern des Bürohauses baute er aus rohem Stampfbeton mit grober Körnung und gewollten Unebenheiten, für die Innenverkleidung der hochgedämmten Riegelwände der Fassaden verwendete er OSB-Platten mit großen Spänen. Böden aus nur mit Seife behandelter, großformatiger Eiche komplettieren den Werkstattcharakter der Büroeinheiten. Frei von tragenden Innenwänden ist diese Ideenschmiede für künftige Veränderungen gewappnet.

Die hier angesprochenen Beispiele von Bürobauten liefern per se alle Argumente, die für Holz im zeitgemäßen Bürobau sprechen. Die pragmatischen: Es lässt sich schnell, weil weitgehend witterungsunabhängig bauen. Holzbauweisen wie Skelettbau lassen Flexibilität zu, sie erlauben spätere Änderungen der Büronutzung. Nachhaltigkeit bleibt keine leere Phrase, wenn die fünf wichtigsten Bedingungen für Green Offices – siehe oben – im Holzbau erfüllt werden. Nachhaltiges, ressourcenschonendes Bauen sagt außerdem viel über eine Unternehmensphilosophie aus und trägt zur Corporate Identity bei. Und last, but not least sind auch psychologische Argumente zu nennen: Holz schafft hohe Innenraumqualität, Atmosphäre und jenes Wohlfühlambiente, das von vielen, die in den Genuss solcher neuer Bürokonzepte in Holz kommen, als höchster Zugewinn ihres Arbeitsalltags gesehen wird.


verfasst von

Karin Tschavgova

studierte Architektur in Graz, seit langem freie Fachjournalistin und Architekturvermittlerin, Lehrtätigkeiten an der TU Graz

Erschienen in

Zuschnitt 61
Arbeiten in Holz

Holz ist das Material für neue Arbeitswelten. Es schafft Räume der Identität und Sympathie, der Konzentration und Atmosphäre.

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Zuschnitt 61 - Arbeiten in Holz