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Ein Vorbild für den öffentlichen Bau
Kindergarten in Muntlix

erschienen in
Zuschnitt 65 Kreislauf Holz, März 2017

Der Kindergarten in Muntlix des Architekturbüros Hein ist in vielerlei Hinsicht ein vorbildliches Gebäude. Es ist nicht nur schön und städtebaulich gut gesetzt, sondern auch ein Leuchtturmprojekt hinsichtlich Energieeffizienz und Ressourcenschonung. Bereits im Jahr 2010 wurde die Gebäuderichtlinie der EU veröffentlicht. Sie verlangt ab 2019, dass alle neu gebauten öffentlichen Gebäude in Europa „Fast-Nullenergiegebäude“ sind. Ziel der Richtlinie ist es, für den Betrieb von Gebäuden keine oder nur Energie zu verbrauchen, die in nächster
Nähe erneuerbar hergestellt wird. Beim Kindergarten handelt es sich um ein Passivhaus, das Flachdach ist mit einer nach Osten und Westen sehr flach geneigten Photovoltaikanlage belegt. Sie deckt, bilanziell betrachtet, den gesamten Energiebedarf für Heizen, Warmwasser und
Hilfsstrom. Die Verbräuche der ersten zwei Jahre zeigen, dass das Gebäude in der Nutzung mehr als ein echtes Nullenergiegebäude ist. 50 Prozent zusätzlich zu den Verbräuchen im Jahresverlauf wurden von der Photovoltaikanlage erwirtschaftet.

Ein gutes Vorbild ist das Gebäude auch hinsichtlich der Verwendung von Lowtech-Komponenten. Darunter verstehen wir langlebige Bauteile, die in der Lage sind, den Einsatz von kurzlebigeren haustechnischen Komponenten zu reduzieren. Im Fall des Kindergartens muss hier zunächst auf die hervorragende Hülle verwiesen werden, die mit einem U-Wert von 0,136 W/m2K hervorragende Dämmwerte bietet. Außerdem wurde bei dem Gebäude mit einem massiven Lehmboden gearbeitet, um ein verzögertes Auskühlen oder Erwärmen des Gebäudes durch eingebaute Masse zu erreichen. Die Holzdecken erhalten über einer Trennfolie einen Aufbau aus Stampflehm, der phasenverzögernd wirkt. Da der Fußbodenaufbau aus der Baugrube entnommen wurde und das gesamte Bauholz aus dem gemeindeeigenen Wald stammt, ist das Gebäude hinsichtlich seiner grauen Energie, der Herstellungsenergie, vorbildlich.

Der überwiegende Teil der Baumaterialien wurde direkt vor Ort abgebaut, die Wertschöpfung fand in der Gemeinde statt, transportiert wurde entweder gar nicht oder nur wenige Kilometer weit. Wären das Holz und das Bodenmaterial aus Oberösterreich zugeliefert worden, hätte die
Errichtung inklusive der notwendigen Sanierungen in den nächsten hundert Jahren 126 MWh mehr graue Energie benötigt. Mit dieser Energie könnte man das Gebäude fast zwei Jahre betreiben.

Der Kindergarten ist aber auch ein Beispiel für vorbildhafte Schadstoffvermeidung. Vor Inbetriebnahme wurde eine Luftmessung durchgeführt, die sehr gute Werte erbrachte. Die Anteile für flüchtige organische Verbindungen in der Raumluft lagen unter 100 μg/m2, die für Formaldehyd unter der Nachweisbarkeitsgrenze. Zusätzlich wurde einschließlich der Elektroverkabelung konsequent PVC vermieden. Geholfen hat hier die Prozessbegleitung durch das Servicepaket „Nachhaltig:Bauen in der Gemeinde“, das ökologische Zusatzbemerkungen für Leistungsverzeichnisse anbietet, Leistungsverzeichnisse hinsichtlich Schadstoffen checkt, die Handwerker zur Produktdeklaration verpflichtet und schließlich auf der Baustelle auf Konsistenz mit den deklarierten Produkten prüft.


verfasst von

Sabine Erber

Diplomingenieurin für Architektur, Mitarbeiterin im Energieinstitut Vorarlberg, Spezialistin für Passivhäuser und energieeffizientes Bauen.

Erschienen in

Zuschnitt 65
Kreislauf Holz

Bauen mit Holz trägt zu Klimaentlastung und Ressourcenschonung bei. Wie die Umweltwirkung von Gebäuden genau beurteilt werden kann, beleuchtet diese Ausgabe des Fachmagazins Zuschnitt.

8,00 €

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Zuschnitt 65 - Kreislauf Holz