Millimeterwerk in Holz
Das Headquarter der Swatch Group in Biel (CH) ist eine der größten Holzkonstruktionen der Welt. Seine Errichtung erforderte die Präzision eines Schweizer Uhrwerks.
Fast 5 Jahre Bauzeit brauchte es bis zur Fertigstellung des gigantischen neuen Swatch Bürogebäudes, das sich wie eine Schlange am Fluss entlang durch die Landschaft windet und das Ensemble von drei zusammenhängenden Gebäuden am Swatch-Standort komplettiert. Es erstreckt sich über 240 Meter Länge und 35 Meter Breite. Am höchsten Punkt ist es 27 Meter hoch. Entworfen hat es der japanische Stararchitekt Shigeru Ban. Die Swatch Group als Bauherr wollte ökologische Nachhaltigkeit im Firmengebäude umgesetzt haben. Shigeru Ban arbeitete einmal mehr mit seinem Lieblingsmaterial Holz, "dem einzig nachwachsenden Baustoff der Welt".
4.600 Holzbalken – keiner gleicht dem anderen
Eine mehrfach gekrümmte Holzgitterkonstruktion wölbt sich als Fassadenhülle mit insgesamt 11.000 m² Fläche über die Büroetagen im Inneren. Sie besteht aus rund 4.600 Brettschichtholz-Balken. Jeder einzelne ist ein Unikat, es gibt keine Wiederholung. Mit einem ausgeklügelten Steckprinzip wurden die Holzbalken passgenau verbunden.
Die Form und die einzelnen Träger sind riesig, die Anforderungen an die Genauigkeit waren sehr hoch. Doch das ist im Holzbau alles machbar.
Felix Holenstein, Leiter des Swatch-Projekts bei der Blumer-Lehmann AG
Bei der Konstruktion kam es auf Millimeter an. Holz lässt sich zum Glück äußerst präzise zuschneiden. Und moderne 3D-Technologie hatte dem Schweizer Holzbauspezialisten Blumer-Lehmann während der Planung geholfen, die genaue Form und Positionierung der Balken der Holzgitterschale zu definieren.
Eine besondere Herausforderung brachte die Entscheidung mit sich, die haustechnischen Leitungsführungen in die Tragwerksebene zu legen.
Felix Holenstein, Leiter des Swatch-Projekts bei der Blumer-Lehmann AG
Die Haustechnik mit allen Leitungen für Elektro, Klima und Sprinkleranlage ist in die hölzerne Tragstruktur integriert. Das erforderte einen nochmals höheren Detaillierungsgrad in der Planung, da jedes noch so kleine Bohrloch exakt eingemessen werden musste. Auch die Montage musste minutiös geplant werden. Die Trägerelemente mussten exakt in der Reihenfolge, in der die Montage erfolgt, produziert und zur Baustelle gebracht werden. Ohne dreidimensionale Planung an einem 3D-Modell wäre es nicht möglich gewesen, die richtigen Teile zur richtigen Zeit auf der Baustelle zu haben.
Stromproduzierende Gebäudehülle
2.800 Wabenelemente sind in die Holzkonstruktion eingebaut, und auch hier handelt es sich um maßgeschneiderte Einzelstücke, kein Teil gleicht dem anderen. Die Wabenelemente sind transparent, transluzent oder opak, lassen also teils Licht durch, teils nicht. 442 davon sind mit Photovoltaik-Zellen versehen. Auf insgesamt 1.770 m² Installationsfläche produzieren sie 212,3 MWh Strom - den durchschnittlichen Jahresverbrauch von 61 Haushalten. 124 hölzerne Schweizer Kreuze an der Decke verbessern durch ihre Perforierung die Akustik in den Büros. Die Büros samt Gemeinschaftsflächen verteilen sich auf 25.000 m² Geschossfläche in 5 Stockwerken.
Holz aus der Region
Verbaut wurde ausschließlich Holz aus Schweizer Wäldern, hauptsächlich Fichtenholz. 1.997 m³ Holz wurden benötigt, diese Menge wächst in den Schweizer Wäldern in weniger als 2 Stunden wieder nach. (In Österreichs Wäldern würde die Holzmenge in einer guten halben Stunde bereits wieder nachwachsen.) 1.997 m³ Holz binden etwa 1.997 Tonnen CO2. Das entspricht dem durchschnittlichen Jahresausstoß von 1.331 PKW.
Nachhaltigkeit auf ganzer Linie
Die Swatch Firmenzentrale ist ein Bau der Superlative, bei dem auch die nachhaltigen Aspekte zählten. Da ist zum einen der Baustoff Holz, zum anderen ein Energiekonzept, das einen autonomen Betrieb erlaubt. Wichtiges Element ist neben dem Photovoltaikstrom ein Grundwasserpumpsystem zur Beheizung und Kühlung. 9 unterirdische Brunnen sowie 2 ehemalige Öltanks, die zu Wasserspeichern umfunktioniert wurden, sind auf dem gesamten Areal verteilt.
Swatch Headquarter
Standort: Biel/CH
Bauherr:in: Swatch Group
Architektur:Shigeru Ban Architects, Tokyo/J
Holzbau:Blumer-Lehmann AG, Gossau/CH
Fertigstellung: 2019
letzte Aktualisierung: