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Schlussfolgerungen Modellvorhaben
Vielfältiges Nachbild, vielstimmiger Nachklang. Nachuntersuchung von zehn bayrischen Modellvorhaben in Holz.

Die Nachuntersuchung von zehn bayrischen Modellvorhaben in Holz umfasste bautechnische, wirtschaftliche und sozialwissenschaftliche Aspekte.

erschienen in
Zuschnitt 1 Wohnen im Holzstock, 1. Auflage Mai-Juni 2001
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Die bautechnische, wirtschaftliche und sozialwissenschaftliche Nachuntersuchung des Modellvorhabens stellt die Erfahrungen mit der Holzbauweise und ihre Bewertung vor allem aus der Sicht der Baubeteiligten und der Bewohner dar. Daran lassen sich auch Perspektiven für die künftige Anwendung von Holzsystembauweisen im Geschoßwohnungsbau erkennen.

Die Auswahl von zehn Wohnanlagen gibt das breite Spektrum der Gebäudetypen und ihrer Konstruktionen wieder. Sie umfasst sowohl frühe Projekte als auch Nachfolgeprojekte und unterschiedlich große Wohnanlagen mit 16 bis 132 Wohneinheiten. Von den mehrfach realisierten Gebäudetypen wurde jeweils ein Beispiel ausgewählt. Die Wohnanlagen sind regional gestreut und in sehr unterschiedliche städtebauliche Umgebungen eingebunden.

Lösungsansätze bei den Konstruktionen
Die Bauteile eines Objekts weisen nicht immer einheitliche Bauarten oder Konstruktionsweisen auf. Bei den bautechnischen Lösungsansätzen haben sich Kombinationen von Bauteilen in verschiedenen Bauarten herausgebildet: Holzrahmenwände werden zum Beispiel mit Brettstapeldecken oder Holz-Beton- Verbunddecken kombiniert. Die Gründe dafür liegen weniger im technischen oder wirtschaftlichen Bereich. Ausschlaggebend ist, dass an die betreffenden Bauteile nicht nur unterschiedliche, sondern auch jeweils sehr hohe Anforderungen gestellt sind, die mit einer »Allround-Konstruktion« kaum erfüllt werden könnten. Die Heterogenität dieser Lösungen ist also typisch für die neueren konstruktiven Ansätze geworden und sie kontrastiert vor allem mit dem amerikanischen Ansatz.

Dort wird Rationalisierung gerade durch möglichst einheitliche Konstruktion und Produktionsweise erreicht. Dieser Vorzug geht aber verloren, wenn höhere Ansprüche immer mehr zusätzliche Vorkehrungen nötig machen. Heterogenität der Konstruktionen ist allerdings ein bekanntes Problem der Bautechnik, das auch die Bauschadensforschung oft beschäftigt. Es stellt sich also vor allem die Frage, ob die Verschiedenartigkeit der Elemente - etwa schalltechnisch guter Geschoßdecken und Treppen zum Beispiel in Beton oder unempfindlicher Fassaden aus zementgebundenen Materialien - den Wohnungsbau in Holzbauweise »belastet« oder nicht. Die Modellvorhaben konnten aber zeigen, dass solche Probleme mit dem Fachwissen der Unternehmen, Ingenieure und Architekten vermeidbar oder lösbar sind.

Ausgangssituation im Konstruktiven
Unter den Konstruktionsweisen war vor allem die Holzrahmenbauweise schon allgemein bekannt, sie war bei den frühen Projekten des Modellprogramms ausschließlich eingesetzt worden. Bei den nachfolgenden Projekten wurde zum einen der Holzrahmenbau weiter entwickelt - der Vorfertigungsgrad wurde zum Beispiel erhöht - zum anderen dachten Architekten und Unternehmen über neue Möglichkeiten nach und setzten diese um. So entstand die erstmals in Aichach eingesetzte und auch in Ingolstadt- Buxheimer Weg verwendete Dickholz-Bauweise. Die Brettstapel-Bauweise, auch eine Entwicklung des modernen Holzbaus, kam im Rahmen der Modellvorhaben erstmals in Schweinfurt, also bei einem der späten - erst 1998 fertiggestellten - Bauvorhaben, zum Einsatz. Die Bewohner schätzen an dieser Bauart, dass die Holzdecke sichtbar belassen werden kann, die Wohnräume werden dadurch aufgewertet.

Erarbeitung der Konstruktionen im Projektablauf
Bei Projekten in Holzbauweise kommen Fragen der Konstruktion früher ins Spiel als zum Beispiel beim Bauen »Stein auf Stein«. Der Ansatz des Modellprogramms, zuerst einen Typenwettbewerb durchzuführen, hat dem Rechnung getragen. Eine hochwertige und kostengünstige Bauausführung erfordert auch die frühzeitige Mitwirkung des ausführenden Betriebs. Soweit mit dem Projekt zugleich ein Bausystem neu oder weiter entwickelt wird, sind auch Kooperations- und Vertragsformen wichtig, die bis in die Ausführungsphase technische Entwicklungsarbeit zulassen, ohne dass gleich teure Nachtragsangebote folgen. Viele Projektbeteiligte registrieren im Übrigen, dass beim Holzbau durchgängig eine gewisse Disziplin und Genauigkeit verlangt ist.

Vorfertigung
Eine besonders intensive Zusammenarbeit der Beteiligten fand zum Beispiel in Erlenbach statt. Architekten, Fachingenieure und Generalunternehmer bildeten ein eng kooperierendes Team, das mehrere Wohnanlagen in Folge realisierte. Der Generalunternehmer ließ die Pläne des Architekten ein Optimierungsprogramm durchlaufen, um die Holzstärken, den Holzverbrauch und den Maschineneinsatz zu optimieren. Dabei erwies es sich als Vorteil, dass durch Ausschreibung und Bauvertrag alle wesentlichen Qualitäten so weit fixiert waren, dass sie der strengen Rationalisierung nicht zum Opfer fielen. In Zusammenarbeit mit Generalunternehmer und Sanitärunternehmen wurden Installationswände entwickelt, die vorgefertigt auf die Baustelle kamen. Ein hoher Vorfertigungsgrad dieser Art trägt dazu bei, dass geforderte und erwartete Qualitäten sicher erreicht werden und er verkürzt die Bauzeit.

Hohe Vorfertigungsgrade sind mit allen hier eingesetzten Bauarten realisierbar - mit Ausnahme der Holz-Beton-Verbund-Decken bei der Verwendung von Ortbeton. Die Möglichkeiten der Vorfertigung wurden aus heutiger Sicht noch nicht bei allen Modellvorhaben ausgeschöpft, was aber auch mit den Terminbindungen zusammenhängen wird, die keine beliebigen Entwicklungs- und Rüstzeiten zulassen.

Was sollte man nachahmen, was sollte man vermeiden? Empfehlungen.

Außenwände
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Äußere Bekleidung gegen Verwitterung geschützt durch Details, die eine rasche und vollständige Trocknung nach Niederschlägen sichern (»konstruktiver Holzschutz«), etwa Brettschalungen mit gutem Wetterschutz durch Dachvorsprünge; weniger heikle Anstriche (Farbton, Produktauswahl), um auf übliche Instandhaltungsintervalle zu kommen; kritisch sind knappe Abstände der Holzverschalungen vom Boden.
_Damit Reparaturen unauffällig bleiben und sich nicht aus ästhetischen Gründen ausweiten, können vor Ort bewitterte Materialien als »Ersatzteile« für die Außenbekleidung vorgehalten werden.

Innenwände
_An Innenwänden und den Innenschalen der Außenwände sollten ohne Schaden überall Bilder und Dekorationen angebracht werden können; es sollte den Mietern bekannt und verständlich sein, wo Hängemöbel angebracht werden können und wo nicht, am besten sollte das in einem bestimmten Bereich (Höhe) umlaufend möglich sein.

Installationen
_Wichtig ist es, Konstruktion und Installation sauber voneinander zu trennen, nur so lassen sich Basteleien auf der Baustelle sicher vermeiden.
_Dies wird durch eine Holzrahmenwand mit vorgesetzter Innenschale erleichtert, eventuell ein weiterer Grund, deren Mehrkosten in Kauf zu nehmen.
_Beispielhaft ist die vorgefertigte Installationswand.

Vereinfachte Konstruktionen
_Neue Bauarten, zum Beispiel Dickholz-Bauteile und Brettstapel-Bauteile, bieten in vielen Fällen einfachere Detaillösungen.
_Dickholz-Deckenplatten können für den Laubengang einfach auskragen, es entstehen dabei keine wesentlichen Wärmebrücken (Ingolstadt).
_Brettstapeldecken können für Laubengang und Balkon auskragen, die Konstruktion hat zufrieden stellende Schallschutzeigenschaften, am Auflager ist keine akustische Trennung notwendig (Schweinfurt).
_Die oft höheren Quadratmeter-Preise dieser Bauteile können je nach Umständen dadurch kompensiert werden, dass sie einfachere Details ermöglichen.

Holzwerkstoffe
_Die Bedeutung von Bauteilen aus Holzwerkstoffen wird weiter zunehmen; so sind TJI-Träger, damals noch aus den USA importiert (München-Altperlach, Nürnberg), jetzt auch in Europa verfügbar.
_Durch die Anwendung von Holzwerkstoffen lässt sich in vielen Fällen der Materialeinsatz optimieren. Importierte Bauteile (nicht holzbauspezifisch)
_Auf das Importieren von Bauteilen wie Fenster, Türen, Schließanlage sollte verzichtet werden, wenn nicht gewährleistet ist, dass sich ohne unverhältnismäßigen Aufwand Ersatzteile beschaffen lassen. Für »sichere« Produkte besteht in der Regel eine Vertriebsorganisation im Inland.

Auswahl von Unternehmen
(gesucht waren vor allem Generalunternehmer, aber auch Einzelgewerk- Vergabe war möglich).
_Bewährter Ansatz: die als Generalunternehmer beauftragte Firma sollte sowohl im Holzbau erfahren sein, als auch die Generalunternehmer-Aufgaben qualifiziert wahrnehmen können.
_Ob Generalunternehmer von Insolvenz bedroht sind, ist bei Vergabe nicht ohne Weiteres erkennbar, zumal auch die Unternehmen selbst sich darüber unter Umständen nicht im Klaren sind oder ihre Risiken unterschätzen; dies ist insbesondere auch bei Firmen denkbar, die zuvor nicht als Generalunternehmer tätig waren; Möglichkeiten der Früherkennung sowie Auffang-Strategien müssen sich weiter entwickeln.
_Dass auch bei größeren Holzbau-Projekten eine Einzelgewerkvergabe möglich ist und gut funktionieren kann, zeigt das Projekt in Sulzbach-Rosenberg; mit dem Holzbau wurde eine Zimmerei beauftragt, diese ließ in Tschechien Elemente vorfertigen und montierte sie selbst; ein erfahrener und engagierter Bauherr übernahm die Rolle des Projektsteuerers.

Zusammenarbeit
_Unabhängig davon, welche Art von Unternehmen gewählt wird, ist die Zusammenarbeit zwischen Planung und Ausführung bei Systembauweisen und komplex ineinander greifenden Gewerken ein entscheidender Faktor für den Projekterfolg.
_Diese Zusammenarbeit ist sowohl bei Generalunternehmer- als auch bei Einzelgewerk-Vergaben möglich, das zeigen die Projekte in Erlenbach und Sulzbach-Rosenberg (Bauherr aus der Baubranche und Architekt).

Projektserie
_Sehr sinnvoll ist es, mit Folgeprojekten auf einer erfolgreichen Zusammenarbeit aufzubauen, die Projektserie war ein Ziel des Modellvorhabens; durch die Wiederholungen werden Qualität und Kosten optimiert und es stellt sich auch im Holzbau die Routine ein, die bei anderen Bauarten als gegeben vorausgesetzt wird.       

Der vorliegende Textauszug ist Teil des Buches: Wohnmodelle Bayern, Kostengünstiger Wohnungsbau; Bayr. Staatsministerium des Inneren - Oberste Baubehörde (Hg.); Verlag Callwey, München

Text:
Hannes und Rotraut Weeber
Dr.-Ing. Hannes Weeber
Dr. phil. Rotraut Weeber
Soziologin und freier Achitekt, 
Weeber & Partner Stuttgart

Erschienen in

Zuschnitt 1
Wohnen im Holzstock

Wer den Holzwohnbau propagiert, will mit Qualitäten überzeugen: leicht statt schwer, trocken statt nass, schnell statt langsam! Aber letztlich auch sagen: preiswert statt billig, absehbar statt ewig, sein statt scheinen. Das Modellvorhaben in Bayern und hochwertige Bauten in Österreich belegen: die erste Generation der Mehrgeschoßer hat die Bewährungsprobe bestanden. Zum Durchbruch braucht es einen Reformschub bei der Rationalisierung des Holzbaus und bei der Information über Holz.

8,00 €

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Zuschnitt 1 - Wohnen im Holzstock