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Werkstatt Kollerschlag

Hinter der Werkstatt Kollerschlag steht seit 1985 die Idee, bedeutende Künstler in das gleichnamige Dorf zu holen, um hier mit ortsansässigen Handwerkern die Ideen der geladenen Künstler zu realisieren.

erschienen in
Zuschnitt 3 Flächige Vielfalt, September - November 2001
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Skizzen gekonnt in Form gebracht

»Das Material ist dumm«, sagt Tony Cragg. Und es gibt so gut wie kein Material, dem er das nicht ausgetrieben hätte, das er nicht zum Träger von Idee gemacht hat. Die traditionellen Stoffe der Bildhauer Stein und Bronze verwendet er ebenso, wie ideell Wertloses: Altglas, Gummi, diverse abgebrauchte Kunststoffe. Genauso wie er eben auch mit Holz gearbeitet hat und arbeitet. Seine »Early Forms« (1991) werden einen prominenten Platz in der Neuaufstellung des Museums Moderner Kunst Wien im Museumsquartier haben. Sie sind prototypisch für Craggs Umgang mit vorgefundenem Material. Als Gussformen für Maschinenteile haben sie ausgedient, sind nutzlos geworden.

Wenn Cragg nun die Formen sandstrahlt, das Material »verjüngt« und markiert, und die Formen dann geordnet aufstellt, so werden die vermeintlich banalen Gebrauchsgegenstände plötzlich zu kostbaren Fundstücken. Dumm meint, dass Material erst in Form gebracht werden muss, um eine Seele zu erhalten. Und weil es nicht unbedingt die vorderste Aufgabe eines Künstlers ist, jeden Kniff zu beherrschen, um einen leblosen Klotz auf Aussage zu trimmen, gibt es die Werkstatt Kollerschlag. 1985 begannen die Brüder Baumüller damit, zunächst Handwerk, später auch Technologie zu vermitteln, die Leuten wie eben Tony Cragg ermöglichen, ihre Vorstellungen von Form auch real umzusetzen. Kein Mensch kannte damals Kollerschlag. Außer eben ein paar Dutzend Künstler. Die allerdings kannte jeder: Joseph Beuys, Erwin Heerich, Jonathan Borofsky, Walter Pichler, Matt Mullican, Per Kirkeby, Jeff Koons, Keith Sonnier.

Phasenweise waren die Pensionen in Kollerschlag prominenter belegt, als die Hotels während der Art Cologne. Manchmal reichte ein einfaches Fax. Jeff Koons sandte eines: Er skizzierte einen Hund, und fügte die lapidare Anmerkung bei, er wolle ihn aus Blumen aufgebaut haben - 18 Meter hoch. »Puppy«, die Skulptur zum Gießen - eine der meist fotografierten der jüngeren Kunstgeschichte überhaupt - wurde termingerecht geliefert, und nicht nur Cicciolina war begeistert. Dabei liefert die Werkstatt Kollerschlag Idee und Logistik zur Umsetzung und beauftragt örtliche Handwerker - bei Bedarf auch Tischler - mit der Umsetzung.

Die Werkstatt Kollerschlag hatte ihre Nische im internationalen Kunstgeschehen endgültig besetzt. »Made in Kollerschlag« stand immer öfter dort hinten oben, wo vorne Museum, documenta oder Biennale zu lesen war. Und dann erweiterten die Gebrüder Baumüller den Begriff der Umsetzung: Kunst im öffentlichen Raum, Kunst als Teil der Philosophie von Unternehmen, Kunst am Bau. Die Produktion von Skulpturen war eine Sache, die Entwicklung maßgeschneiderter Kommunikationspakete für große Unternehmen und die Kooperation mit Architekten, Bauherren und Kommunen die neue Herausforderung. Die Werkstatt Kollerschlag wurde zum Generalunternehmer in Sachen Kunst im öffentlichen Raum. Sie erstellt Konzepte, kuratiert oder beauftragt geeignete Kuratoren, vermittelt zwischen Auftraggebern und Künstlern und setzt die ausgewählten Entwürfe handwerklich um - in Holz oder anderem Material.

Werstatt Kollerschlag

Die Werkstatt Kollerschlag wurde 1985 von den Brüdern Heinz, Werner und Wolfgang Baumüller gegründet. Die ursprüngliche Idee war, bedeutende Künstler in das im oberösterreichischen Mühlviertel gelegene Dorf Kollerschlag zu holen und hier mit ortsansässigen Handwerkern die Ideen der Künstler zu realisieren. Neben der handwerklichen Umsetzung beschäftigt sich die Werkstatt Kollerschlag auch mit der Konzeption und Realisation von Kunstprojekten und der Integration von Kunst in das Marketing von Unternehmen.

www.werkstatt-kollerschlag.com


verfasst von

Markus Mittringer

  • lebt als freier Autor und Kunstkritiker des »Standard« in Wien

Erschienen in

Zuschnitt 3
Flächige Vielfalt

Flächen in Holz versuchen heute, konstruktive wie bauphysikalische Fragen und jene des Holzschutzes kompakt und vereinfacht zu lösen. Damit sind sie dem Massivbau näher als der Zimmermannstradition. Neue Holzwerkstoffe und -technologien setzen bisherige Grundlagen des Holzbaus außer Kraft, weil die Platten-Tektonik die klassische Trennung der tragenden, aussteifenden und schützenden Funktion einzelner, geschichteter Elemente obsolet macht. Zuschnitt untersucht, ob und wie Plattenbau und Elementbauweise die Fläche als architektonisches Element neu definiert und das Erscheinungsbild von Holzbauten verändert.

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Zuschnitt 3 - Flächige Vielfalt