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Abgehoben und seiner Zeit voraus
Berghaus Hahnenkamm in Kitzbühel

Das verschindelte Holzhaus von Clemens Holzmeister in Kitzbühel, 1930 erbaut, überzeugt durch seine Raumökonomie, seine Offenheit wie gleichermassen Geborgenheit. Seit 1944 steht es unter Denkmalschutz.

erschienen in
Zuschnitt 4 Holzaltern, Dezember 2001 - Februar 2002
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Das Berghaus Holzmeister ist ein, auf einem gemauerten Sockel stehender, verschindelter Holzbau mit Pultdach. Die Ansicht von Westen her war anfangs turmartig, wirkt heute allerdings durch das Aufkommen eines Hochwaldes weniger markant.

»Ich bin immer bemüht gewesen, mit den Neuerungen der Zeit Schritt zu halten, ständig auf dem Laufenden zu bleiben, aber auch immer die wertvolle traditionelle architektonische Kunst gegen die allzu krassen Auswüchse der modernen Bewegung zu verteidigen.« Clemens Holzmeister 1936

»Auf 1800m Höhe erbaut 1930. Nach Sonne, Schnee und Wetter in jener dem vollen Sturm ausgesetzten Höhe, nach Aufbau und Werkstoff gerichtet. Am Mauerwerk wurde, weil kostspielig, gespart, das wegen Schneeverwehung wenig bewohnbare Untergeschoß eingezogen, das Holzhaus überkragend. Dabei ergab sich die merkwürdige, wohltuende Erscheinung, daß durch den Luftzug, der durch den eingezogenen Sockel rings um das Haus entsteht, der Schnee nie an dieses herankam, sondern bei hohem Schneefall eine fast kreisförmige Wächte bildet.« Clemens Holzmeister 1937

Das Berghaus Holzmeister liegt in etwa 100m Abstand vom Haus des Kitzbüheler Malers und Architekten Alfons Walde, der seinem Jugendfreund Holzmeister das Grundstück verkauft hatte. Das Berghaus, wo 1930 zum ersten Mal Weihnachten gefeiert wurde, war Zentrum der familiären und freundschaftlichen Beziehungen Holzmeisters. Für einen überaus kommunikativen und mobilen Menschen wie ihn bildete es einen idealen Ort, um Gäste zu empfangen, mit der Familie und Freunden gesellige Tage und Abende zu verbringen, nachzudenken, oder in Ruhe zu arbeiten. Am meisten Leben herrschte im Berghaus in den 30er Jahren bis zur Emigration Holzmeisters 1938. In den Gästebüchern haben sich zahlreiche Freunde, Politiker und Künstler mit Zeichnungen und Gedichten verewigt. Während der NS-Zeit stand das Haus leer.

Aus der umfangreichen Publikation des Hauses wird ersichtlich, dass es nicht allein dem Rückzug ins Private diente, sondern von Holzmeister selbst einen paradigmatischen Platz in seinem Schaffen zugemessen erhielt.

Architektonisch wurde das Berghaus vielfach gewürdigt. Es ist, wie seine Besucherinnen und Besucher übereinstimmen, genial konzipiert, von einer einmaligen Raumökonomie, einer faszinierenden variablen Abfolge von funktional genau definierten und doch flexibel nutzbaren Räumen, einer klimatischen Zonierung, die vom beheizbaren Wohnraum zur gedeckten Veranda und weiter auf die der Sonne zugewandten Terrasse übergeht. Es bietet je nach Wetter und Stimmung größte Geborgenheit oder Offenheit. Die Veranda mit ihren nach unten versenkbaren breiten Fenstern diente als Arbeitsplatz. Schiebewände ermöglichen die Verbindung und Teilung des 37 m² großen Wohnraums in drei Bereiche. Einbaukästen sind integrierter Bestandteil des architektonischen Konzepts.

Für Holzmeister war die Tiroler Bauernstube ein Maßstab der Wohnlichkeit, nicht so sehr für seine Frau Judith (die eine Freundschaft mit Gio Ponti verband). Judith Holzmeister beeinflusste den Entwurfsprozess mit Wünschen nach einer modernen Gestaltung, einer vom Wohnraum abgetrennten Küche und einer eleganten Ausstattung des Zimmers im 1. Stock. Während die Räume im Hauptgeschoß eine Brettertäfelung aufweisen, ist das einen eigenen Wohnbereich bildende Zimmer im 1. Stock mit großflächigen »Beachpine«-Paneelen getäfelt.

Das Haus ist weitgehend im Originalzustand erhalten. Die hohe künstlerische, historische und kulturelle Bedeutung des Hauses zeigt sich formal im Umstand, dass es seit 1994 samt der originalen Inneneinrichtung unter Denkmalschutz steht. In der Begründung des österreichischen Bundesdenkmalamtes wird der Schluss gezogen: »Ohne jegliche historische Anleihen in der Form wurden dennoch alte landschaftsgebundene und traditionelle Bauweisen (nach rückwärts versetzter Betonsockel, Holzverschindelung) verwendet. Historisch gesehen stellt es einen Markstein moderner alpiner Architektur dar, in dem funktionelles Raumplanen und Naturnähe mit modifizierten Elementen lokaler Bautradition verbunden wurden.«

Textauszüge von Georg Rigeles Beitrag über das Hahnenkammhaus für die Ausstellung »one-hundred houses for one-hundred european architects of the xx century«, Milano 2001

Architekt
Clemens Holzmeister

Standort
Kitzbühel, Tirol

Fertigstellung
1930

Clemens Holzmeister
geb. 1886 in Fulpmes bei Innsbruck, gest. 1983 in Salzburg. Studium an der Technischen Hochschule in Wien bei Ferstel, Simony, König.
1919 - 24 Assistent an der Technischen Hochschule. 1924 - 38 Professor an der Akademie der bildenden Künste in Wien.
1928 - 33 Leiter einer Meisterklasse an der Düsseldorfer Kunstakademie.
1934 österreichischer Staatsrat für Kunst.
1938 - 45 lebte er ständig in der Türkei und war
1940 - 49 Professor an der Technischen Hochschule in Istanbul.
1953 Großer österreichischer Staatspreis.
1949 - 61 Professor an der Akademie der bildenden Künste in Wien.


verfasst von

Georg Rigele

Erschienen in

Zuschnitt 4
Holzaltern

Was dem Architekten gewollte Ästhetik ist - die natürliche Holzalterung - ist dem Bauherren oftmals ein unakzeptabler Effekt. Übermächtig belegt mit einer Barackensemantik wird das Vergrauen zum Grauen. Holz lebt aber, es altert und zeigt, der Witterung ausgesetzt, schon bald Veränderungen in der Materialstruktur oder an den Schutzstoffen. Nur sachgemäße Planung, die Verwendung geeigneter Materialien und sorgfältige Ausführung von Holzbauten lässt die Alterung von Fassaden zu einem kontrollierten Prozess werden. Mit geringem Unterhalt und - durch Patina veredelt - zusätzlicher Qualität.

8,00 €

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Zuschnitt 4 - Holzaltern