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Altes Wissen - neu interpretiert

Es gibt verschiedene Zugänge, sich dem Altern von Holz zu nähern. Ein Zugang ist die Geschichte von der fast ewigen Jugend. Im lebenden Baum ist die das eigentliche Holzwachstum verursachende Zellteilungsschicht so selbst regenerierend, dass sie praktisch keinem Alterungsprozess unterworfen ist.

erschienen in
Zuschnitt 4 Holzaltern, Dezember 2001 - Februar 2002
Sie besuchen eine Archiv-Seite. Möglicherweise sind nicht alle Darstellungen korrekt.

Lebende Bäume sind daher ewig jung. Die in ihrem Inneren mit jedem Jahrring anwachsende Holzmasse aus abgestorbenen Zellen kann jedoch bis zu mehreren tausend Jahren eine Stütze für den ewig jungen Baum sein und so zählt man die Bäume zu den ältesten Lebewesen.

Ein anderer Zugang zum Altern ist, sich alter Traditionen und Regeln zu bedienen, deren Einhaltung das Holz und die daraus erzeugten Produkte länger im Gebrauch hält. Unter den Schlagworten wie »vom richtigen Zeitpunkt«, »Mondholz«, »Winterholz«, »Zoachen« wird das alte Wissen um den richtigen Schlägerungszeitpunkt des Holzes und die richtige Verarbeitung derzeit intensiv diskutiert. Die Botschaft dieser Regeln ist, dass Holz, zu bestimmten Zeitpunkten geschlägert und nach tradierten Regeln verarbeitet, besondere bzw. ungewöhnliche Eigenschaften besitzt: Es brennt nicht, es reißt nicht, es schwindet nicht, fault und wurmt nicht und »... hält bis auf den jüngsten Tag«.

Von der Entzauberung alter Holzregeln§§
Aus nüchtener Sicht betrachtet wäre Holz, das nicht brennt, nicht schwindet und nicht fault, eine Sensation, die es zu beweisen gilt. Über dieses Spannungsfeld von Mythos und Wirklichkeit wurde in Fachkreisen in den letzten Jahren ein immer heftigerer Diskurs geführt. Leider halten die meisten .berlieferten Regeln bei genauer Analyse den in sie gesetzten Erwartungen nicht stand. Dennoch ist es nicht sinnvoll, altes Wissen deshalb gleich über Bord zu werfen, denn hinter jeder Regel verbirgt sich ein Grund für ihre Entstehung und manchmal lässt sich daraus auch Brauchbares für die zeitgemäße Holzverarbeitung ableiten.
Was sind nun die häufigsten Ursachen für die Entzauberung des alten Wissens, das man auch mit Hausverstand gleichsetzen kann?

Vielfach waren die weitverbreiteten Regeln »Arbeitsanweisungen« wie sie heute in Qualit-tsmanagementsystemen unter dem Stichwort iso 9000 allgemein üblich sind. Da man einst nicht schreiben und lesen konnte, mussten diese Arbeitsanweisungen, um sie für die Menschen leichter aufnehmbar zu machen, einfach in Versform oder in einer weit übertriebenen Darstellung aufbereitet werden: Wer sein Holz um Christmett fällt, dem sein Haus wohl zehnfach hält. Dieser schöne Vers sagt eigentlich nichts anderes aus, als dass eine Schlägerung in der Frühwinterphase günstig ist. Heutige Fehlinterpretationen in diversen unkritischen und laienhaften Regelwiedergaben dichten dem Holz, das nach dieser Regel geschlägert wurde, eine größere Dauerhaftigkeit an. Genaue Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass das Holz, zu solchen Zeitpunkten geschlägert, grundsätzlich nicht dauerhafter ist. Bei den einstigen Holzerntemethoden (und teilweise ist es auch heute noch so) kann jedoch das im Frühwinter geschlägerte Holz problemlos über längere Zeit im Wald oder Sägewerk lagern, ohne dass es von Sekundärschäden befallen und entwertet wird. Gleichzeitig ist eine Holzrückung aus dem Wald bei gefrorenem Boden wesentlich schonender.

Also nicht das Holz ist zum richtigen Zeitpunkt besser, sondern die Rahmenbedingungen. Wenn diese aber durch moderne Transport- und Verarbeitungsmethoden geändert bzw. verbessert sind, dann ergibt sich daraus kein Vor- oder Nachteil für einen bestimmten Zeitpunkt. An diesem Beispiel lässt sich gut zeigen, wie grundsätzlich richtiges Wissen durch falsche Wiedergabe und Interpretation zur lästigen Bürde für das Holz werden kann, wenn man nur mehr an wenigen Tagen im Jahr schlägern kann, um »gutes« Bauholz zu bekommen. Die Liste dieser Fehlinterpretationen lässt sich fast beliebig fortsetzen und sich damit fast jede Regel in ihrer verfälschten heutigen Darstellung entkräften.

Der Mythos von alten Regeln kann die Vorstellung von der Natürlichkeit und Einmaligkeit des Holzes unterstützen, darf aber nicht zum Selbstzweck werden. Die Verbindung von technischen Eigenschaften mit moderner Verarbeitungsmethode, die durchaus auf Traditionen beruhen kann, sowie Ästhetik des Werkstoffes und sein Mythos geben dem Holz einen einzigartigen Zauber, um die Menschen zu begeistern. Von den ihm angedichteten und nicht vorhandenen Eigenschaften (brennt nicht, fault nicht und hält bis auf den jüngsten Tag ...) sowie der Last von Mond und Gestirnen gehört Holz jedoch befreit und entzaubert.

(Zeitschrift Zuschnitt 4, 2001; Seite 30)

Bild: »Zoachn« - Regeln für den günstigsten Zeitpunkt der Holzschlägerung

»Zoachn« - Regeln für den günstigsten Zeitpunkt der Holzschlägerung
Buchtipp zum Thema:
Alte Holzregeln
Von Mythen und Brauchbarem über Fehlinterpretationen zu
neuen Erkenntnissen
Alfred Teischinger, Josef Fellner
Österreichischer Kunst- und Kulturverlag Wien, 2001


verfasst von

Alfred Teischinger

Holztechnologe und Professor am Institut für Holztechnologie und Nachwachsende Rohstoffe der Universität für Bodenkultur Wien

Erschienen in

Zuschnitt 4
Holzaltern

Was dem Architekten gewollte Ästhetik ist - die natürliche Holzalterung - ist dem Bauherren oftmals ein unakzeptabler Effekt. Übermächtig belegt mit einer Barackensemantik wird das Vergrauen zum Grauen. Holz lebt aber, es altert und zeigt, der Witterung ausgesetzt, schon bald Veränderungen in der Materialstruktur oder an den Schutzstoffen. Nur sachgemäße Planung, die Verwendung geeigneter Materialien und sorgfältige Ausführung von Holzbauten lässt die Alterung von Fassaden zu einem kontrollierten Prozess werden. Mit geringem Unterhalt und - durch Patina veredelt - zusätzlicher Qualität.

8,00 €

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Zuschnitt 4 - Holzaltern