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Hineinverwittern in die Landschaft
Abbundhalle Zimmerei

Die Erfahrungen von Architekt Hermann Kaufmann mit dem Verwittern von unbehandeltem Holz je nach Höhenlage, Klima- und Wetterverhältnissen sind Teil seines Planungsprozessdenkens geworden.

erschienen in
Zuschnitt 4 Holzaltern, Dezember 2001 - Februar 2002
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Eine sehr helle, leichte, rasch montierte Halle von 16 x 45m, von der Firma selbst als Demonstration modernen Ingenieurholzbaus detailliert und gefertigt, dient als Anbau an die bestehende Substanz.

»Holz ist ein Material, das sich gegen sämtliche Oberflächenbehandlungen wehrt, es wehrt sich einfach gegen den Schutz. Das Holz will atmen, es will Luft haben, es will altern.«

»In der Oberflächenbehandlung von Holzfassaden haben wir einiges versucht im Lauf der Zeit. Nichts war länger haltbar. Da gab es eine farblose Dickschichtlasur einer Schweizer Firma, von der es hieß, sie hätte einen UV-Schutz, das Holz verwittere nicht und bliebe wie neu. Wie ein Plastikfilm, eigentlich pervers. Und wir haben an die Firma geglaubt wie an die Swiss-Air. Nur - innerhalb von einem Jahr war das eine grauenhafte Geschichte, aufgesplittert auf der Südseite, einfach grausig.«

»Mittlerweile bin ich eher zurückgegangen und habe das Thema der natürlichen Verwitterung kultiviert, also das Zurück ganz auf das Ursprüngliche.«

»Daraus gibt es Erfahrungen. Wie sich das Verwittern entwickelt, wie sich das Holz verhalten wird. Das kommt in unserem Büro auch immer mehr in das Planungsprozessdenken mit hinein. Wenn man Erfahrung hat, kann man vorausschauend ziemlich genau sagen, wie ein bewitterter Holzteil in zehn Jahren ausschauen wird, je nach Höhenlage des Hauses, je nach Klimaverhältnis, nach Wetterlage, selbst das Kleinklima um ein Haus ist entscheidend.«

»Ich bin der Meinung, dass Massivholz nach wie vor das beste ist. Alles andere, jeder Holzwerkstoff ist eigentlich von der Haltbarkeit her schlechter als Massivholz, als das normale Holzbrett. Das ist einmal ein Grundsatz, für den es noch keinen Gegenbeweis gibt. Eine zweite Grundsatzentscheidung liegt in der Steuerung des Verwitterungsprozesses. Da gibt es zwei Strategien, die sich natürlich architektonisch auswirken: Der Versuch, das Holz wirklich zu schützen oder konsequentes Verwittern.«

»Diese vielzitierte 10-Jahresphase, in der das Holz angeblich noch nicht schön ausschaut, muss man aus meiner Sicht differenziert betrachten.
Unbehandelte Fassaden, die gleichmäßig bewittert werden, sind in jeder Phase schön. Da gibt es keine Fleckigkeit, es ist ein kontinuierlicher Prozess, in dem das Holz ganz gleichmäßig von Braun ins leicht grau Schimmernde, ins Hellgrau bis ins Dunkelgrau übergeht.«

»Will man es also verwittern lassen, vermeidet man Vorsprünge. Man plant möglichst glatt und fassadenbündig, möglichst klar, ohne differenzierte Baukörper und am besten mit flächigem Material. Oder man schützt konsequent mit einem durchgehenden Vordach und hat dann die Chance, dass das Holz von der Sonne gebräunt wird und diesen schönen goldbraunen Ton bekommt, relativ gleichmäßig je nach Exposition. Was aber viel mit der Höhenlage zu tun hat; ab 1.000 Metern Höhe ist das überhaupt kein Problem, da werden die Südseiten prinzipiell sonnenverbrannt, weil die UV-Strahlung so hoch und die Luft so trocken ist, dass es fast ohne Vordach funktioniert, während die Nordseite grau wird.«

»Überzeugungsarbeit leisten wir in Vorarlberg seit vielen Jahren, auch öffentlich. Nun spüre ich, dass der Kreis von Menschen, Bauherrn, die das natürliche Holzaltern nicht nur akzeptieren, sondern auch als Qualität sehen, größer wird. Das Hauptargument für diese Menschen ist die ökologische Schiene. Außerdem wird Holz als Baustoff gesehen, der Innovation ausdrückt, eine kulturell höherwertige Haltung. Die Schicht der Neureichen ist natürlich absolut keine Holzkundschaft. Das ist eher, nach wie vor, wie in den sechziger-, siebziger Jahren diese halbintellektuelle Schicht. Die gehen mit, leben mit, sind diesen Argumenten zugänglich. Ein wichtiges Argument für den sparsamen Vorarlberger ist ein ganz pragmatisches. Wenn man die Lebensdauer von Holz nimmt und errechnet, was in dieser Lebensdauer das Streichen kostet, dann ist es viel billiger, das Holz verwittern zu lassen. Ein zweites wichtiges Argument sind in einem Holzbauland wie Vorarlberg die vielen alten verwitterten Häuser, an denen sich kein Mensch stößt. Dieses Hineinverwittern in die Landschaft, besonders im ländlichen Raum «

Text:
Gedankensplitter von Hermann Kaufmann zum Altern von Holz.
Auszüge aus einem Gespräch, das am 4. Oktober 2001 in Graz stattfand.

Architekt
Hermann Kaufmann

1975 - 84 Studium in Innsbruck und Wien.
Seit 1983 eigenes Architekturbüro in Partnerschaft mit Christian Lenz und Elmar Gmeiner. Pionier des Vorarlberger Holzbaus z.B. beim Pilotprojekt Geschoßwohnbau Ölzbündt. Arbeitet an der Entwicklung von Systemen.
1999 Vorarlberger Holzbau - Anerkennungspreis für die Radwegbrücke Gaißau 
2001 Vierter Vorarlberger Hypo-Bauherrenpreis, Preisträger in 3 Kategorien 2 Auszeichnungen 
2001 Vorarlberger Holzbaupreis, in 3 Kategorien Auszeichnungen

Standort
Baien 116 Reuthe, Vorarlberg

Fertigstellung

1992


verfasst von

Otto Kapfinger

  • seit 1972 freiberuflicher ­Architekturforscher und -publizist
  • 1981–91 Architekturrezensent der Tageszeitung Die Presse
  • zahlreiche Buchveröffent­lichungen und Ausstellungskonzeptionen zur modernen Baukunst in Österreich

Erschienen in

Zuschnitt 4
Holzaltern

Was dem Architekten gewollte Ästhetik ist - die natürliche Holzalterung - ist dem Bauherren oftmals ein unakzeptabler Effekt. Übermächtig belegt mit einer Barackensemantik wird das Vergrauen zum Grauen. Holz lebt aber, es altert und zeigt, der Witterung ausgesetzt, schon bald Veränderungen in der Materialstruktur oder an den Schutzstoffen. Nur sachgemäße Planung, die Verwendung geeigneter Materialien und sorgfältige Ausführung von Holzbauten lässt die Alterung von Fassaden zu einem kontrollierten Prozess werden. Mit geringem Unterhalt und - durch Patina veredelt - zusätzlicher Qualität.

8,00 €

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Zuschnitt 4 - Holzaltern