Aufbewahren
Den Möglichkeiten zur Aufbewahrung sind keine Grenzen gesetzt. Ob in Schuh- und Bananenschachteln, in Stapelcontainern oder Schiffskoffern, im berühmten Billy(gst)-Regal von Ikea, in Omas Biedermeierkasten, wandfüllenden Schrankwänden oder in Schrankräumen (die zum Privatesten eines Hauses gehören), überall lässt sich Platz finden zum Horten und Sammeln. Wer etwas wissen will über den Charakter eines Menschen, der beachte die Art, wie oder worin er seinen Kram verstaut. Sieht man sich um, so fällt auf, dass sich Aufbewahrungsmöbel »sichtlich« emanzipiert haben. Selbstbewusst solitär schmücken sie Vorzimmer und Wohnräume, nur im Schlafzimmer mit Sozialwohnungsgrundriss bleibt der Wandverbau noch immer das »Vernünftigste«.
Beispiele: Card und Mix it
Die Frage, ob er Forschungs- und Entwicklungsarbeit für notwendig hält, wenn sich Österreichs Möbelproduzenten nachhaltig am europäischen Markt positionieren wollen, bejaht der Designer Hannes Rohringer mit Nachdruck. Und fügt hinzu, dass hiesige Produzenten endlich ihre Scheu vor Design und Designern und den Kosten, die diese verursachen, ablegen sollten. Die (Mehr-)Kosten würden sich nämlich ähnlich schnell amortisieren wie bei anspruchsvoller neuer Architektur. Für die Firma, die die Entwürfe des Designers umsetzt, scheint sich der Mut zur guten Form bezahlt zu machen. Mit der Einrichtung von Banken hat sich das Werk mit derzeit 52 Mitarbeitern seit 1978 eine solide Basis geschaffen. Ein Standbein, das erlaubte, mit Sorgfalt und Bedächtigkeit eine neue Produktlinie zu entwickeln: Die Serie Individuum, die seit wenigen Jahren in schöner Regelmäßigkeit neue Produktfamilien herausbringt. Als einzige österreichische Entwürfe sind die beiden ersten, Box und Card, in das Internationale Designjahrbuch 2001 /02 aufgenommen worden. Das renommierte Nachschlagwerk versammelt die Avantgarde des Produktdesigns und wird jedes Jahr von einem anderen prominenten Designer oder Architekten herausgegeben. 2002 war es Michele de Lucchi.
Vier sind es bis jetzt: Box, Mix.it, Card und - auf der Kölner Messe im Jänner dieses Jahres mit viel Echo vorgestellt - Giraffe. Gemeinsam ist ihnen, dass sie originell und erfrischend unkonventionell sind, zeitgeistig in ihrer Formensprache, die auf die Fünfziger- und Sechzigerjahre verweist, und mit einer Prise Humor versehen - dabei hochwertig und solide verarbeitet, von der Schwenk- und Schließmechanik bis zur Oberflächenbearbeitung.
Card kommt als Type Roadster, Mobil oder Wagon auf Rollen daher. Die Ausnahme bildet der Card fixed, der sich an die Wand »nageln« lässt. Schlank und schnittig der Roadster auf hohen Rollenbeinen in Weißaluminium und sportlicher Vollgummibereifung, womit er ein wenig an einen Einkaufswagen erinnert und dadurch sicher nicht jedermanns Sache ist (was er vermutlich gar nicht sein soll). Mit »Handschuhfach«, CD-Facheinsatz oder Flaschendepot ist er vielfach einsetzbar. Und wäre er das nicht, so bliebe, dass er einfach schön anzuschauen ist mit seinen abgerundeten Ecken - eben ein repräsentatives Möbelobjekt. Der Korpus ist aus MDF mit Strukturlackoberfläche, die Fronten wahlweise in farbig lackierter, stumpf matter Oberfläche oder in edlem Echtholzfurnier, etwa Makasser (Ebenholz)oder Vogelaugenahorn. Zu haben ist er in einer Größe (Länge:153,2cm Tiefe 38,3cm und Höhe 112,2cm), aber in vielen Farben und Kombinationen.
Mix it wird beworben als Kollektion, die funktioniert wie Matador - ein Stück nehmen und auf das andere stecken. Grundelemente in einer Breite von 70,0 cm, Höhe 38,0 cm und einer Tiefe von 50,0 cm werden kombiniert mit dem Rückgrat, einem L-förmigen Winkel in der Breite zweier Basiselemente. Alles natürlich in vielen Farb- und Oberflächenvarianten. Dazu kommen verspielte Details, die mehr humorvolle Apercus sind, als nützliche Zusätze: eine aufgesteckte Lehne, die aufgepflanzte langstielige Vase, der balancierende Tellerhalter oder die doch funktionelle »Stablampe«. Der lust- und phantasievollen Kombinierwut sind kaum Grenzen gesetzt. Für Menschen, die aus dem Ikea-Bastelalter heraußen sind, mehr Geld ausgeben können und dennoch selbst kreativ werden wollen - individuell verspielt. Ob es viele davon gibt?
Card Roadster
Mix it
Literaturhinweis
Das Internationale Design Jahrbuch 2002 /2003
Ross Lovegrove (Hrsg.)
Bangert Verlag, 2002
240 Seiten
Seit 1988 wird das Internationale Design Jahrbuch jährlich von namhaften Architekten und Designern wie Jasper Morrison, Philippe Starck oder Jean Nouvel herausgegeben. In der neuesten Ausgabe aus dem Jahr 2002 fokussiert der britische Designer Ross Lovegrove das Verwischen der Grenzen zwischen Kunst und Technologie, Form und Konstruktion. Lovegrove ist ein vom Material ausgehender Designer, der das Material, mit dem er arbeitet, als wertvolle Ressource schätzt.
Daraus erklärt sich auch die heuer erstmals vorgenommene Einteilung der ausgewählten Produkte nach dem Einsatz der Materialien Metall, Glas, Textil, Holz und Kunststoff. Lovegrove ermöglicht dem Leser mit seiner Auswahl den Blick weit in die Zukunft neuer Materialien und Formen.