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Aufbewahren

erschienen in
Zuschnitt 9 Holz im Möbel, März - Juni 2003
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Gespräch mit Irmgard Frank über die Genese der Trommel

Zuschnitt Wie kam es zur Idee, eine Trommel als Aufbewahrungsmöbel zu konzipieren?

Frank
Die Idee zur Trommel entstand, weil ich in meiner Wohnung Stauraum für Bettzeug brauchte und diesen auch noch anders, nämlich als Ablagetisch neben dem Bett nutzen wollte. Gerade in Einzimmerwohnungen sind die Wohnverhältnisse oft beengend. Behältermöbel wie etwa ehemals die Kohlenbank in der Küche sind aus der Mode gekommen. Sie war Stauraum und Ablage oder Sitzplatz in einem, ohne damit einen weiteren Platz zu verstellen.

Zuschnitt
Was kann die Trommel noch?

Frank
Durch integrierte Räder ist sie rollbar. Je nach Gebrauch und Ausführung ist sie Hocker, Couchtisch oder selbst Spielzeug. Sie ist in einem gewissen Sinne so universal, dass der Benutzer noch einiges mehr an Möglichkeiten des Gebrauchs für sich entdecken kann. Mit drei Durchmessern bieten diese Behältermöbel, je nach Größe, Stauraum für Spielzeug, Wäsche, diverse Utensilien. Sie können zur Getränkebar werden und sind nicht nur im Haushalt, sondern auch in Kindergärten, in Arztpraxen und Büros einzusetzen. Deshalb gibt es für den Deckel zwei mögliche Zusätze, eine Glasplatte und einen flachen Polster aus Filz. Die Trommel wird in Birkensperrholz und zusätzlich schwarz gebeizt angeboten. Auf Anfrage sind Farbvarianten möglich.

Zuschnitt Welche funktionalen und formalen Kriterien
bestimmten den Entwurf?

Frank Wichtig bei der Entwicklung des Produktes waren seine Leichtigkeit bei gleichzeitig hoher Stabilität, seine glatte Innenfläche sowie ein Deckel, der zwar im Durchmesser bündig, aber abgehoben ist und dadurch schwebend wirkt.

Zuschnitt Hat sich die Trommel bei der Entwicklung zum Prototypus verändert?

Frank Diese Prämissen waren von Anfang an gegeben und haben alle Überlegungen bestimmt. Die Entwicklung des Produktes wurde von zwei Seiten geführt - einerseits von der Nutzerebene und andererseits aus produktionstechnischer Sicht - die zusammenspielen mussten. Am Beginn der Entwicklung stand eine Größe mit 80cm Durchmesser. Das war zweifelsohne zu wuchtig, auch zum Verstauen von Bettzeug. Weiters sollte die Durchgängigkeit durch eine Badezimmertüre gewährleistet sein. Die Reaktionen auf der Kölner Möbelmesse zeigten die Sinnhaftigkeit weiterer Größen, die jeweils kleiner und somit ineinander stapelbar sind.

Zuschnitt Welche Rolle dabei war die der Designerin?

Frank Bei allen Entwicklungsschritten habe ich auf die Anmutung des Produkts großen Wert gelegt. Feinabstimmungen in den Proportionen, im Gewicht, bei den haptischen Qualitäten, etwa der Oberflächenbehandlung, an der Randausbildung und in der Handhabung wurden dabei ausgelotet.

Zuschnitt Und der Verdienst des Tischlers als Produktentwickler?

Frank Ein gutes Produkt entsteht wahrscheinlich immer im Dialog. In meiner Konstruktionsentwicklung war anfangs eine Art Sandwichkonstruktion mit sechs Stehern vorgesehen, die jeweils zugleich der Befestigung der Kugelräder dienten. Mit herkömmlichen Verbindungsfischen sollte der Deckel gehalten werden. Das war produktionstechnisch und das Material betreffend, zu aufwändig. Die nächste Überlegung ging in Richtung vorfabrizierte, zugekaufte Sperrholzringe mit entsprechendem Durchmesser für den Körper. Das war für eine kleine Serie zu teuer. Ein weiterer, äußerst heikler Punkt war, die Stoßstelle des Ringes einwandfrei zu lösen, also ohne Knick. Die Entscheidung für einen selbsttragenden Sperrholzring als Außenwand wurde auch fallen gelassen, um eine glatte Innenfläche zu haben. Die Nahtstelle ist mit einer innenliegenden Leiste versehen. Ein oberer Massivholzring wirkt aussteifend und hält zugleich auch den Deckel.

Zuschnitt
Decken sich die Prämissen der Designerin mit jenen des Herstellers?

Frank Durchaus. Materialminimierung ist auch eine formale Qualität. Um die Materialstärke des Ringes auszuloten, waren Gesamtgewicht, Stabilität - immerhin können in den größeren Trommeln Kinder sitzen - Bewältigung des Stoßes und die Kosten wichtig. Daran wurde am längsten gearbeitet und anhand von Prototypen getestet.

Entwicklungsschritte der Trommel. Von der zweischaligen Wand zum einfachen selbsttragenden Sperrholzring, vom bündig sitzenden Deckel zum schwebend abgehobenen.

Trommel S/M/L, Hersteller: Tischlerei Schmidinger, Schwarzenberg, www.schmidingermodul.at, Entwurf: Irmgard Frank

Irmgard Frank
Studium der Innenarchitektur und des Industrieentwurfs sowie der Architektur an der Hochschule für angewandte
Kunst in Wien.

1987 Bürogründung in Wien.
1988–92 Lehrtätigkeit an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich.
Seit 1997 Vorsitzende der Österreichischen Gesellschaft für Architektur.
Seit 1998 Ordinaria für Raumkunst und Entwerfen an der Technischen Universität Graz.

Arbeitet im Bereich der Architektur und Möbelentwicklung. Theoretische und konzeptive Auseinandersetzung mit den Themen Raumwahrnehmung und Raumimagination.

Erschienen in

Zuschnitt 9
Holz im Möbel

Die Bedeutung von Möbeln unterliegt dem Zeitenwandel. Heute erwartet man von einem Möbel Objekthaftigkeit und dienende Funktion gleichermaßen,es soll multifunktional und mobil sein. Holz, verarbeitet in neuen Werkstoffenund neuen Technologien, bleibt bevorzugtes Material im Möbelbau fürEinzelobjekte und Serienprodukte. Wie die Möbelindustrie und der Tischlernebeneinander bestehen können, wie der österreichische Produzent auf Konkurrenzdruck reagiert, wie auf Trends und Kundenwünsche, fragt zuschnitt 9.

8,00 €

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Zuschnitt 9 - Holz im Möbel