Der Wunschtraum vieler Design-Anfänger, einen Stuhl für alle Zwecke zu entwerfen, verkehrt sich regelmäßig zum Albtraum - gibt es doch kaum eine schwierigere Aufgabe. Sitzen ist eben nicht immer gleich Sitzen. Wenn sich auch zeigt, dass es den universellen Stuhl nicht gibt, so lassen sich doch gewisse Gruppierungen nach Zweckbestimmung, Material und auch Preis vornehmen.
Zuschnitt hat Beispiele herausgegriffen, die einige Gemeinsamkeiten haben. Sie sind alle aus Holz oder vorwiegend aus Holz, sie sind alle für öffentliche oder halböffentliche Räume bestimmt, beweglich und auch in Addition ansprechend; keine Stühle zum Lümmeln und keine zum Repräsentieren. Innerhalb ihrer allgemeinen Grenzen sind sie doch erstaunlich verschieden in Konstruktion und Materialverwendung. Und sie alle haben eine Geschichte - vom Entwurf bis zum fertigen Stück.
Forum
Forum ist ein stapelbarer Stuhl aus Vollholz mit (zugekaufter) Sitzschale aus Sperrholz, der gezielt für die Verwendung im Objektbereich konzipiert ist. Dabei wirken Komfort, Stabilität und relativ geringes Gewicht zusammen. Die Handhabung wird durch die in die Rücklehne integrierten Griffschlitze erleichtert, die schwingende Rückenlehne erlaubt entspanntes Sitzen. Die trapezförmig gespreizten »Hinter- und Vorderbeine«, die zu je Zweien bügelartig zusammengefasst werden, sind nicht unmittelbar mit der Sitzfläche verbunden. Das suggeriert Leichtigkeit und gibt dem Stuhl eine gewisse Dynamik. Fußpaar und Schalenhalterung – ein sorgfältig geformter, wohlproportionierter Verbindungskeil – sind miteinander verdübelt.
Hussl ist ein »schlanker« Gewerbebetrieb mit zehn Mitarbeitern, der sich bewusst auf Sitzmöbel und Tische aus Holz konzentriert. Der Firmeninhaber berichtet sehr sachlich über die Geschichte dieses Produktes: Man habe sich auf dem Markt umgesehen und gefunden, dass die Hersteller vorwiegend mit Metall arbeiten und Holz als Material nur zur Ergänzung verwendet wird. Also entwickelte man ab 1994 eine eigene Marke: Möbel, fast ausschließlich aus Holz. Das Zusammenwirken von Material, Form und Funktion spielte dabei eine maßgebliche Rolle. Daher auch die Einbeziehung eines Designers. Heute ist das Produkt durchaus konkurrenzfähig. Etwa 10.000 Möbeleinheiten verlassen jährlich den Betrieb und werden vom Hersteller, zumindest in Österreich, selbst vertrieben.
Hussls Firmenphilosophie: Man muss konsequent einen einmal als richtig erkannten Weg weitergehen, ein klares Profil entwickeln und dabei bleiben.
Fly
Die Geschichte dieses Sessels ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Das Ziel, einen ästhetisch anspruchsvollen und zugleich preisgünstigen Sessel hauptsächlich für den Gastronomie- oder Veranstaltungsbereich zu entwickeln, führte zu einem Grundmodell, das zunächst noch von einem anderen Tischler ausgeführt wurde und schließlich zu 2-3 Prototypen. Zu diesem Zeitpunkt gesellte sich zum Meister und zum Entwerfer als Dritter Adolph Stiller. Selbst gelernter Tischler, sah er seine Aufgabe als die eines kritischen Vermittlers.
Das Ergebnis unterscheidet sich scheinbar nur geringfügig vom Prototyp. Dennoch: Der Schichtenaufbau wurde dünner. Statt des zuerst zugekauften Fliegersperrholzes wurde dieses im Betrieb selbst hergestellt, den spezifischen Anforderungen angepasst. Durch Veränderungen der Abmessungen der Sitzfläche wurde der Sessel schlanker. Da die gebogenen Teile in einer Ebene liegen, können sie handwerklich aus dem handelsüblichen Dickfurnier hergestellt werden. Die Streben der Lehnen reichen bis zum Boden und sind rückwärts an die gebogenen Elemente des Sitzteiles gefügt, die mit der nur in einer Ebene gekrümmten Sperrholzplatte verbunden sind. Dadurch wird eine große Elastizität erzielt. Die Platte der Sitzfläche ist vorne wie hinten heruntergezogen, was den Sitzkomfort maßgeblich verbessert.
Preislich ist dieser Sessel nun durchaus konkurrenzfähig. Gefertigt wird er in Kleinserie. »Unter 40 Stück ist es nicht lohnend«, meint der Hersteller, Herr Mohr. Dennoch ist der fly ein Tischlermöbel, und seine kooperative Genese scheint eine Voraussetzung für die erfolgreiche Durchsetzung derartiger Betriebe auf dem Markt zu sein.
Talon
Der Stuhl ist ein typisches Beispiel aus dem Bereich der industriellen Produktion: Ein Stapelsessel, der seriell hergestellt wird, gedacht für Konferenzen, Seminare, aber auch für die Gastronomie. Genauer gesagt, dessen Komponenten in Serie erzeugt werden, und der auf Bestellung »just in time« gefertigt wird. Strangpressprofile aus Aluminium nehmen in durchlaufenden Nuten die Formschichtholz-Schale auf. Die Herstellung der Profile ist ausgelagert, erfolgt in diesem Betrieb aber mit Werkzeugen, die im Eigentum der Firma Braun sind. Das Sperrholz für die Sitzschalen wird als Rohling aus Deutschland importiert.
Der Entwurf des Talon ging aus einem Designwettbewerb hervor, den die Firma Braun im Jahr 2000, angeregt von Architekten und Kunden, ausgeschrieben hat. Aus 36 Einreichungen wurden von der Jury, der die Architekten Adolf Krischanitz und Gregor Eichinger und der englische Designer Jasper Morrison angehörten, sechs Entwürfe ausgesucht, aus denen Prototypen entwickelt wurden. Zwei von ihnen gingen in Produktion.