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Markt für Architektur

erschienen in
Zuschnitt 10 Werkhalle Holz, Juli - September 2003
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Daten zum Objekt

Standort

Weiler, Vorarlberg

Planung

Hermann Kaufmann

Tragwerksplanung Holzbau

Merz Kaufmann Partner

Bauherr

Sutterlüty GmbH&Co

Holzbau

K'ANN Holding AG
(vormals Kaufmann Holz AG)

Fertigstellung

2002

Typologie

Konsum

Sutterlüty Markt in Weiler (A)

In Tirol hat im letzten Jahrzehnt MPreis Maßstäbe gesetzt. In den Wettbewerb um die attraktivsten Verbrauchermärkte steigt in Vorarlberg jetzt Sutterlüty ein, und der im Ländle gut positionierte Nahversorger kann immerhin auf eine Pioniertat in der Branche verweisen, den phänomenalen Kirchpark in Lustenau.

Schon bei der Mehrzahl der MPreis-Bauten und erst recht beim Kirchpark spielten weitgespannte Tragwerke in Holz eine wesentliche Rolle. Bei der nun anlaufenden Serie mittelgroßer Märkte werden Qualitäten und Möglichkeiten moderner Holzkonstruktion noch straffer in ein neu formuliertes Gesamtkonzept eingebunden. Sutterlüty setzt hier ganz klar auf einen Paradigmenwechsel. Die kundenfreundliche Funktionalität, das innenräumliche Image der Hallen, wird zum gestalterischen Hauptkriterium. Aus dem »Supermarkt« soll wieder der ursprüngliche »Markt« werden, d.h. der tägliche oder wöchentliche Einkauf soll in einem Ambiente räumlicher Übersichtlichkeit und Offenheit stattfinden, das von den bisher gepflogenen Maximen entschieden abgeht. Beim neuen Sutterlüty in Weiler werden die Kunden in diesem Sinn gleich beim Eintritt von einem inneren Platz empfangen, einer »Erlebniszone« mit duftender Cafe-Bar, daran anschließend die in einzelne »Standeln« aufgegliederte Frische-Abteilung, die reich differenzierte, für die optische, haptische oder olfaktorische Wahrnehmung klar portionierte Bereiche bildet. Und dieser zentrale Marktplatz führt in die Tiefe einer möglichst hellen, weiten Halle, in der dann Regale nur mehr als relativ kurze, gut überblickbare und durch Richtungswechsel aufgelockerte Pakete den Weg zurück zu den Kassen strukturieren.

Mehr denn je ist also ein Tragwerkskonzept gefragt, das dieser inneren Freiheit und lokalen Individualisierung optimale Spielräume gibt, das mit möglichst wenig verschiedenen Standardelementen für die einzelnen Standorte variiert werden kann. Eine Konstruktionsart jedenfalls, die zudem ökonomisch ist, nachhaltig, und die der lebhaften »Performance« des Warenbereichs, die sich in Augen- und Griffhöhe abspielt, einen möglichst ruhigen Hintergrund bietet.

In Weiler materialisierte Hermann Kaufmann aus all diesen Gründen die Hallendecke als optisch dominierende Raumfläche besonders homogen, als neutralen und zugleich stimmungsgebenden »Fond« des Ganzen. Die 47cm starke Dachplatte, ca. 1.500m² groß, überdeckt in 5m Höhe gleichsam monolithisch den Innenraum mit Auskragungen in den Außenraum bei Eingangsfront und Lieferrampe. Diese Platte ist ein Gefüge aus Hohlkastenelementen, gespannt zwischen den seitlichen Außenwänden und Hauptträgern aus Brettschichtholz, die über zwei Reihen von Stahl-Pendelstützen die Last im Innenraum abtragen. Die Spannweite der Hohlkästen beträgt zur Hälfte ca. 14m, im übrigen Bereich (trapezförmiger Grundriss) kontinuierlich bis auf 8m verkürzt. Die vorgefertigten Teile sind beidseitig mit Dreischichtplatten beplankt und haben Rippen aus Brettschichtholz. Die untere Platte ist die fertige Deckenuntersicht.
 Um diese helle Untersicht in Fichte völlig ruhig und ungeteilt zu erhalten, sind auch die bis zu 72cm breiten Hauptträger in die Deckenhöhe integriert. Die Beleuchtung ist von der Decke abgehängt und bewusst direkt der Ladenzone zugeordnet.

Neben der schnellen, einfachen Montage und der speziellen Materialwirkung hat diese Holzplatte noch den Vorteil, dass sie keine Kältebrücke bildet und kontinuierlich durch die Glaswände der Stirnfronten in die Auskragungen der Vordächer hinauslaufen kann. Der ganzheitliche, zusammenfassende Effekt der Dachplatte hat eine weitere konkrete Wirkung, indem sie als statische Scheibe auch das ganze Gebäude stabilisiert. Die seitlichen Längswände sind Holzrahmenkonstruktionen mit innerer Beplankung aus OSBPlatten (rötlich gefärbt, abgestimmt mit der rot durchgefärbten, monolithischen Bodenvergütung) und einer äußeren Schicht aus diffusionsoffenen Holzwerkstoffplatten. Die zur Durchzugstraße geschlossene Westfassade hat als Außenverkleidung stehend montierte Akazienbretter - ohne die üblichen Keilzinken in den vom Werk verschieden gelieferten Längen verarbeitet und mit bündigen Querleisten zusammengefasst. Die solcherart subtil texturierte Wand wird gleichmäßig verwittern und den benachbarten Betonwänden des Friedhofs und Kirchenvorplatzes (Marte/ Marte) adäquat und ephemer antworten.

Kaufmann hat das gesamte System natürlich auch für und aus dem örtlichen Kontext optimiert. Der Markt schließt südlich an Kirche und Friedhof von Weiler an, bildet zwischen der Halle und den etwas höherliegenden Friedhofsmauern einen beschatteten Parkplatz - einen neuen Freiraum im Ortskern. Weitere Sutterlütys dieser Art, lokal maßgeschneidert, sind in Planung.

Fotos: Ignacio Martinez

Hermann Kaufmann
Arch. Dipl.-Ing.
ZT GmbH
Sportplatzweg 5
A-6858 Schwarzach
T +43 (0)55 72/ 581 74
F +43 (0)55 72/ 580 13
office(at)archbuero.at
www.kaufmann.archbuero.com

Hermann Kaufmann
1975 - 84 Studium in Innsbruck und Wien. Seit 1983 eigenes Architekturbüro in Partnerschaft mit Christian Lenz und Elmar Gmeiner.
Pionier des Vorarlberger Holzbaus z.B. beim Pilotprojekt Geschoßwohnbau Ölzbündt. Arbeitet an der Entwicklung von Systemen.
1999 Vorarlberger Holzbau - Anerkennungspreis für die Radwegbrücke Gaißau.
2001 Vierter Vorarlberger Hypo-Bauherrenpreis, Preisträger in drei Kategorien, 2 Auszeichnungen. 2001 Vorarlberger Holzbaupreis, in 3 Kategorien Auszeichnungen.
Seit 2002 O. Professor für Holzbau an der TU München

Weitere Bauten (Auswahl)

von Hermann Kaufmann
in Vorarlberg
1995 Metzler KG
Holzlagerhalle, Bezau
1999 Hotel Adler
2000 Wohnanlage
Neudorfstraße, Wolfurt
2001 Impulszentrum Egg
2002 Naturhotel Chesa Valisa
2002 Dobler Bau, Röthis
2002 Gewerbepark Bezau

Hermann Kaufmann materialisierte in Weiler die Hallendecke des Einkaufsmarktes als optisch dominierende Raumfläche besonders homogen, als neutralen und zugleich stimmungsgebenden »Fond« des Ganzen.


verfasst von

Otto Kapfinger

  • seit 1972 freiberuflicher ­Architekturforscher und -publizist
  • 1981–91 Architekturrezensent der Tageszeitung Die Presse
  • zahlreiche Buchveröffent­lichungen und Ausstellungskonzeptionen zur modernen Baukunst in Österreich

Erschienen in

Zuschnitt 10
Werkhalle Holz

Nicht nur holzverarbeitende Betriebe errichten ihre Werkstätten in Holz. Es hat sich längst herumgesprochen: Lichterfüllte Produktionshallen und Gewerbebauten mit neuen, experimentellen Holzkonstruktionen schaffen nicht nur ein gutes Arbeits- und Sozialklima, sondern auch hervorragende Energie- und Ökologiewerte. Ihre hohe Leistungsfähigkeit gegenüber anderen Materialien können sie längst beweisen.

6,00 €

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Zuschnitt 10 - Werkhalle Holz