Um den Schritt von der Vision zur Wirklichkeit anzudenken und eine fundierte Bewertung der möglichen Potenziale von Ideen zu bekommen, lud Zuschnitt zu einer Diskussion zwischen den Preisträgern des »warpvisions«-Wettbewerbs, Kathrin Aste, Johannes Kaufmann und Wolfgang Pöschl. Hier lesen Sie Ausschnitte aus dem Gespräch.
Kathrin Aste
Grundsätzlich war der Wettbewerb von zwei Vorstellungen geprägt: Einmal davon, dass Holz vielleicht der menschlichste aller Baustoffe ist. Holz ist weich, Holz altert, Holz atmet, Holz riecht usw. Zweitens erscheint uns gerade in diesem Zusammenhang der Einsatz von Holz im urbanen Raum als konsequent und folgerichtig. Holz ist hier nach wie vor etwas Besonderes, das man selten sieht und uns hat interessiert, wie man das ändern kann, wie man Holz in den Städten einsetzen kann, jenseits von Innenraumgestaltung.
Jakob Achrainer
Dazu kommt, dass sich die Architektur, zumindest in Teilbereichen, weg von den klassischen Last-Stütze-Entwürfen hin zu fließenden Räumen bewegt. Dabei hat Holz bisher, meiner Meinung nach zu Unrecht, überhaupt keine Rolle gespielt. Ich glaube aber, dass Holz viel mehr kann, als die klassische Box zu bilden. Mein Entwurf arbeitet daher mit gekrümmten Flächen aus Holzwerkstoff, die bereits gebogen aus dem Werk kommen sollen, und durch ihre Verformung zugleich Innen-und Außenraum bilden.
Wolfgang Pöschl
Ich finde es richtungweisend, dass »warpvisions« beim Holzbaupreis berücksichtigt wurde und dass Studentenarbeiten als geistiges Potenzial angesehen und mit einbezogen werden. Was ich weniger interessant finde, ist die Diskussion, ob man Holz als Kiste oder als Blob verwendet. Für mich geht es da um mehr, um eine Freiheit, die mit der Vielfalt der Möglichkeiten zu tun hat, und um die Frage, wie solche Entwürfe verwirklicht werden könnten oder inwieweit sie die holzverarbeitende Wirtschaft, die Konstrukteure und Planer beeinflussen.
Johannes Kaufmann
Man darf nicht glauben, dass solche Ideen wie die »warppipe« mit allen anderen Materialien außer Holz möglich wären und auch noch nie jemand versucht hätte, so was in Holz zu bauen. Aber das ist immer mit einer Kraftanstrengung verbunden und mit einer Herausforderung für Konstrukteure und Firmen – unabhängig vom Material. Es ist immer schwierig, organische Formen umzusetzen, darum tut man es auch nicht gerne.
Wolfgang Pöschl
Aber wenn man an den Flugzeugbau denkt: die ersten Flieger waren Doppeldecker mit Fachwerkskonstruktionen. Später sind aus verschiedenen Gründen Tragflächen daraus geworden. Könnte man sich so eine Entwicklung nicht auch für den Holzbau denken, dass man statisch schlankere, materialsparendere Konstruktionen erfindet, die überzeugend sind und daher auch eingesetzt werden?
Johannes Kaufmann
Wir arbeiten schon lange daran, Systeme zu entwickeln, die funktionieren. Solche Träume haben viele. Dabei sind wir immer noch in der Tafelbauweise, im orthogonalen Raum. Trotzdem bleiben die Projekte, wie zum Beispiel unser Fertigteilhaus SU-SI Prototypen, auch wenn man zehn oder fünfzehn Stück davon verkauft. Es ist leider eine Frage der Wirtschaftlichkeit und erst wenn in großer Stückzahl produziert wird, fällt dieser Druck weg. Die Flugzeuge würden immer noch wie früher aussehen, wenn es nicht ganz massive, auch politische Interessen gegeben hätte, sehr viel Geld und Produktionstechnik in ihre Entwicklung zu investieren. Die »warppipe« könnte um viel Geld in einem halben Jahr gebaut werden, aber interessant wird es dann, wenn Produktionstechniken da sind, die so etwas rentabel machen.
Jakob Achrainer
Der ökonomische Druck ist natürlich immens, aber die wenigsten Erfindungen rechnen sich von Anfang an. So was ist ein Traum, der Impuls sein kann, eine Entwicklung weiter zu treiben.
Johannes Kaufmann
Genau, und deshalb gefällt mir dieser Wettbewerb auch so gut. Es ist die größte Herausforderung für uns Holzbauer, auf solche Impulse zu reagieren, denn wenn wir uns nicht Gedanken über die Zukunft machen, dann können wir den Holzbau vergessen.
Wolfgang Pöschl
Inwieweit ist es zulässig, dass durch Herstellungsmethoden die Formfindung beeinflusst wird?
Jakob Achrainer
Das ist eine Frage der Materialeigenschaften. Man kann Material und Herstellung nicht trennen, das spielt eine große Rolle. Aber man müsste neue, materialkonforme Herstellungsmethoden entwickeln. Der nächste Schritt wäre, dass man nicht nur das Grundmaterial, sondern auch das Halbzeug betrachtet. Es gibt ja z.B. die Möglichkeit, Installationskanäle in Massivholzplatten vorzuproduzieren.
Wolfgang Pöschl
Das determiniert allerdings wieder den Entwurf. Der optimale Zustand wäre, dass alle Parameter beweglich sind. Kathrin Aste Mich würde interessieren, ob es vorstellbar ist, einen Holzwerkstoff zu entwickeln, den man wie Spritzbeton auf eine Bewehrung aufbringt.
Johannes Kaufmann
Das wäre sicher möglich, aber es ist die Frage, ob das dann noch Holz ist.
Wolfgang Pöschl
Letztlich ist das holzbewehrter Kunststoff. Das Problem ist, dass man dem Holz damit seine Kraft nimmt, wie bei Buchregalen aus Spanplatten, die irgendwann anfangen durchzuhängen.
Kathrin Aste
Aber es wäre eine Chance für die Holzindustrie.
Wolfgang Pöschl
Wenn man damit zum Beispiel Röhren herstellen kann, räumliche Spanplatten sozusagen, dann sicher. Aber das Beeindruckende am Holz ist ja, dass man in Simpel-Technologie, mit Brettern, Nägeln und Hammer, unheimlich freie Strukturen, die statisch funktionieren, herstellen kann.
Wolfgang Pöschl
Gab es im Zuge des Wettbewerbs den Punkt, wo versucht wurde, einen Raum nicht auf dem schwierigsten Weg, sondern auf dem einfachsten Weg herzustellen?
Kathrin Aste
Natürlich. Eine wesentliche Eigenschaft von Holz ist ja seine poetische Komponente, seine Komplexität in jedem Stück, wie man das im Entwurf von Verena Rauch sehen kann, die einfach nur Holzbretterstrukturen auf den Boden gelegt hat.
Johannes Kaufmann
Für mich ist dieses Projekt beispielhaft dafür, welche Assoziationen Holz hervorruft und was das im urbanen Raum auslösen kann. Das hat eine extreme Stimmung, gerade in der Stadt. Ich glaube, wenn man zu kompliziert denkt, kommt man automatisch wieder auf einfache Systeme zurück, die eigentlich gerade im Holzbau auch unglaublich viel können.
Kathrin Aste
Auf diesen Punkt wollten wir mit dem Wettbewerb hinaus; daher richtet sich der Text von Volker Giencke auch weniger an die Holzindustrie oder die ausführenden Betriebe als an die Architekt/ Innen. Es geht um die ursprüngliche Idee und darum, diese Idee nicht sofort über eine Herstellungsdiskussion zu blockieren, wie es bei Holz oft der Fall ist.
Johannes Kaufmann
Diesbezüglich hat der Wettbewerb den Nagel sicher auf den Kopf getroffen und ich kann aus Erfahrung sagen, dass – zumindest uns in Vorarlberg – ganz klar ist, dass es eine Weiterentwicklung geben muss und wir uns jetzt auf keinen Fall auf den Lorbeeren unseres Erfolges ausrasten dürfen. Dafür kann dieser Wettbewerb Initialzündung sein, auch wenn einige der Meinung sein mögen, dass man von Studenten nichts lernen kann, dass solche Initiativen vergeudetes Geld sind. Wenn alle so denken würden, wären wir mit dem Holzbau vor 40 oder 50 Jahren stehen geblieben.
Wolfgang Pöschl
Dabei darf man aber nie vergessen, dass es auch immer ganz einfache Wege gibt und daher ist der wirtschaftliche Druck, von dem vorher die Rede war, nicht nur schlecht. Es ist ja die Kunst des Konstruierens, einen Traum zur Landung zu bringen, und zwar nicht mit dem Geld der großen Industrie, sondern auch mit Findigkeit, mit Fantasie. Wir denken immer, wir sind so unglaublich weit, aber in Wirklichkeit wurden vor 3000 Jahren schon Dinge konstruiert, wie Jurten oder Körbe, die unseren Produkten in nichts nachstehen.
Kathrin Aste
Es gibt auch im Beton- oder Stahlbau den Moment, wo man vom linearen, einfachen System ins dreidimensionale, organische wechseln will oder muss. Das ist kein holzspezifisches Problem.
Johannes Kaufmann
Nein, das ist ein Bauthema. Die Holzbranche hat dabei den Vorteil, dass sie wesentlich beweglicher und kleiner strukturiert ist als die Stahl- oder Massivbranche.
Kathrin Aste
Daher ist ja auch die Stadt für das Holz so interessant. Bisher hatte Holz in der Stadt nichts verloren. Städte sind aus Stein – die Straßen, die Häuser, die Brücken. Holz hätte hier aber enorme Vorteile durch seine Eigenschaften. Es ist leicht, es lässt sich in Trockenbauweise verarbeiten, es hat große bauphysikalische Vorteile, es ist extrem vielseitig und viele verschiedene Firmen und Produkte bieten viele verschiedene Möglichkeiten, Holz einzusetzen und auf einen spezifischen Bedarf zu reagieren.
Wolfgang Pöschl
Es gibt Holz in den Städten. Aber Holz in der Stadt ist ein in vielerlei Hinsicht verdrängtes Material. Man darf nicht vergessen, dass Städte flächendeckend abgebrannt sind, und da hat Holz keine unwesentliche Rolle gespielt. Dadurch ist ein Mythos entstanden, den zwar die Feuerwehr in den Griff bekommen hat, aber nicht der Baustoff Holz und auch nicht Beton oder Stahl oder Ziegel. Es ist einfach total unschick, in der Stadt Holz zu verwenden. Deshalb finde ich eure Projekte auch so wichtig: Ihr habt wirklich versucht, ohne Einschränkungen an Grenzen zu gehen und Möglichkeiten zu denken, an die andere dann anknüpfen können.
Zuschnitt
Mich würde noch interessieren, von welcher Seite der Innovationsdruck ausgeht und welche konkreten Auswirkungen eine Initiative wie »warpvisions« haben kann.
Johannes Kaufmann
Die Innovation ist eine Überlebensfrage für alle Beteiligten in der Holzbranche. Es fängt beim Architekten an, der sich einfach an der Weiterentwicklung beteiligen muss, wenn er weiter mit Holz bauen will, bis zu den Zimmerleuten, die einem enormen Konkurrenzkampf durch den Massivbau ausgesetzt sind.
Kathrin Aste
Als Architekt ist man immer dazu aufgerufen, Initiator und Ideenlieferant zu sein, und wer sich dieser Motivation oder Herausforderung entzieht, stellt den Beruf in Frage.
Zuschnitt
Das heißt, es geht um Innovation aus wirtschaftlichen Gründen heraus. Man muss vordenken, was Neues bieten, immer einen Schritt voraus sein, damit man überlebt.
Johannes Kaufmann
Richtig. Und das geht natürlich weiter bis zu den Produzenten, die wirklich gut durchdachte Systeme anbieten sollten, damit sie Preise kalkulieren können, die die Holzbranche für viele Einsatzbereiche konkurrenzfähig machen. Zur zweiten Frage: Wir arbeiten zur Zeit an einem längerfristigen Projekt zur Zukunft des Holzbaus. Dabei werden die Ergebnisse von »warpvision« auf jeden Fall eingebunden. Es hat keinen Sinn zu glauben, wir wären die Einzigen, die was bewegen können. Wir brauchen Input von allen Seiten her, das ist nach wie vor der richtige Weg.
Wolfgang Pöschl
So was ist auch für die Gesellschaft wichtig. Die Gesellschaft braucht Leute, die Konventionen in Frage stellen und ich gebe Volker Giencke recht, wenn er sagt, dass es nicht nur darum geht, das Holz in die Stadt zurück zu holen, sondern das Holz in die Architektur.
DI Kathrin Aste
geboren 1968
Studium der Architektur in Innsbruck
1999 Diplom
Mitarbeit in mehreren Artchitekturbüros
Seit 2000 Assistentin am Institut für Entwerfen/studio 3, Prof. Volker Giencke
Arch. DI Wolfgang Pöschl
1971–80 Architekturstudium in Innsbruck
1972–76 Leiter der väterlichen Tischlerei
Anschließend mehrjährige Mitarbeit bei Heinz-Mathoi-Streli und Zusammenarbeit mit Reinhard Honold
2001 Gründung der tatanka gmbh mit Joseph Bleser und Thomas Thum
Johannes Kaufmann
geboren 1967
1984–87 Zimmererlehre im elterlichen Betrieb
1987–90 Bauzeichner bei Hermann Kaufmann in Schwarzach
1990–93 Bauzeichner bei Prof. Ernst Hiesmayr in Wien
1994–2001 Bürogemeinschaft mit Oskar Leo Kaufmann (Kaufmann 96 GmbH.)
1996 Baumeisterprüfung
1997 Zimmermeisterprüfung
Seit 2001 eigenes Architekturbüro
Jakob Achrainer
geboren 1967
1981–86 HTL für Nachrichtentechnik und Elektronik
Seit 1986 Servicetechniker und Serviceleiter bei Stork Prints Austria
Seit 1999 Architekturstudium in Innsbruck