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Mischen possible
Standard Solar I – IV ff

In Modul-Mischbauweise errichtet, übernimmt in den »Standard Solar«-Häusern der Architekten Georg Driendl und Gerhard Steixner jedes Material spezifische energie- und produktionstechnische Aufgaben.

erschienen in
Zuschnitt 17 Holz +, März 2005
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Standard Solar I

Fertigstellung
1987 – 89

Ort
Langenrohr/NÖ

Architekten
Driendl * Steixner

Mischen possible Standard Solar I – IV ff

Ende der 1980er Jahre, als der Wintergarten-Boom seinen Höhepunkt erreichte und Wintergärten in den Wohnzeitschriften als Inbegriff ökologischen Bauens, Lösung aller energetischen Probleme gehandelt wurden, klein-handlich-selbstbaubar, endlich genug Platz für die Zimmerpflanzen, die perfekte Ergänzung zum Frühstücksmüsli, Ende der 1980er Jahre, als die Fertigteilhausindustrie Platz zu greifen begann und vorgefertigte Häuser in Bausparmagazinen als moderne, unkomplizierte und günstige Variante auf dem Weg zum Glück angepriesen wurden, Ende der 1980er Jahre, als sich der Gedanke des Umweltschutzes endgültig in weiten Teilen der Gesellschaft festgesetzt hatte und viele Willens waren, einen Beitrag zu leisten, Ende der 1980er Jahre also, planten Georg Driendl und Gerhard Steixner das erste Haus aus der »Standard Solar«-Serie, die anschließend von Steixner alleine fortgesetzt wurde. 

»Standard Solar I« in Langenrohr in Niederösterreich ist ein Fertigteilhaus auf bestem bauphysikalischen und -biologischen Niveau, das als Niedrigenergiehaus mit passiver Sonnennutzung konzipiert wurde, energiesparend, umweltverträglich und mit hohen architektonischen Ansprüchen. Das Engagement der Planer verwandelte die zeitgeistigen Strömungen in ein Produkt, das bis heute Gültigkeit hat und am Beginn einer Entwicklung steht, deren vorläufig letztes Ergebnis das im Vorjahr fertig gestellte »art-for-art«-Bürogebäude in Haringsee in Niederösterreich ist.

Die »Standard Solar«-Häuser sind Beispiele hocheffizienter Klimaarchitektur, wie sie seit jeher selbstverständlich, in vielen Regionen der Erde absolut notwendig war und ist. Sie funktionieren – vereinfacht dargestellt – nach dem »Eisbärenprinzip«, dem klassischen Beispiel für eine optimale Anpassung an die Umgebung: Die Farbe des Fells der Eisbären ist eine optische Täuschung, die Haare erscheinen durch Reflexion des Sonnenlichts weiß. In Wirklichkeit sind sie durchsichtig und hohl, damit die Sonnenstrahlen bis auf die schwarze Haut geleitet und als Wärme gespeichert werden können. 

Auf die klimatischen und baulichen Anforderungen unserer Breiten übertragen und mit dem Erfordernis eines hohen Vorfertigungsgrades kombiniert, leitet sich daraus unmittelbar eine Modul-Mischbauweise ab, in der jedes Material spezifische energie- und produktionstechnische Aufgaben übernimmt: Bei »Standard Solar« I und III im nördlichen Teil des Gebäudes, bei »Standard Solar« IV aus Platzgründen in der Mitte, befinden sich jeweils nach Süden ausgerichtete und mit dunklem Naturstein verkleidete Absorberwände. Sie sind Teil der massiven Kerne aus Stahlbeton, die sowohl tragende als auch aussteifende und speichernde Funktionen übernehmen. An diese Kerne docken Decken und Dächer aus Brettschichtholz sowie die Primärkonstruktionen der Leichtbauteile, zarter Pfosten-Riegelsysteme aus Holz bzw. Stahl an, deren Vorteile im hohen Vorfertigungsgrad, im maximalen Volumen bei minimalem Materialaufwand und in der kurzen Montagezeit liegen.

Großflächige Verglasungen an den Süd- bzw. Ostfassaden sowie zusätzlicher Sonneneintrag über nach Süden hochgestellte Sheddach-Bänder bewirken im Zusammenspiel mit der Trägheit der massiven Speicher eine Verkürzung der Heizperiode bis um die Hälfte. Hochwertiges Wärmeschutzglas und gute Außendämmung sorgen zusätzlich für einen niedrigen Energieverbrauch, Lüftungsklappen und innen- oder außenliegender Sonnenschutz regulieren das Klima im Sommer.

Der architektonische Zugang ist deutlich geprägt von der Beschäftigung mit den Themen der Moderne: Großzügigkeit, Transparenz, Offenheit der Grundrisse, die Bedeutung von Materialien, das Verhältnis von Raum und Fläche, von Innen und Außen. Besonders am Haus »Standard Solar III« in Kritzendorf ist das Prinzip ablesbar, nach dem die Beziehung der Bauelemente zueinander aufgehoben und neu gefügt wurde. Christian Kühn schrieb im Architektur & Bauforum: »Um das Haus zu verstehen, muss man seine Pläne lesen wie eine Partitur. Der Grundriss: eine Abfolge von Schichten. Die Fassaden: eine Überlagerung rhythmisch gesetzter Flächen und Linien. An der Südfassade wird dieses Thema am deutlichsten. Der Aufriss zeigt hier die Systematik der Liniennetze von Tragsystem und Ausfachung und die dagegen verschobenen Konstruktionselemente des Balkons. Hier stoßen Materialien unterschiedlicher Klangfarben – Holz, Stahl und Beton – deutlich aneinander. Die Holzsäulen der Primärkonstruktion stehen auf Stahlbetonpfeilern die dem Haus auf der unteren Ebene vorgesetzt sind. Die Pfeiler sind durch einen durchlaufenden Balken aus Stahlbeton verbunden, der zugleich die Balkonbrüstung bildet. An ihr sind winkelförmige Stahlträger befestigt, die einerseits nach oben geführt sind, um einen hölzernen Handlauf zu tragen, andererseits im rechten Winkel als Konsolen Richtung Fassade auskragen und den Bretterboden des Balkons unterstützen. Diese Konstruktion ist bezeichnend für das Kompositionsprinzip, das bei diesem Bau zur Anwendung gekommen ist: Die Beziehung der Bauelemente wird zuerst aufgebrochen und dann neu definiert.« 

In der Abfolge der »Standard Solar«-Varianten ist eine Entwicklung von der flächigen in die vertikale Ausrichtung ablesbar. »Im Grunde geht es immer um das Verhältnis von Speichermasse zu Volumen, das mit jedem neuen Haus optimiert wurde – nicht auf dem Rechenweg, sondern empirisch«, sagt Gerhard Steixner. »In das ,art for art‘-Haus, das als erstes dieser vier Prototypen wirklich als Fertigteilhaus am Markt angeboten wird, sind – vor allem was die Konstruktion betrifft – die Erfahrungen der letzten fünfzehn Jahre in verdichteter Form eingeflossen.« Bei diesem Gebäude wurden Kosten-, Zeit- und Materialaufwand ein weiteres Mal minimiert, die Nutzungsmöglichkeiten hingegen vervielfacht, da es gelungen ist, den Leichtbauteil, der im Obergeschoss an die Speicherwand aus Stahlbeton dockt, auf eine Primärkonstruktion zu reduzieren und damit den gesamten Raum ohne Gliederung verfügbar zu machen. 

Anhand des Fassadenschnittes ist die Optimierung des Materialeinsatzes exemplarisch nachvollziehbar: Die spezifische Ausformung der Schichtholzträger macht eine Sekundärkonstruktion überflüssig. Die Trag- ist zugleich Sekundärkonstruktion, Teil der Haut und enthält die gesamte technische Infrastruktur. Durch den Einsatz von Stahl sind große Spannweiten und Auskragungen bei geringer Konstruktionshöhe möglich. Die tragende, massive Schichtholzdecke aus Fichtenholz ist statisch wirksam, wärmedämmend und zugleich fertiger Fußboden. Der umlaufende Rundholz-Handlauf dient der Sicherheit und verkürzt die Knicklänge der Pfosten, die Lüftungselemente übernehmen bezogen auf die Verglasung konstruktive Aufgaben. Damit wird jeder Baustoff gemäß seiner Eigenschaften ganz selbstverständlich eingesetzt und die Feinheit der Konstruktion verbindet sich mit der Schönheit der unbehandelten oder mit natürlichen Mitteln vergüteten Materialoberflächen.

Mies auf dem Holzweg - Christian Kühn im Gespräch mit Gerhard Steixner

Kühn
Für das Kombinieren von Materialien gibt es unterschiedliche Gründe, einerseits technische, also jedes Material dort einzusetzen, wo es seine Qualitäten optimal ausspielen kann, andererseits ästhetische, etwa nach dem Prinzip der Collage. Bei einigen deiner Projekte, die sich aus dem Standard Solar-Typ entwickelt haben, war die Idee der Collage für mich deutlich zu spüren. Bei deinem jüngsten Projekt für ein Fertighaus, dem »art for art«-Haus, ist dieser Aspekt eher in den Hintergrund getreten. 

Steixner
Von einer bewussten Collagierung würde ich hier nicht sprechen. Die Kombination von dichter Masse und der Leichtigkeit des Holzes hat mit Speicherfähigkeit zu tun, mit Raumklima und Behaglichkeit, auch mit der Statik, dass man hier einen starken Kern hat, an den der Leichtbau einfach angedockt wird. Aber es gibt natürlich einen Wechsel verschiedenster Oberflächentexturen, Farben und Härten, was sich nicht nur visuell, sondern auch akustisch auswirkt. 

Kühn
Auf den Fotos sieht das Haus auf den ersten Blick aus wie ein Stahlbau von Mies van der Rohe.

Steixner
Stahl ist hier ganz minimal eingesetzt und hilft eigentlich nur, die Dimensionierung auf einem Minimum zu halten. Im Prinzip sind nur die beiden Stützen im Erdgeschoss und die diagonalen Zugstäbe aus Stahl. Das Volumen wird mit minimalem Materialaufwand erzeugt, was beim Holzbau nicht so einfach ist. Ich habe ein spezielles Tragprofil entwickelt, das diese weit gespannte Konstruktion erlaubt. Es erspart außerdem die Sekundärkonstruktion, weil die Verglasung direkt in die Tragkonstruktion eingesetzt ist, und im Fußbereich bildet das Profil einen Graben für die Heizung, in den man nur noch die Konvektoren anhängen muss. Das ganze Projekt ist aus dem Detail heraus entwickelt. 

Kühn
Das wäre dann doch eine Beziehung zu Mies van der Rohe?

Steixner
Ja, von dem stammt ja das Zitat: »Gott wohnt im Detail.« Das Detail spielt bei mir immer von Anfang an eine Rolle im Entwurf. 

Kühn
Ursprünglich ist der Typ als Bürobau entstanden?

Steixner
Ja. Ich habe einen komplett offenen Typ entwickelt, der unterschiedliche Funktionen aufnehmen kann. Das Verhältnis der Volumina von Massivbau und Leichtbau ist hier viel bestimmender als die Funktion, weil die Speichermasse eine entsprechende Größe haben muss.

Kühn
Die Speichermasse ist nur im massiven Teil?

Steixner
Nein, auch in der Decke. Das ist eine 16cm starke Brettstapeldecke, nach unten gedämmt, die gleichzeitig als Fußboden die fertige Oberfläche bildet. Die obere Decke ist aus Kostengründen eine Leichtkonstruktion. Abgesehen vom Massivteil ist das alles vorgefertigt und innerhalb von drei Tagen aufgestellt und dicht. Holz ist ein sehr präzises, schnell zu verarbeitendes Material, und es bedarf keiner weiteren Beschichtungen, wenn man das nicht haben will. 

Kühn
Wenn man das Haus mit anderen Beispielen des vorgefertigten Bauens vergleicht, wie etwa dem Eames-Haus, dann hat es eine ganz andere Ästhetik, bei der nicht die Konstruktion im Vordergrund steht, sondern eine ruhige, fast klassische Gesamtform. Die abgerundeten Ecken verstärken diesen Eindruck noch. 

Steixner
Durch die neutrale Gesamtform ohne allzu große gestalterische Attitüden ist das Haus relativ frei, und die Vielfalt an möglichen Nutzungen ist sehr gut ablesbar. Die abgerundeten Ecken sind der einzige Luxus. Sie sind eine Erinnerung an die 1970er Jahre: Das erste Haus, das ich in der htl gezeichnet habe, hatte auch solche Ecken. Inzwischen war das ja völlig out. Aber ich glaube, sie stehen dem Haus ganz gut.

Mag.arch. Georg Driendl
Mariahilferstraße 9
A-1060 Wien
T +43 (0)1/5851868
architekt(at)driendl.at
www.driendl.at

Mag.arch. Gerhard Steixner
Neubaugasse 8/1A
A-1070 Wien
T +43 (0)1/52641950
steixner(at)aon.at
www.steixner.com

Standard Solar III

Fertigstellung
1996 – 97

Ort
Kritzendorf/NÖ

Architekten
Gerhard Steixner

Standard Solar IV

Fertigstellung
1997– 99

Ort
Langenzersdorf/NÖ

Architekten
Gerhard Steixner

»art for art« Haus

Fertigstellung
2004

Ort
Haringsee/NÖ

Architekten
Gerhard Steixner


verfasst von

Eva Guttmann

ist Autorin, Lektorin und Herausgeberin im Fachbereich Architektur

Erschienen in

Zuschnitt 17
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