Neue Umstände verlangen nach neuen Lösungen. Die belgische Stadt Namur beispielsweise kann von dieser Kausalitätskette ein Klagelied singen. Knapp 100.000 Einwohner zählte die nur 60 Kilometer von Brüssel entfernte Stadt, als 1986 beschlossen wurde, Namur zur wallonischen Regionalhauptstadt zu erklären. Mit der Veränderung der Stadt in ein administratives Zentrum gingen freilich institutionelle und stadtplanerische Veränderungen einher, nicht alle nur von positivem Ausmaß.
Mehr Verwaltung und mehr Menschen verlangten in erster Linie – abseits aller architektonischen Überlegungen – nach mehr Raum. Dieser Notwendigkeit Folge leistend, entrückte ein urbaner Aspekt nach dem anderen, neben Menschen mussten in der Stadt schließlich auch noch ihre dazugehörigen Fahrzeuge Platz finden. Erst verschwand daher der Markt auf dem zentral gelegenen Rathausplatz, bald einmal auch noch die umliegenden Fußgängerzonen. Vor ein paar Jahren zog die Stadtregierung der zum Parkplatz gewordenen Stadt die Notbremse, verbannte sämtliche Parkflächen in den Untergrund und schrieb einen Wettbewerb zur Neugestaltung aller öffentlichen Freiflächen aus.
Das atelier 4d konnte das Revitalisierungsprojekt für sich beanspruchen, 2004 wurde die umstrukturierte Innenstadt von Namur feierlich eröffnet. Manche Straßenzüge wurden miteinander wieder verwoben, Barrieren entfernt, Autos unter die Erde verbannt.
»Das Herzstück des neuen Projekts aber bildet die zentral gelegene Place d’Arme. Dany Poncelet und Jean Liard, die beiden Köpfe des Architekturateliers, haben das Unmögliche gewagt und den gesamten Platz – bis auf einen schmalen rundum gepflasterten Streifen – in Holz beplankt. Wieder die vermisste Sinnlichkeit in einen sonst so harten Freiraum der anonymen Stadtlandschaft zu bringen, war die Motivation der beiden Architekten. Und tatsächlich: In der Haptik warm und wohlig vertraut, knirscht der Platz leicht, schwingt bei jedem Schritt ein wenig und ist Teil eines subtil eingearbeiteten Wegleitsystems, doch diesmal auch für Sehende. Drei Brunnen im leichten Abseits, ein halbes Dutzend Holzbänke, das war’s dann auch schon mit der Möblierung.
Die gesamte Konstruktion besteht aus Ipé, einem robusten und strapazierfähigen tropischen Hartholz, das auch Lapacho oder Guayacan genannt wird und in Zentral- und Südamerika wächst. Verlegt wie ein herkömmlicher Industrie-Parkettboden, doch hier ausnahmsweise in einem etwas anderen Maßstab. Um selbst bei Regen eine rutschfeste Oberfläche zu garantieren, befindet sich zwischen zwei aneinander stoßenden Holzplanken jeweils ein schmaler Steg aus Edelstahl, der die glatte Holzebene um einen Hauch überragt. Bei schönem Wetter wird die Place d’Arme zur öffentlichen Terrasse für die Stadt. Während sich die einen dem Sonnenschein hingeben, betreten andere den Platz als Bühne, um ihr skatendes und tanzendes Können zum Besten zu geben. An den Wochenenden hingegen wird er endlich wieder seiner historischen Nutzung zugeführt. In den frühen Morgenstunden beginnt sich der längst schon verloren geglaubte Markt über den neuen/ alten Rathausplatz auszubreiten; das klackende Geräusch der regen Arbeiten auf dem hölzernen Boden gibt selbst dann noch Aufschluss über die Besonderheit der revitalisierten Place d’Arme.
Planung
Architekten atelier 4d
Dany Poncelet & Jean Liard
Avenue Albert 1er, 77
B-5000 Namur
Belgien
T +32(0)81/ 214820
info(at)atelier4d.be
www.atelier4d.be
Text:
Wojciech Czaja
geboren 1978 in Ruda Slaska, Polen
Seit 1981 wohnhaft in Wien
Architekturstudium an der TU Wien
Architekturschaffender und Publizist
Freier Mitarbeiter für Der Standard, Architektur & Bauforum und H.O.M.E.
Zuletzt erschien: »Wir spielen Architektur. Verständnis und Missverständnis von Kinderfreundlichkeit«, Sonderzahl Verlag, Wien 2005
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