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Wien
Stadt im Wald

Zwischen der Lobau im Osten und dem Wienerwald im Westen liegen eine Unzahl von Wäldern und Wäldchen, teils Reste ehemaliger großer Wälder, teils neue, von der Stadt planmäßig angelegte Wälder.

erschienen in
Zuschnitt 20 Holz urban, Dezember 2005
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Im Jahr 1289 beginnt die Erfolgsgeschichte der Stadt Wien als Waldbesitzerin. Damals erwarb die Stadt den Kalksburgerwald südlich der Reichen Liesing. Die frühen Wälder der Stadt erlitten unterschiedlichste Schicksale: Der Schuhbrecherwald unter dem Kolbeterberg wurde in kriegsbedingter Notzeit besiedelt, der Gablitzer Wald gegen stadtnahe Wälder eingetauscht und durch den Rotwasserwald führt heute die Westautobahn. Alle Flächen lagen im Wienerwald, die Erträge dienten der Armenversorgung.

Heute ist der Wiener Wald mehr als der Wienerwald: Er ist auch die Lobau, ist die Donauinsel, ist der Schneeberg, ist großzügiger Grünraum, der die Stadt in weiten Bereichen umschließt. Kauf, Schenkungen, Erbschaften und Eingemeindungen verhalfen der Stadt zum großen Grüngürtel.

Ein Meilenstein für Wien auf dem Wege zur »Waldstadt« war die erfolgreiche Abwehr des Verkaufs des Wienerwalds als »unrentablen Staatsbetrieb« durch den Reichsratsabgeordneten Josef Schöffel. Aufgrund seiner Aktivitäten wurde 1893 der Vorschlag im Gemeinderat eingebracht, eine Grünzone als »Volksring« um die dicht verbauten Gebiete festzulegen und unverbaut zu belassen. 1905 kam es schließlich zur Festlegung des »Schutzgebiets Wald- und Wiesengürtel«, der planmäßige Erwerb des restlichen Gebiets begann. Heute nennt die Stadt 8000 ha Wald und Wiesen und 2300ha Äcker im Stadtbereich ihr Eigen, ganz zu schweigen von 34.000ha Quellenschutzwäldern auf Rax, Schneeberg und Hochschwab.

Die großen Waldgebiete in Stadtnähe, wie der Lainzer Tiergarten, verdanken ihren Erhalt der Jagdleidenschaft der Habsburger oder, wie die Lobau, dem periodischen Hochwasser. Weite Bereiche im Lobau-Vorland und im Wienerwald wurden aber in den Notzeiten nach den Weltkriegen von Menschen ohne Land und Wohnung in sogenannten Kolonien besiedelt.

Heute ist der Lainzer Tiergarten, übrigens seit 1937 im Besitz der Stadt Wien, ein Naturschutzgebiet und Wildtierpark von europäischem Format: 2500ha groß, umgeben von einer 22 km langen Mauer. 1000 Wildschweine, 600 Mufflons, 250 Damhirsche und 120 Rothirsche teilen sich das Areal mit jährlich rund 500.000 Besuchern. Die eindrucksvollen Wälder werden von 30 einheimischen Baumarten gebildet, die Eichen und Buchen sind die häufigsten, der Speierling ist der seltenste Baum. Im Waldreservat Johannser Kogel sind 400-jährige Eichen die zentralen Elemente des Waldes, große Mengen an stehenden und liegenden, toten Baumriesen bilden ein einzigartiges Biotop für Hirsch- und Eichenbockkäfer, 13 heimische Fledermausarten oder für den Zwergschnäpper, einen kleinen, seltenen Singvogel. Natürlich tummeln sich hier auch Wissenschafter unterschiedlichster Fachrichtungen und internationale Fernsehteams.

Der Wienerwald, der zum Großteil gar nicht in Wien, sondern in Niederösterreich liegt, wurde im August 2005 als Unesco-Biosphärenreservat anerkannt. Im Osten der Stadt liegt, an der Donau, das Gegenstück zum Lainzer Tiergarten: die 2300ha große Lobau.

Bereits von Kaiserin Maria Theresia der Stadt Wien geschenkt, wurden bald große Äcker im Auwald angelegt, um ein Mindestmaß an Armenversorgung über den Bürgerspitalfonds zu ermöglichen.

Die ökologische Vielfalt und der soziale Wert des Auwalds wurden von den Verantwortlichen der Stadt früh erkannt: Bereits 1977 wurde die Lobau als Unesco-Biosphärenreservat anerkannt, ein Jahr später zum Naturschutzgebiet erklärt und seit 1996 ist die Lobau der Wiener Teil des Nationalparks Donau-Auen. 5000 Tier- und Pflanzenarten finden heute in den Auen geschützte Lebensräume, die Nationalpark-Kernzonen sind vom Menschen weitestgehend unbeeinflusst. Die aus der Stadt anströmenden Besuchermassen – 650.000 Menschen pro Jahr – werden von den städtischen Förstern in die Randzonen manövriert. Ein umfangreiches Besucherprogramm des Wiener Forstamts bietet Freizeit-, Sport- und Bildungsangebote. Wer nicht weiß, wie er in die Auen kommt, kann von Mai bis Oktober mit dem Nationalpark-Boot des Forstamts direkt aus dem Stadtzentrum in die Au gelangen – ein immer ausgebuchtes Angebot, was nicht wundert, denn welche europäische Großstadt hat sonst noch einen Nationalpark innerhalb ihrer Grenzen?

Zwischen diesen Polen der Stadt – Lobau im Osten und Wienerwald im Westen – liegen eine Unzahl von Wäldern und Wäldchen, teils Reste ehemaliger großer Wälder, teils neue, von der Stadt planmäßig angelegte Wälder. Ende der 1950er Jahre wurde mit dem Aufforstungsprogramm zur Schließung der Lücken im Wald- und Wiesengürtel begonnen – am Laaer Berg in Favoriten, dem einwohnerreichsten Bezirk Wiens. Angrenzend an den letzten Flaumeichenwald Wiens wurden 30ha Mischwald angelegt – eine stadtplanerische Pioniertat der damaligen Zeit. 1990 wurde nicht weit entfernt das 120ha große Erholungsgebiet Wienerberg auf einer ehemaligen Industrielandschaft aus Ziegeleiruinen und Tongruben geschaffen. Dieses Gebiet hält den Rekord an Besucherzahlen aller städtischen Wälder: 1,25 Millionen Menschen und 200.000 Hunde wurden hier 2004 gezählt.

Das Aufforstungsprogramm wird auch heute noch weitergeführt, jährlich werden ca. fünf Hektar neuer Wälder angelegt, so dass auch in Wien, wie in ganz Österreich, die Waldflächenbilanz positiv ist.

Die Stadt Wien investiert viel in ihre Grünräume, sie sind Teil der Lebensqualität dieser Stadt. Die Städter nehmen ihren Wald oft als selbstverständlich hin und werden erst bei sichtbaren Eingriffen wirklich böse. Daran ist dann zu erkennen, dass sie den Wald brauchen, ihn verehren, lieben, oft auch missbrauchen und missverstehen – aber gleichgültig ist er ihnen nicht.

Text:
DI Andreas Schwab
Public Relations
MA 49 – Forstamt und Landwirtschaftsbetrieb der Stadt Wien
Volksgartenstraße 3
A-1082 Wien
T +43 (0)1/4000-97922
swa(at)m49.magwien.gv.at
www.wien.gv.at/wald

Info
Nationalpark-Boot in die Lobau
von Mai bis Oktober täglich
Information & Anmeldung:
MA 49 – Forstamt und
Landwirtschaftsbetrieb
der Stadt Wien
Nationalpark-Forstverwaltung Lobau
T +43 (0)2249/2353

Literatur

»Wiener Wälder«
Oliver Lehmann, Andreas Schwab, Lois Lammerhuber
Bohmann, Wien 2005
385 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen
isbn 3-90198323-6, EUR99,55

Die Wiener Wälder sind mehr als der Wienerwald – und das Forstamt der Stadt Wien mehr als eine herkömmliche Forstverwaltung: Zu den Revieren der Förster, Forstarbeiter und Landwirte der Magistratsabteilung 49 gehören unter anderem Buchenwälder, Aulandschaften, Felsabbrüche, Lagerwiesen, Flüsse und Wirtshäuser. All das und noch viel mehr auf einer Fläche, die größer als die Bundeshauptstadt ist und mindestens so vielfältig wie Wien selbst. Die Tätigkeiten des Forstamts lassen sich dementsprechend nicht auf den ökonomischen Selbstzweck der Holzwirtschaft reduzieren, sondern haben auch die Menschen der Stadt im Blickfeld, denen die Wälder, Auen, Natur- und Quellschutzgebiete eine optimale ökologische Grundversorgung garantieren. Beeindruckende Bildstrecken, atmosphärische Essays und fachliche Exkurse erlauben informative, überraschende und berührende Einblicke in die Naturräume der Stadt.

Erschienen in

Zuschnitt 20
Holz urban

Wie Holz in der Stadt auch gestaltet wird – es bleibt ein intimes Material, wie die Kleidung der Leute auf der Strasse.

8,00 €

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Zuschnitt 20 - Holz urban