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Hans Schabus

Hans Schabus zum Teil brachiale Eingriffe in bestehende Architektur dienen auch der Wahrnehmungserweiterung und Bewusstseinsbildung dessen, was Raum und folglich Zeit für jeden Menschen ausmachen.

erschienen in
Zuschnitt 22 Wasserkontakt, Juni 2006
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»forlorn«

Strecken und Raumbewältigungen sind jene Parameter, die das Leitsystem von Hans Schabus’ Werk stützen. Schabus verändert mit seinen Arbeiten jeden vorher gekannten Ist-Zustand mit Hilfe von baulichen Interventionen an jeglicher Art von Infrastruktur oder Ausstellungsraum. Diese zum Teil brachialen Eingriffe in bestehende Architektur dienen auch der Wahrnehmungserweiterung und Bewusstseinsbildung dessen, was Raum und folglich Zeit für jeden Menschen ausmachen. Wenn Hans Schabus beispielsweise die Besucher von außen über einen Holzsteg in das Innere des Kunsthauses Bregenz schickt, weist er dabei bewusst auf die Fragilität von architektonischen Gegebenheiten hin, sobald sie mit Naturgewalten wie Hochwasser konfrontiert sind oder bewusst und gewollt durch den Menschen verändert werden. Im Innenraum wird diese Strategie der veränderten Zugangsmöglichkeiten fortgesetzt und der Besucher muss sich über den Holzsteg zur Kassa retten, ohne dabei nass zu werden, da Teile der Eingangsebene vom Künstler geflutet wurden.

Ebenfalls Teil der Ausstellung »Das Rendezvousproblem« (2004, Kunsthaus Bregenz) war das schon 2002 zum Einsatz gekommene Segelboot der Klasse Optimist, das Schabus anlässlich des Films »Western« (2002, u.a. Manifesta iv, Frankfurt/ M) selbst konstruierte und baute. Das Boot, das als Amphibie konzipiert sowohl am Wasser als auch am Land steuerbar ist, trägt den Namen »forlorn« und dient dem Künstler in diesem Film als eine Art Shackleton’sche »Endurance« für eine Expedition durch die Abwasserkanäle Wiens. Ausgangspunkt dieser Reise ist eine Zither, durch deren Schallloch der Blick in den Resonanzkörper gezoomt und weitergeleitet wird über die verschiedenen Oberflächenöffnungen – eines Waschbeckens, einer Badewanne, eines Gullys bis in den Schlund eines WCs und schließlich in das Wiener Kanalsystem.

Diese Bilder von Öffnungen, Rohren und Kanälen dienen der Übersetzung des Reisegedankens und des Fortkommens. Dabei nützt der Künstler jegliche Form der Fortbewegung und integriert deshalb ein Rad am Bootskörper. Dieses perfekt gearbeitete Holzboot verwendet Hans Schabus immer wieder, um von Ausstellungsort zu Ausstellungsort zu segeln, auch wenn nur Teiletappen der imaginären Tour tatsächlich physisch vom Künstler im Boot bewältigt werden.

Zuletzt kam der Optimist »forlorn« anlässlich der 51. Biennale in Venedig zum Einsatz. Auch hier baute Hans Schabus seine Architektur- und Raumintervention nahe am Wasser. Er stülpte dem ÖsterreiCH-Pavillon gleich einen ganzen Berg über, dessen im Innern liegende verwinkelte Tunnelsysteme und Holzstege jener Vorstellung von Reisen und Wegbewältigung entsprechen, die Hans Schabus in all seinen Werken durchkonzipiert.

Das Material Holz erweist sich dem gelernten Tischler, der nach seiner Lehre auf der Akademie der bildenden Künste studierte, als unabdingbar universelles Material, das auf die alte und lange Tradition verweist, die dieser Werkstoff sowohl im Tunnel- als auch im Bergwerksbau hat und im Fall des Segelboots für den Beginn der Mobilität durch den Schiffsbau steht.

Hans Schabus

geboren 1970 in Watschig, Kärnten
lebt und arbeitet in Wien

Einzelausstellungen (Auswahl)

  • 2006 attitudes – espace d’arts contemporains, Genf ... should I leave or should I go..., Galleria Zero, Milano Kasseler Kunstverein, Kassel
  • 2005 The Last Land, Biennale di Venezia, Österreich-Pavillon
    Alles muss in Flammen stehen, Engholm Engelhorn Galerie, Wien
  • 2004 Das Rendezvousproblem, Kunsthaus Bregenz
  • 2003 Der Schacht von Babel, Kerstin Engholm Galerie, Wien
    Astronaut (komme gleich), Secession, Wien

Gruppenausstellungen (Auswahl)

  • 2006 onestar stop, Art Metropole, Toronto
    Condiciòn postmedia, MediaLabMadrid, Madrid
    Kontracom06, Salzburg
    Biennale Urbi&Orbi, Sedan
    International 06, Liverpool Biennial, Liverpool
    Die Postmediale Kondition. arco 2006, Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Graz
  • 2005 Night Sites, Kunstverein Hannover
    Entdecken und Besitzen.
    Einblicke in österreichische Privatsammlungen, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien

Fotos

© Courtesy EngholmEngelhorn Galerie, Hans Schabus


verfasst von

Stefan Tasch

Studium der Kunstgeschichte in Wien und Edinburgh, arbeitet als freier Kurator

Erschienen in

Zuschnitt 22
Wasserkontakt

Holz trifft auf Wasser und reagiert ambivalent: Beim Bauen gilt im Allgemeinen der Grundsatz, dass jede Feuchtigkeit von Holz fernzuhalten sei. In vielen anderen Bereichen gehen diese beiden elementaren Grundstoffe enge Verbindungen ein und ergänzen sich auf wunderbare Weise. Tatsache ist: Menschen mögen die Kombination – besonders als Liegestuhl am Meeresstrand.

8,00 €

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Zuschnitt 22 - Wasserkontakt