Heimwerken ist ein weites Feld: Heimwerken beginnt damit, eine Glühbirne auszuwechseln, wenn der Lampenschirm eineinhalb Meter über einem schwebt. Denn dann muss zumindest ein wichtiges, wenn auch gefährliches Heimwerker-Utensil hinter dem Kasten hervorgeholt werden: die Leiter. Heimwerken heißt auch, Nägel in die Wand zu schlagen, um Bilder aufzuhängen – oder ab und zu auch umzuhängen. Dann geht nämlich das Heimwerken gleich weiter – mit einer Tube Moltofill, um die unschönen Löcher an den Wänden zu verputzen. Ein filigranes Unterfangen, wenn der Putz zum Beispiel bröckelt.
Ich bin die Heimwerkerin bei uns im Hause. In einer Lebensgemeinschaft mit einem schöngeistigen Mann, der zumindest vor 15 Jahren Beethoven-Klaviersonaten fehlerfrei rauf und runter gespielt hat, gewöhnt man sich an diesen Gedanken. Der Mann an meiner Seite hielt mich auch gerne in dem Glauben, dass er zwei linke Hände hat. Die sind kein Problem bei schnellen Läufen auf der Tastatur, beim Lampen Anschließen, Sessel Abschleifen, Schränke Lackieren, Regale Anschrauben und Badezimmerspiegel Aufhängen sind sie eines.
Es hat mit dem Vater zu tun, sagt der Mann an meiner Seite. Seiner musste schon öfter mit penibel geordnetem Werkzeugkoffer in die Bundeshauptstadt anrücken, wenn ich mit meinen Heimwerkerinnen-Fähigkeiten am Ende war. Der Schwiegervater stieg auf die Leiter – schon stand die Bücherwand, hing der schwere Spiegel mit dem Goldrahmen, war die Garderobe nicht mehr ein ungeordneter Haufen an Mänteln und Schuhen.
Aber es kommt der Punkt im Leben eines jeden Mannes, an dem er sich offensichtlich emanzipieren muss: vom Vater. Und auch von der Heimwerker-Frau. Und ehrlich, es war absehbar: Wer nicht nur Beethoven-Sonaten, sondern auch Fußball und Playstation liebt, für den ist der Weg in den nächsten Baumarkt nicht mehr weit. Und das kam so: Der Mann an meiner Seite hat ein neues Büro bezogen und in dem sitzt er jetzt vor dem Computer. Aber vorher, da stand er wochenlang auf der Leiter – hat Kabeltrassen montiert, Stromleitungen und den neuen Holzboden verlegt. Tagsüber war er oft nicht erreichbar, weil im Baumarkt das Handy keinen Empfang hatte, und nachts lag er neben mir im Bett – mit stolzgeschwellter Brust. »Heimwerken«, sagte der Mann an meiner Seite mit großer innerer Befriedigung, »verschafft einem die Genugtuung, dass man eigentlich viel mehr kann, als man sich jemals zugetraut hätte.« Dann schlief er ein.
Ich liege weiter wach, gehe im Geiste durch unsere Wohnung: Ich stelle mir vor, wie schön der Raum wäre, wenn endlich die Mauer zwischen Küche und ungenütztem Vorzimmer fiele; sehe den Leinenvorhang, der noch immer nicht hängt, weil die Vorhangstange seit Monaten hinter dem Kasten verstaubt; gehe in das alte Badezimmer, das mit einem größeren Spiegel ein bisschen schöner wäre; den russischen Luster bemerke ich schon gar nicht mehr. »Heimwerken ist vor allem die traurige Tatsache, dass man nie so perfekt ist, wie man gerne glaubt, dass man ist«, denke ich mir und träume von meinem Mann, der bei uns zuhause auf der Leiter steht. Morgen muss ich endlich die Glühbirne im Vorzimmer wechseln. Dann schlafe ich ein.