Laut einem Bericht der Wochenzeitung »Die Zeit« am 6. Oktober 1967 hatte die deutsche Arbeitsgemeinschaft Holz damals einen großen deutschen Möbelhersteller auf Unterlassung der Bezeichnung »Kunststoff-Furnier« für die vom Unternehmen eingesetzten Laminate verklagt, da der Ausdruck Furnier, so die Begründung, auf Holz hindeute. Das Verfahren ging bis zum Bundesgerichtshof. Der Duden bot keine klare Hilfe, die Synonyme, die er für das Wort »Furnier« anbot, lauteten: Blattholz, Belag, Deckblatt. Dass es Holz sein müsse, war daraus also nicht abzuleiten.
Der Begriff »Furnier« kommt vom italienischen fornire – ausstatten oder dem französischen fournir – aufbringen. (Aber Vorsicht: Das französische Wort für »Furnier« lautet »feuille de placage«.) Inzwischen definiert der Duden den Begriff eindeutig: dünnes Deckblatt aus wertvollem [gut gemasertem] Holz, das auf Holz von geringerer Qualität aufgeleimt wird.
Dennoch bleibt die Terminologie auf dem Gebiet der unterschiedlichen Varianten, weniger wertvolles Holz oder Holzwerkstoffe mit dünnen Schichten optisch wertvollen oder wertvoll scheinenden Materials zu belegen, höchst unübersichtlich. Und selbst dem geschulten Auge bereitet es Probleme, die verschiedenen Qualitäten und Materialien einwandfrei auseinanderzuhalten.
Schon 3000 v. Chr. kannte man im mit Wäldern wenig gesegneten Ägypten ein Verfahren, weniger ansehnliche Untergrundmaterialien mit dünnen Brettern aus raren, edlen Hölzern zu belegen. Ihre Blütezeit erlebte die Furniertechnik in Renaissance, Barock und Rokoko. Das deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm nennt einen Georg Renner aus Augsburg, der im 16. Jahrhundert eine Furniermühle »zum Schneiden von Furnierplatten« erfunden hat.
Das erste Patent auf die maschinelle Herstellung von Furnieren hatte der englische Ingenieur Marc Isambard Brunel inne, der Anfang des 19. Jahrhunderts eine dampfbetriebene Furnierschneidemaschine entwickelte und so Arbeitszeit und Verschnitt verringerte. Mit der Industrialisierung blieben Furniere nicht mehr den wirtschaftlichen Eliten vorbehalten, sondern wurden für breite Bevölkerungsschichten erschwinglich und dominierten vor allem mit dem zunehmenden Einsatz von Spanplatten nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die 1960er Jahre die Oberflächen in Möbelbau und Innenausbau. Eine ernste Konkurrenz bekamen sie von Oberflächenbeschichtungen in Form von Laminaten, bestehend aus bedruckten Papierbahnen und Melaminharzen oder von Dekorfolien aus PVC.
»Anything goes« scheint heute im Überfluss der Möglichkeiten die Devise zu lauten. Dabei ist nicht alles aus Holz, was danach aussieht, und nicht alles pure Synthetik, was keine eindeutige Holzoptik aufweist. So genannte Fineline-Furniere werden aus Schälfurnieren von hellen Hölzern wie Pappel oder Abachi hergestellt. Von Verwachsungen und Ästen befreit, werden sie gebleicht und gefärbt, um danach in einer per Computer errechneten Reihenfolge gemäß der gewünschten »Holzart« oder Struktur zu Blöcken gepresst zu werden, aus denen schließlich die fertigen Furniere gemessert werden. So entstehen – in großen Mengen in konstanter optischer Qualität verfügbar – Nachbildungen aller denkbaren Holzarten oder jede andere gewünschte Ornamentik: Vom dezenten Streifenmuster über Fischgrätenmuster, Karos oder malerisch wolkige Dekors und Blumenmuster ist alles möglich. Es handelt sich um Furnier aus echtem Holz, sieht aber oft nicht danach aus.
Kai Stania ist beim Büromöbelhersteller Bene seit zwölf Jahren maßgeblich für Design und Entwicklung der meisten Serienprodukte des Unternehmens mitverantwortlich. Zu seinen Aufgaben zählt auch vorherzusehen, welche Farben und Furniersorten in einigen Jahren gefragt sein werden. Wie geht der »Dottore Colore«, so der Spitzname des erfolgreichen Produktdesigners, mit dieser unendlichen Vielfalt an verfügbaren Oberflächen um? Alle zwei Jahre ändert sich die Mode, und meistens ist es ein Wechsel zwischen hellen und dunklen Hölzern. Während seiner Anfänge bei Bene war Ahorn in, dann kamen bald die dunklen Töne. In der Bürowelt passiert der Trendwechsel allerdings langsamer als in der Wohnwelt, für die Stania auch tätig ist. Große Unternehmen legen schließlich Wert darauf, dass ein Produkt auch nach zehn Jahren noch lieferbar ist. Daher ist es wichtig, sowohl Hölzer und Farben im Programm zu haben, die kurzfristige Moden überdauern, als auch mit ausgewählten Produkten Akzente zu setzen und aktuelle Trends aufzunehmen.
Modehölzer wie Zebrano oder Makassar – dessen Beliebtheit übrigens schon wieder im Abflauen begriffen ist – seien weniger dazu geeignet, einen ganzen Raum zu tapezieren. Wichtig sei die Farbwirkung als Ganzes, egal ob es sich um echtes Holz oder bloß um ein Imitat handelt. Oft käme übrigens beides zugleich in gleicher Optik zum Einsatz. Das Echtholz-Furnier bleibt dabei meistens den Mitgliedern der Führungsetage vorbehalten, denen so das Bewusstsein vermittelt wird, auf echtem Holz zu sitzen.
Im Back-Office gibt es dann oft die gleiche Produktlinie in gleicher Optik, allerdings in der Laminat-Ausführung. Alles machen zu können, was man will, sei nicht das Thema. Wesentlich sei vielmehr, zu wissen, was man erreichen will. Berührungsängste hat Stania sehr wohl: zum Beispiel mit Absurditäten wie Laminaten, die eine Holzoptik vortäuschen und dann zum Beispiel eine Birnenmaserung mit der Farbe einer Eiche kombinieren. Farben haben viel mit Kommunikation zu tun, sie transportieren Unternehmenskultur und deshalb, so Stania, »versuche ich, den ehrlichen Weg zu gehen«.
Vogelaugenahornfurnier
Fineline-Furnier, Imitation eines Vogelaugenahornfurniers aus Pappelholz
Zebrano, vier Furnierblätter gestürzt
Fineline-Furnier, Fantasiemuster aus Pappelholz
Foto:
© Hertha Hurnaus
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