Wir haben dieses Haus gebaut, wie man ein modernes Auto baut – Sie werden daher ein hochwertiges, modernes Industrieprodukt pünktlich und zu festen Katalogpreisen geliefert erhalten.
aus dem Prospekt der Lignospan Holzindustrie Kommanditgesellschaft, Wien IV, Gußhausstraße 28
Mit diesem Slogan und der Formgebung durch Roland Rainer wurde das Lignostahl-Haus in den 1960er Jahren als Serienprodukt vorgestellt und beworben.
Die Lignospan Holzindustrie beschäftigte sich damals sowohl mit Überlegungen zur Herstellung von Bauskeletten aus Stahl als auch mit der Herstellung von Holzplatten. 1961 meldete sie hierzu ein Patent unter dem Titel »Verfahren zur Herstellung von Formkörpern, insbesondere Platten aus zerkleinertem Holz, Flachsschäben, Bagasse oder anderen Materialien« an. Die Kombination von tragendem Bauskelett aus Stahl und ausfachenden Holzplatten für Böden, Wände und Decken kulminierte vorerst – so heißt es – in rudimentären Prototypen, die als »Bauhütten« in größerer Zahl nach Spanien geliefert wurden.
Anfang der 1960er Jahre kontaktierte Reinhold Plotz, Direktor der Lignospan Holzindustrie, den weithin bekannten Architekten Roland Rainer, um ihn mit der Etablierung eines neuen Bausystems hinsichtlich einer seriellen Entwicklung von Häusern zu Wohnzwecken zu beauftragen; vornehmlich ging es um die Formfindung und -gebung auf Basis der Kombinationsbauweise (Stahlskelett/Holzpaneele), aber auch um die Bewerbung des Systems, der Roland Rainers Kompetenz und Popularität zugute kommen sollte. Angeboten wurde das Haus in drei Typen, die sich bei gleicher Bauweise nur in der Längenentwicklung unterschieden: Wochenendhaus, Normaltyp, erweiterter Normaltyp.
Das erste Haus wurde am Werksgelände errichtet und mit dem Namen »Lignostahl-Haus« versehen, darüber hinaus war eine Aufstellung am Karlsplatz im Zentrum Wiens geplant. Aufgrund der Absage der Stadt sowie des unmittelbar nach Fertigstellung des Prototyps eingeleiteten Konkurses der Firma Lignospan blieb es bei dieser ersten Einzelanfertigung.
Dieses Haus ist somit ein wichtiger Zeuge der damaligen Aufbruchstimmung in Österreich. Im Laufe der Jahrzehnte wurde es mit einer zweiten Haut aufgedoppelt und bis zur Unkenntlichkeit umhüllt.
Wie sich erst beim Abbau zeigte, war das Haus dadurch aber erfreulicherweise geschützt, ja es wurde nahezu konserviert und blieb von äußeren Einflüssen weitestgehend verschont.
Irmgard Plotz, die Tochter des ehemaligen Direktors und Besitzerin des Lignostahl-Hauses, musste das Gebäude vom mittlerweile verkauften Werksgelände entfernen. Sie kontaktierte ab 2007 zahlreiche öffentliche sowie private Organisationen und Personen. Sämtliche Lösungsideen, Vorschläge und bereits getätigte Zusagen verpufften, je näher der Räumungstermin kam. Es war klar, dass gehandelt werden musste, es ging schließlich darum, die Zerstörung eines authentischen Denkmals abzuwenden. Schließlich nahmen wir, driendl*architects, uns der Sache an. Sogleich wurde eine Privatperson gefunden, die sich dazu bereit erklärte, dem Haus zu einer neuen Gegenwart zu verhelfen.
Der tatsächliche Abbau fand im August 2009 statt. Schrittweise wurde die nachträglich angebrachte Hülle entfernt, das Haus entkernt und in seine ursprünglichen Einzelteile zerlegt, verpackt, abtransportiert und professionell gelagert. Nahezu der komplette Bausatz aus dem Jahre 1964 konnte somit bewahrt werden.
Die Stahlkonstruktion hatte die Jahre durchwegs schadlos überdauert, ein Gutteil der Holzpaneele blieb unbeschädigt, nur partiell kamen zerstörte Elemente ans Tageslicht; nicht brauchbare Teile konnten durch den parallelen Abbau eines ähnlich konstruierten, ebenfalls am Werksgelände befindlichen Haustyps ersetzt werden. Lediglich einige Sekundärteile wie Fensterrahmen, Türkonstruktionen oder Zwischenkonstruktionen sind neu herzustellen, diese können jedoch ohne großen Aufwand nachproduziert werden.
Während des Abbaus wurden interessante Detaillösungen der Konzeption sichtbar, etwa in Bezug auf die Optimierung und Minimierung des Eigengewichts des Stahlskeletts durch Verarbeitung von gekantetem Stahlblech zu Profilen oder bezüglich der thermischen Isolation: Die Durchdringung der Stahlteile durch die Holzpaneele wurde elegant gelöst, indem passgenaue Papierhülsen über die Verbindungsbolzen geschoben wurden. Oder hinsichtlich der Holzpaneele selbst, welche einerseits zwecks Wärmedämmung mit einer Zwischenschicht aus Styropor als Sandwich hergestellt, andererseits untereinander mit einem Nut-Feder-System und umlaufenden Gummischlauchdichtungen verbunden wurden.
An verschiedenen Bauteilverbindungen, etwa zwischen Wand und Dach, lässt sich ablesen, dass das Lignostahl-Haus in dieser prototypischen Form für einen Serieneinsatz nicht problemlos tauglich gewesen wäre. Der Status des Prototyps ist klar eingeschrieben, für eine serielle Fertigung hätte es durchaus der Verfeinerung und Modifikation bedurft.
Kehrt man zu dem Eingangsslogan zurück und betrachtet das Lignostahl-Haus wie ein »modernes Auto« mit einer Zeitspanne zwischen Produktion, Betrieb und Recycling, käme man der ursprünglichen Motivation des Projekts wohl näher.
Lignostahl-Haus
Architekt
Roland Rainer
Hersteller
Lignospan Holzindustrie
Die Erfindung betrifft ein Verfahren (…), bei welchem aus den gegebenenfalls mit Bindemittel versetzten Ausgangsmaterialien vorgeformte Kuchen gebildet und unter Einwirkung von Wärme gepreßt werden, wobei die Erwärmung der Kuchen durch an deren Preßflächen anliegende Heizplatten und durch ein auf die ganze Masse der Kuchen wirkendes Hochfrequenzfeld erfolgt.
aus der Patentschrift Nr. 245242 zum »Verfahren zur Herstellung von Formkörpern, insbesondere Platten aus zerkleinertem Holz, Flachsschäben, Bagasse oder anderen Materialien«
Fotos
© Archiv Roland Rainer, driendl*architects