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Sliding House in Suffolk

erschienen in
Zuschnitt 40 Holz und Stahl, Dezember 2010
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Daten zum Objekt

Standort

Suffolk/GB

Bauherr

Ross Russell

Planung

dRMM de Rijke Marsh Morgan Architects London/GB 
www.drmm.co.uk

Statik

Michael Hadi Associates London/GB 
www.mha-consult.co.uk

Holzbau

N. N.

Stahlbau

North Bay Engineering Limited Lowestoft, Suffolk/GB 
www.northbay.co.uk

Fertigstellung

2009

Typologie

Einfamilienhaus

Zwischen Tradition und Fortschritt

Ein Haus, das sich bewegen kann? Nichts Ungewöhnliches, sagt Alex de Rijke. Schon gregorianische oder viktorianische Sommerhäuser seien auf Schienen dem jeweiligen Stand der Sonne gefolgt, und das ziemlich Lowtech. Nichtsdestoweniger hat das englische Architekturbüro drmm von Alex de Rijke, Philip Marsh und Sadie Morgan, das schon des Öfteren mit innovativen Holzkonstruktionen überrascht hat, bei dem Haus in Suffolk einmal mehr Unmögliches möglich gemacht.

Die Bauherren wollten dem hektischen Stadtleben den Rücken kehren. Das perfekte Grundstück mitten im Grünen war bald gefunden, konnte allerdings nur unter Erfüllung strenger Behördenauflagen bebaut werden. Der Neubau sollte den traditionellen länglichen, mit Holz verkleideten Scheunen nachempfunden werden. Architekt Alex de Rijke und der Bauherr ließen sich durch diese Vorgabe nicht beirren und konterten mit einer archetypischen, aber beweglichen Hülle.

So entstand ein eher konventionelles Gefüge, bestehend aus Wohnhaus, Gästehaus und einer aus der Achse abgerückten Garage. Darüber stülpt sich eine bewegliche Hülle, die auf eingelegten Stahlschienen dahingleitet und von vier mit Autobatterien angetriebenen Elektromotoren bewegt wird.

Drückt der Bauherr den Knopf auf seiner Fernbedienung, dann hört er ein leises Surren, die versteckten Räder beginnen sich zu drehen und eine 20 Tonnen schwere, 16 Meter lange, 6 Meter breite und 7 Meter hohe Schale setzt sich in Bewegung. Für die gesamte Strecke braucht das bewegliche Haus 6 Minuten.

Die eher ungewöhnliche Hülle ist nicht nur eine Antwort auf die strengen Baugesetze, sie entstand auch aufgrund einer einfachen Überlegung: Küche, Essplatz und Wohnzimmer sollten sich zur Sonne und zur Natur hin mit großen Glasflächen öffnen. Bei zu viel Glas können sich die Räume im Sommer überhitzen, in den Wintermonaten aber will man die Sonne gerne ins Haus lassen. Damit war die Idee eines beweglichen Sonnendaches, das sich den äußeren Bedingungen anpassen kann, geboren. Die wärmegedämmte Holz-Stahl-Konstruktion der beweglichen Hülle ist mit Lärchenholz beplankt und mit den Ausschnitten der Dachfenster versehen. So ist auch bei geschlossenem Zustand der Blick aus dem darunterliegenden Glashaus gewährleistet. Der nach Westen orientierte Wintergarten besteht aus kostengünstigen vorgefertigten Industrieprodukten, der daran angrenzende geschlossene Teil des Wohnhauses ist in herkömmlicher Holzständerbauweise errichtet und in eine rote, wasserdichte Kunststoffmembran gehüllt. An der Rückseite des Hauses bilden die Garage und das schwarz gestrichene Gästehaus einen kleinen Innenhof, der je nach Position der Hülle manchmal offen, manchmal überdacht vom Außen- zum Innenraum mutiert.

Die technische Umsetzung gestaltete sich schwierig, denn es durfte ja keine abstehenden Bauteile wie Dachrinnen oder Antennen geben. Das Regenwasser rinnt nun hinter der Holzschalung ab und wird über eine herkömmliche, im Boden versteckte Rinne abgeführt. Dockt der bewegliche Teil am Wohnhaus an, dienen rote Nylonbürsten als Windstopper. Als Energiequelle wurde Erdwärme gewählt, so konnte auf Kamine verzichtet werden. Außerdem musste ein der beweglichen Hülle angepasstes Fluchtwegkonzept entwickelt werden. Aus Sicherheitsgründen sind die Türöffnungen so konzipiert, dass es an jedem Punkt des Fahrweges immer einen Ausgang ins Freie gibt. Ist eine Tür verschlossen, öffnet sich eine andere.

Das Innere des Hauses wirkt überraschend »normal«. Küche, Wohn- und Essbereich befinden sich im gläsernen Wintergarten, rückwärtig liegen Wirtschaftsraum, Schlafzimmer und Bad. Über eine Galerie gelangt man ins erste Obergeschoss mit einem zweiten Schlafzimmer und einem Badezimmer. Der Innenraum wird dann zum Erlebnis, wenn sich das Dach in Bewegung setzt. Sogar das Baden unter freiem Himmel ist dann möglich.

Die bewegliche Außenhülle ist nicht nur ein Spektakel für sich, sie sorgt für eine radikale Flexibilität und macht diese für den Bewohner physisch spürbar.

Fotos

© Alex de Rijke


verfasst von

Karin Triendl

geboren in Innsbruck, freie Autorin, Architektin und Geschäftsführerin von Work Space Architekten Wien/Innsbruck www.workspace.at

Erschienen in

Zuschnitt 40
Holz und Stahl

Holz und Stahl sind wie Geschwister. Jedes hat sein eigenes Wesen mit charakteristischen Stärken und Schwächen, und doch haben sie einiges gemeinsam. Zusammen sind sie stark und machen Unmögliches möglich.

8,00 €

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Zuschnitt 40 - Holz und Stahl