Daten zum Objekt
Standort
Tel-Aviv Port/IL
Planung
Mayslits Kassif Architects, Tel Aviv/IL, www.mkarchitects.com
Auftraggeber
Marine Trust Ltd., Tel Aviv/IL, www.namal.co.il
Holzbau
Green Sky Ltd., Tel Aviv/IL, www.greensky.co.il
Fertigstellung
2008
Material
Ipe, Unterkonstruktion Kiefer, imprägniert
Unterkonstruktion
kesseldruckimprägnierte Tragbalken, Kiefer
Befestigung
sichtbar geschraubt
Untergrund
Beton
Fertigstellung
2008
Typologie
Dünenwandern
1936 gelangte Tel Aviv zu der Einsicht, dass die wachsende Stadt einen angemessenen Hafen brauchte. Als Standort wurde die Mündung des Yarkon ausgewählt. Es dauerte viele Jahre, bis man erkannte, dass der Hafen den in ihn gesetzten Erwartungen nicht gerecht werden konnte. Er war zu klein, die seeseitige Zufahrt zu umständlich. Der Verfall des Hafens war nicht mehr aufzuhalten, schon 1965 kamen alle kommerziellen Aktivitäten zum Erliegen. Für beinahe ein halbes Jahrhundert war hier nur mehr ein eingezäuntes Ödland vorzufinden. Die einzigartige Lage und Charakteristik des Areals machte es zugleich zum Gegenstand Dutzender Bauvorhaben. Sowohl Unternehmer als auch Architekten entwickelten die unterschiedlichsten Visionen für diesen Ort – denn sein Potenzial war, wenn auch ruhend, so doch offensichtlich. Die Bevölkerung von Tel Aviv hingegen besuchte den Hafen höchstens, wenn sie neue Fliesen zu Billigpreisen brauchte. Entscheidend für die weitere Geschichte des Hafens war der Führungswechsel in der Hafenverwaltung, der Marine Trust Ltd., im Jahr 2001. Die neue Generation war motiviert, nachhaltige und soziokulturelle Vorstellungen umzusetzen, und machte es sich zur Aufgabe, den Hafen in eine bessere Zukunft zu führen. Schon bald war eine neue Vision für das Areal gefunden: Es sollte zu einem öffentlichen Raum werden, der die Stadt mit dem Meer verbindet.
Offener Wettbewerb
Der offene Wettbewerb zur Planung des öffentlichen Raumes im Hafengebiet fand im Jahr 2003 statt. In unserem Siegerprojekt, das wir in Zusammenarbeit mit der Architektin Galila Yavin erarbeiteten, schlugen wir einen hybriden Raum vor, der die Qualitäten eines lockeren Strandumfelds mit der allgegenwärtigen Struktur der Stadt verbindet. Wir wollten eine neue, anregende und zugleich abstrakte städtische Plattform schaffen, die zu neuen Formen urbaner und sozialer Kultur inspiriert.
Urbanes Wohnzimmer
Für unser Konzept eines »urbanen Wohnzimmers« waren wir auf der Suche nach einer städtischen Oberfläche, die die Wahrnehmung der Besucher in einem Raum schärfen soll, in dem der Stadtrand mit dem Horizont verschmilzt. Schon nach der ersten Bauphase wurde der erneuerte Hafen für die Allgemeinheit geöffnet. Ganz unterschiedliche Leute strömten neugierig herbei, um die vielen Möglichkeiten zu erkunden, die durch die neue Beziehung der Stadt zum Mittelmeer entstanden waren. Jedes Jahr besuchen nun knapp drei Millionen Menschen den Hafen von Tel Aviv – erstaunlich viele angesichts einer Einwohnerzahl von einer Million für Tel Aviv und sieben Millionen für das ganze Land. Die große wellenförmige Plattform lädt alle ein, allein oder zu mehreren zu verweilen, zu joggen, Rad zu fahren, den Sonnenaufgang oder -untergang zu bewundern, Hochzeiten abzuhalten, in der Sonne zu liegen, zu sitzen, zu stehen, zu essen, Yoga zu üben, zu fischen oder einfach nur da zu sein.
Bauliche Realisierung
Die bauliche Umsetzung des Projekts stand dabei immer im Mittelpunkt unseres Interesses. Unser Hauptziel war die Schaffung einer weitläufigen Holzfläche, die alle Teile des Hafens miteinander verbindet und dabei in seiner Materialität den Kontakt und zugleich die Vertrautheit fördert. Zum Zweiten wollten wir einen markanten, aber dennoch subtilen Formenkanon schaffen, der die von uns geforderten Werte vermitteln sollte: das Fehlen von Hierarchien, eine sinnliche Materialität und ein klares Abstraktionsniveau für alle Bauelemente. Vorgefertigte Produkte erwiesen sich dabei als unbrauchbar, und so wurden neue Bauelemente mit eigens kreierten Namen ausgearbeitet:
Dünen
Angeregt durch die Sanddünen, auf denen Tel Aviv erbaut wurde, entwarfen wir eine kurvenreich gewellte Holzfläche. Bei der Übertragung dieser Fläche vom Computermodell in die Wirklichkeit verwendeten wir zuerst kleine Modelle aus Balsaholz, an denen Platzierung und Krümmung der Planken erprobt wurde. Bald jedoch entschlossen wir uns, 1:1-Modelle direkt vor Ort zu verwenden, um wirklich alle gestalterischen und technischen Aspekte testen zu können. Dabei erlebten wir eine positive Überraschung. Es stellte sich nämlich heraus, dass das Holz biegsamer war als erwartet. Das gab uns die Sicherheit, mit dem Bau der 14.000 m2 großen dünenförmigen Holzterrasse beginnen zu können.
Boolboos-Steine
Die abstrakt gerundeten Objekte namens »Boolboos« sind aus glasfaserverstärktem Beton. Man kann auf diesen Blöcken sitzen, sich anlehnen, von ihnen hinunterrutschen oder sich auch einmal an sie anschmiegen.
Leuchtstangen
Die Leuchtstangen sind »feldartig« angeordnet und mit einer schwachen Lichtquelle ausgestattet, um das subtile Gleichgewicht zwischen hell und dunkel, zwischen Natur und Stadt nicht zu gefährden.
Sonnenschirme
Ein Merkmal des Strands ist die Freiheit, sich niederzulassen, wo man will, und dort seinen Sonnenschirm in den Sand zu pflanzen. Dementsprechend wurde die ganze Terrasse mit verdeckten Sonnenschirmhaltern versehen. Im Sommer stehen über die Terrasse verteilt Strandsessel und Sonnenschirme, die der Allgemeinheit schattige Sitzgelegenheiten bieten. Der Erfolg des Projekts führte zu mehreren öffentlichen Folgeprojekten entlang der Küste von Tel Aviv, die die Stadt noch besser mit dem Meer verbinden. Der Hafen entwickelt sich langsam zu einem Ort spontaner Treffen, künstlerischer Unternehmungen, öffentlicher Petitionen und unterschiedlicher Akte der Solidarität – angefangen von Hochzeiten bis zu Wasserreinhaltungskampagnen. Mehr als alles andere sind diese spontanen Ereignisse für uns ein Zeichen dafür, dass das Hafengebiet mehr ist als bloß ein allgemein zugänglicher Freiraum. So, wie wir es erhofft und angestrebt hatten, ist er nicht nur ein öffentlicher Ort geworden, sondern, was viel wichtiger ist, ein lebendiger Ort.
Text
Ganit Mayslits und Udi Kassif
Architekten in Tel Aviv
seit 1994 führen sie gemeinsam das Büro Mayslits Kassif Architects
Übersetzung aus dem Englischen: Thomas Raab
Fotos
© Mayslits Kassif Architects
© Albi Serfaty
© Iwan Baan