Das liegt nicht daran, dass ihre Kunst so einfach aufzuschlüsseln wäre oder dass mangels Tiefgangs das Eintauchen besonders einfach wäre. Die Antwort liegt vielmehr in ihrer Strategie, die erste Einstiegshilfe derart simpel zu gestalten. Wird ein Betrachter mit den Filmen oder Fotografien von Fischli und Weiss konfrontiert, dann staunt er zunächst einmal und erinnert sich mitunter an seine früheste Kindheit – an einen Abschnitt seines Lebens, in dem er den alltäglichen Dingen noch offen und mit der größten Neugier begegnete. Ihr spielerischer Umgang und ihre Freiheit in der Materialwahl waren auch ausschlaggebend für den großen Erfolg des Films »Der Lauf der Dinge«, den sie 1987 auf der documenta 8 zeigten und mit dem sie den großen Durchbruch schafften. 30 Minuten lang exerzieren sie hier das Prinzip der Kausalität, von Ursache und Wirkung in einer Weise durch, die nur mit genialem Ideenreichtum und unter Einhaltung größter Präzision möglich ist. Autoreifen, Stühle, Flüssigkeiten und Gegenstände aller Art: Alles bewegt sich, befindet sich im Fluss, und steuert doch keinem erkennbaren Ziel entgegen. In der Abfolge von Ereignissen setzen sie auf unterschiedlichste Weise Energien frei, sei es durch Feuer, Explosionen oder die Schwerkraft. Das visuelle Erlebnis dieser Kettenreaktion und die dabei generierten Energien machen den Reiz dieser Arbeit aus. Alltägliche Gegenstände, je nachdem wie man sie einsetzt, können nützlich oder destruktiv sein – das ist die Erkenntnis dieser Arbeit.
Neben Fotografie und Film zählen auch Plastiken zu den Ausdrucksformen von Fischli und Weiss. Es gibt nahezu keinen Werkstoff, den sie nicht schon zu einer Skulptur verarbeitet haben. Angefangen bei Würsten und sonstigen Essensresten bis hin zu Polyurethan, Gummi oder Ton. Aus Ton in ungebranntem Zustand gibt es eine ganze Werkserie mit dem Titel »Plötzlich diese Übersicht«. Sie besteht aus 250 kleinen und mittelgroßen Skulpturen, die die großen Errungenschaften der Menschheit thematisieren, wie Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks oder den Bau der Pyramiden. Es wären aber nicht Fischli und Weiss, würden sie nicht auch dem Schrottplatz oder einer Schale Erdnüsse ein skulpturales Denkmal setzen. Diese Ironie und dieser subtile Witz können bei ihnen aber auch schnell ins Albtraumhafte kippen, wie bei ihren Projekten im öffentlichen Raum. 1999 realisierten sie im Skulpturenpark Nordhorn, an der deutsch-niederländischen Grenze gelegen, die hier abgebildete Arbeit »Ein Weg durch das Moor«. Ein Eichenholzsteg führt die Besucher durch ein vor allem im Sommer schwer zugängliches Moorgebiet. Die Schönheit dieser Landschaft steht im Widerspruch zu der Tatsache, dass sich hier während des 2. Weltkrieges ein Straf- und Arbeitslager befand. Fischli und Weiss haben den 1,2 km langen Rundweg scheinbar willkürlich durch das Moor verlegt und lassen den Besucher im Unklaren darüber, wohin die Reise geht. Erst nach zahlreichen Windungen und Hakenschlägen gelangt er zu einem Aussichtspunkt, der den Blick freigibt auf eine weite offene Fläche. Auf sehr eindringliche Weise setzen Fischli und Weiss die Schönheit dieser Moorlandschaft in Kontrast zu seiner Geschichte und verzichten dabei auf die billige Effekthascherei einer konventionellen Touristenroute.
Peter Fischli und David Weiss
geboren 1952 bzw. 1946 in Zürich
1979 Beginn der Zusammen arbeit
leben und arbeiten in Zürich
Einzelausstellungen (Auswahl)
- 2010/11 Sammlung Goetz, München
- 2010 21st Century Museum of Contemporary Art, Kanazawa
- 2009/10 Clay and Rubber, Matthew Marks Gallery, New York
- 2009 Objects on Pedestals, Sprüth Magers London, London
- 2008 Fragen & Blumen, Deichtorhallen Hamburg, Hamburg
- 2007 Equilibres, Galerie Eva Presenhuber, Zürich
Gruppenausstellungen (Auswahl)
- 2011 Eating Art, Fundació Caixa Catalunya, Barcelona
FotoSkulptur. Die Fotografie der Skulptur 1839 bis heute, Kunsthaus Zürich, Zürich - 2010 Catch Me! Geschwindigkeit fassen, Kunsthaus Graz, Graz
- 2009 The Making of Art, Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Main
- 2008 Art is for the Spirit. Works from the ubs Art Collection, Mori Art Museum, Tokio
- 2007 Gartenlust. Der Garten in der Kunst, Augarten Contemporary, Wien
Foto
© kunstweg EMIV/Helmut Claus