Daten zum Objekt
Standort
Graz/AT Google Maps
Bauherr:in
privat
Architektur
Gangoly & Kristiner Architekten, Graz/AT, www.gangoly.at
Holzbau
Lieb Bau Weiz GmbH, Weiz/AT, www.lieb.at
Konstruktion
Holz-Sparrenkonstruktion
Fertigstellung
2010
Typologie
Denkmalgerecht erweitert
Der sensible Umgang mit der Substanz und das trotz neuer Interventionen homogene Erscheinungsbild des Umbaus durch Gangoly & Kristiner Architekten wurden 2010 mit dem Fischer-von-Erlach-Preis gewürdigt.
Auf den ersten Blick mag das Resultat unspektakulär wirken, tatsächlich ist der Aufwand, der hier investiert wurde, bemerkenswert. Putze, Deckenmalereien und Stuck wurden fachgerecht restauriert, Kastenfenster saniert bzw. originalgetreu angefertigt und in hochwertiger, eine Maserung imitierender Kammzugtechnik zweischichtig mit einer Mischung aus Öl- und Alkydharzfarbe gestrichen. An den in einigen Innenräumen vorhandenen Holzvertäfelungen, deren ursprünglicher Anstrich dunkles Palisanderholz vortäuschte und die in den 1950er Jahren in Weiß und Lila modernisiert wurden, blieben die historischen Schichten erhalten und wurden ebenfalls in Kammzugtechnik überarbeitet.
Im Vergleich zu den zwei kompakt wirkenden Geschossen bietet sich die Dachzone des Bestandes weitaus differenzierter und mit hohem Detailreichtum dar. Während sich über dem Mittelrisalit und dem Ostflügel zwei Dachvolumina mit historischer Betonsteindeckung und filigran ornamentierten Firstgittern erheben, war das Dach über der Aufstockung aus den 1920er Jahren flach gedeckt. Diese Asymmetrie nutzten Hans Gangoly und Irene Kristiner für eine Wohnraumerweiterung: In Kombination mit dem Ausbau des bestehenden Daches brachten sie hier zwei Wohneinheiten für die Kinder der Familie unter.
Im Wesentlichen wurde der alte Dachstuhl beibehalten und der nördliche Dacherker mit Ziergiebel durch ein Pendant im Süden ergänzt, die alten Pfetten wurden verstärkt und auf der Ebene der Bundtrame eine neue Tramlage eingezogen. Der neue Dachzubau komplettiert die Dachlandschaft, füllt die Leerstelle auf. Obwohl er sich klar als neuer Eingriff zu erkennen gibt, zeichnet ihn eine hohe Anpassungsfähigkeit an den historisierenden Bestand aus. Die Angleichung erfolgte konstruktiv, indem der Zubau ebenfalls in Holz als Sparrendach mit Leimholzträgern ausgeführt wurde. Diese Entscheidung rührt erstens daher, dass die Konstruktion des Bestandes möglichst materialgetreu weitergeführt werden sollte, und fußt zweitens auf einer gewissen Pragmatik, um die ohnedies höchst aufwendigen Detaillösungen zur Erlangung möglichst harmonischer Übergänge nicht noch durch einen Wechsel in der Konstruktion zu verkomplizieren. Eine spezielle Anforderung an die Detailplanung stellten die Anschlüsse der neuen, großflächigen Fenster an den Bestand dar. Mit zarten Fensterrahmen aus lackiertem Fichtenholz zeichnen sie beim neuen Aufbau die Dachschräge nach und bilden einen barrierefreien Übergang zu den Dachterrassen.
Zur Bauteilkühlung liegen Kapillarrohrmatten im Innenputz. Sie sind – ebenso wie die unsichtbar in die horizontale Fläche des Dachzubaus integrierten Vakuum-Röhrenkollektoren – Teil des hauptsächlich von Erdwärme gespeisten alternativen Heiz- und Kühlsystems. Die äußere Verkleidung des Daches besteht aus einer dunkelbraunen Hülle aus Streckmetall, deren Tragkonstruktion in die Bitumenschicht der darunter liegenden Dachabdichtung eingebunden ist. Das Dach hebt sich damit klar als neue Zutat ab und spielt ebenso gut auf die reichen Metallarbeiten des Bestandes an, wie es sich mit der historischen Betonsteindeckung verträgt – zu deren Ergänzung übrigens Nachbildungen aus eingefärbtem Beton neu gegossen wurden.
Eine dem Gebäude, seinem baukünstlerischen Wert und seiner Ausstrahlung gerecht werdende Behandlung stand im Fokus der Architekten, die gemeinsam mit dem Denkmalamt angemessene Mittel suchten, um modernen Wohnkomfort mit Denkmalschutz zu vereinen. Die aktuellen Interventionen sprechen eindeutig die Sprache der Jetztzeit, in ihrer Anmutung fügen sie sich aber ebenso selbstverständlich in den ursprünglichen Bestand ein wie die heute nur mit sehr geschultem Auge ablesbare Aufstockung im Westteil des Baukörpers aus dem Jahre 1924.