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Schwerlastbrücken bei Sneek

erschienen in
Zuschnitt 44 Denkraum Holz, Dezember 2011
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Daten zum Objekt

Standort

A7 bei Sneek/NL

Planung

Onix, Groningen/NL, www.onix.nl mit AchterboschArchitectuur, Leeuwarden/NL, www.achterboscharchitectuur.nl

Bauherr

Provinz Friesland/NL, www.fryslan.nl

Holzbau

Schaffitzel Holzindustrie GmbH+Co.KG, Schwäbisch Hall/D, www.schaffitzel.de

Modellbauer

Jaap Kraayenhof & Co, Groningen/NL, www.jaapkraayenhof.nl 

Fertigstellung

2010

Typologie

Verkehr

Formen am Modell

Als »eigenartig vertraut« bezeichnen Haiko Meijer und Alex van de Beld, Gründungspartner von Onix, ihre Architektursprache. Im ländlichen Norden der Niederlande beheimatet, ist das Büro mit skulpturalen Bauten und innovativem Einsatz von Holz als Baumaterial bekannt geworden. In diesem Sinne sind die beiden nahezu identischen Holzbrücken bei Sneek typische Onix-Projekte: Während die meisten modernen Brücken so rank und schlank wie möglich aussehen wollen, wirken diese massiv und beinahe archaisch. Die erste Brücke wurde 2008 realisiert, die zweite Ende 2010 eröffnet.

Onix hat die Brücken gemeinsam mit dem Architekten Hans Achterbosch im Auftrag der friesischen Stadt Sneek entworfen, die zwei Viadukte für den Schwerlastverkehr über die Autobahn A7 benötigte, welche zugleich Wahrzeichencharakter haben sollten. Da die Straßenbaubehörde als künftige Nutzerin der Brücken kurz zuvor verkündet hatte, mehr Holz für ihre Infrastrukturbauten verwenden zu wollen, entschieden sich die Architekten für dieses Baumaterial. Das Resultat ist ein formaler und technischer Kraftakt aus acetyliertem Kiefernschichtholz, das noch nie zuvor für eine Brücke verwendet worden war (siehe auch Zuschnitt 41). Zwei Holzfachwerkschalen bilden das Primärtragwerk der Brücken. Zwischen den Untergurten der Fachwerke liegt als Sekundärtragwerk das Stahldeck. Von den Auflagern bis zum Firstgelenk verlaufen Druckbögen, unter denen die Königsstiele stehen. In etwa 8 Metern Höhe angebrachte Stahlriegel stabilisieren die Konstruktion, während Stahlkabel in den Untergurten für Vorspannung sorgen.

Im Anfangsstadium des Entwurfs wollte Onix die Brücken aus geraden Balken konstruieren. Wie sich aber schnell herausstellte, wären sie dadurch viel zu hoch und die Form wenig harmonisch geworden, sodass man sich für doppelt gekrümmte Balken entschied – mit der Folge, dass das Bauwerk ungleich komplexer geriet. »Das war ein anderer Prozess als bei einem Gebäude, denn man realisiert eine Idee«, sagt Haiko Meijer. »Von dieser Brücke Ansichten zu zeichnen, war komplett sinnlos. Schnitte waren schon besser, aber eigentlich musste man sie in greifbarem 3D sehen.« Aus diesem Grund ließ Onix den Modellbauer Jaap Kraayenhof bereits früh im Prozess ein Holzmodell im Maßstab 1:50 anfertigen. Und auf einmal wurde deutlich, dass entgegen der Annahme der Architekten nicht alle Balken gleich geformt waren und dass sich in die Computerzeichnungen auch einige offene Ecken eingeschlichen hatten. Auch die noch nie erprobte Konstruktionsmethode konnte anhand des Modells bereits einmal im Kleinen durchgespielt werden: Genauso, wie Kraayenhof eine runde Kontraform anfertigte und darüber Schichtholz mit Leimzangen in Form brachte, wurden später beim Konstrukteur die Bauteile auf einem gebogenen Montagetisch ausgelegt und abgebunden. »Normalerweise dienen Modelle nur zur Veranschaulichung. Hier war es auch eine Demonstration von Baubarkeit und Bauweise. Es hatte einen enormen psychologischen Effekt«, sagt Meijer.

Gefertigt wurden die Balken der Brücke von einer süddeutschen Holzbaufirma. Dann wurden die räumlich verdrillten blockverleimten Bauteile nach Friesland zur 1,5km vom späteren Standort entfernten Baustelle gebracht und dort mit Gewindestangen zusammengesetzt. Letztlich konnten die Brücken jeweils in einer einzigen Nacht installiert werden. Nun hocken sie unübersehbar über der Autobahn und bieten dank ihrer Krümmung aus jedem Winkel einen anderen Anblick. So technisch innovativ sie sein mögen, so sehr hat ihre Form traditionelle und lokale Konnotationen: Den Architekten zufolge verweist sie auf die hohen Dächer alter friesischer Bauernhäuser, man kann sie aber auch als Anspielung auf die lange Bootsbautradition der Stadt Sneek lesen.

Fotos:

© Onix/Peter de Kan


verfasst von

Anneke Bokern

ist freie Architekturjournalistin und wohnt seit 2000 in Amsterdam. Mit ihrer Firma architour organisiert sie Architekturführungen in den Niederlanden.

Erschienen in

Zuschnitt 44
Denkraum Holz

Sehen, anfassen und erfassen: Holz ist ein ideales Werkzeug, um seine Ideen zu visualisieren, seine Gedanken zu konkretisieren und sich in ungeahnte Räume und Welten entführen zu lassen.

 

8,00 €

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Zuschnitt 44 - Denkraum Holz