Die zweite Lebenshälfte ist heute für viele Menschen geprägt von vielfältigen Aktivitäten, die ein selbstbestimmtes Handeln verlangen. Vor diesem Hintergrund steht auch die Frage nach der individuellen Gestaltung des Wohnens. Die Vorstellung vieler Leute, es gebe im Alter nur die drei Lebensformen »allein«, »bei den Kindern« oder »im Altersheim«, verliert zunehmend an Grundlage. Immer häufiger sind Menschen bereit, auch im Alter nochmals umzuziehen und etwas Neues auszuprobieren. Gerade jüngere Senioren ergreifen vermehrt die Chance, sich mit einem Umzug noch einmal ganz neu zu orientieren, und suchen nach neuen Formen des Wohnens.
Mit zunehmendem Alter können sich nicht nur neue Anforderungen an die Wohnsituation ergeben, sondern auch ganz neue Möglichkeitsräume der Lebens- und Wohngestaltung eröffnen. Da wir es im Alter einerseits mit unterschiedlichen Wohnbedürfnissen, andererseits aber auch mit individuell verschiedenen finanziellen Möglichkeiten zu tun haben, braucht es in Zukunft ein Wohnungsangebot, das für alle Einkommensgruppen attraktive und bezahlbare Wohnungen bereithält. Selbst wenn die Mehrheit der älteren Menschen aus finanziellen Gründen gar keine andere Wahl hat, als in ihrer bisherigen Wohnung zu bleiben, wird es zumindest für einen Teil der kommenden Altersgeneration wichtig sein, zwischen verschiedenen Angeboten wählen zu können. Bei den neuen Wohnmodellen im Alter geht es längst nicht nur um Schwellen und Stufen, sondern auch um ein gutes soziales Netzwerk familiärer, freundschaftlicher und nachbarschaftlicher Kontakte, um Sicherheit und um verfügbare Betreuungsleistungen im fortgeschrittenen Alter. Die neuen Wohnmodelle lassen sich grob in zwei Hauptkategorien einteilen: Projekte für gemeinschaftliches Wohnen, die privates Wohnen und gemeinschaftliches Leben kombinieren, und Projekte für individuelles Wohnen mit Betreuung, die das selbstständige Wohnen erleichtern.
Individuelles Wohnen mit Betreuung
Dem privaten Wohnen im eigenen Haushalt am nächsten kommen Modelle des Wohnens mit Betreuung (auch »Betreutes Wohnen« oder »Service-Wohnen« genannt). Diese Modelle verbinden altersgerechtes Wohnen mit einem individuell abrufbaren Angebot an verschiedenen Dienstleistungen. Dazu gehören etwa eine 24-Stunden-Notrufanlage, Reinigungs- und Wäscheservice, Mahlzeitendienst, Hilfe beim Einkaufen oder auch pflegerische Betreuungsleistungen nach Bedarf. Modelle des Wohnens mit Betreuung wie Alterszentren oder Residenzen, die das selbstständige Wohnen erleichtern, die persönliche Freiheit aber möglichst wenig beschneiden, ersetzen zunehmend die »klassischen« Altenheime, die sich immer mehr zu reinen Pflegeheimen bzw. zu Servicehäusern mit Wohn- und Dienstleistungsangeboten für Menschen mit größerem Betreuungsbedarf entwickeln.
Gemeinschaftliches Wohnen
Als besonders attraktive Alternativen zum nach wie vor von der Mehrheit favorisierten Wohnen daheim gelten gemeinschaftliche Wohnformen. Diese erschöpfen sich nicht in Wohngemeinschaften, in denen sich mehrere Menschen einen Haushalt teilen. Weitaus verbreiteter als »reine« Wohngemeinschaften sind Altershaus- oder Siedlungsgemeinschaften sowie intergenerative Wohnprojekte (Mehrgenerationenhäuser). Gemeinschaftliche Wohnformen zielen auf Partizipation, Selbstbestimmung und aktiv gelebte Nachbarschaft bei gleichzeitiger Wahrung der Privatsphäre ab.
Strategien zur Verbreitung neuer Wohnformen
Zahlenmäßig fallen solche Projekte allerdings noch immer kaum ins Gewicht. Dass es nicht mehr davon gibt, hat verschiedene Gründe. Die Herausforderungen an Altenwohn- und Hausgemeinschaften sind andere als an studentische WG-Formen, die in der Erinnerung vielfach auch noch verklärt werden. Und nur, weil die »neuen Alten« oft schon WG-erprobt sind, heißt dies längst nicht, dass sie auch im Alter für diese Wohnform taugen. Der Aufbau selbstorganisierter Projekte wie Hausgemeinschaften ist zudem oft mit einem immensen Aufwand verbunden. Neben kommunikativen Fähigkeiten braucht es Toleranz, Geduld und Ausdauer. Von der Idee bis zum Einzug vergehen nicht selten fünf oder noch mehr Jahre. Kein Wunder, dass viele Projekte schon in der Gründungsphase scheitern. Dazu kommt oft auch ein erhebliches finanzielles Engagement. Zu einem größeren Wachstum dieses in vieler Hinsicht innovativen und auch sozialpolitisch unterstützenswerten Bereichs würde eine umfassende Beratung und Projektbegleitung ohne Zweifel beitragen. Sollen neue Wohnformen zudem auch für einkommensschwächere Gruppen attraktiv werden, müssen künftige Projekte »zur ‚normalen‘ Wohnform werden, die in ‚normalen‘ Gebäuden stattfinden kann, und nicht nur in der Jugendstilvilla mit Aufzug und großem Garten; […] für ‚normale‘ Menschen zugänglich sein und nicht nur für Idealisten mit überhöhten Ansprüchen an Gemeinsamkeit; […] zügig umgesetzt werden und nicht jahrelange Gruppensitzungen mit starker Fluktuation der Teilnehmer erfordern«(1).
Da Bevölkerungsgruppen im mittleren und höheren Alter zu den bedeutendsten Nachfragesegmenten auf dem Wohnungsmarkt gehören werden, sollten in Zukunft generell beim Wohnungsbau konsequent altersgerechte Kriterien berücksichtigt werden, wobei diese Anforderungen letztlich allen Generationen zugute kommen. Daneben sollte aber nicht vergessen werden, wie das ganz »normale« Wohnen im Alter in Zukunft unterstützt werden kann. Wie kann etwa mit quartierbezogenen Wohnkonzepten dazu beigetragen werden, dass ältere Menschen sich auch in ihrer – vielfach nicht altersgerecht ausgebauten – Wohnung sicher fühlen können?
(1) Gerda Helbig: Ein bundesweites Netzwerk für gemeinschaftliche Wohnprojekte, Wohnbund Informationen, Selbstbestimmt wohnen im Alter, Nr. 2/2004, S. 28.